Mittwoch, 27. August 2025

Aufs falsche Pferd gesetzt

Bei dem Entwurf einer Strategie hat man es nicht leicht. Über merklichen Zeithorizont in die Zukunft zu schauen oder sich Gedanken über die langfristige Entwicklung zu machen, ist ein ziemlich wackliges Konstrukt. Nicht allein, dass niemand in die Zukunft schauen kann, manchmal kommen noch unplanbare Unstetigkeiten hinzu.

Aufs falsche Pferd gesetzt

Ob man in den nächsten Jahren einige Prozentpunkte mehr Telefonbücher drucken muss, kann man abschätzen und daraus einen eventuell notwendigen Ausbau der Produktionsstraßen ableiten. Diese Planung ist ungenau, aber mit dem notwendigen Datenmaterial (aus der Vergangenheit) und einer sorgfältigen Abschätzung der Zukunft einigermaßen belastbar.

Tja, und dann kommt das Internet. Erst langsam, dann immer schneller und auf einmal braucht kein Mensch mehr ein Telefonbuch. Die Produktion geht nicht zurück, sie bricht komplett weg. Man kann bestenfalls die Druckstraßen für andere Erzeugnisse verwenden, aber selbst das könnte schwierig werden. Nicht nur ein bestimmtes Produkt, eine ganze Branche fällt einer eruptiven Entwicklung zum Opfer.

Dies früh genug abzusehen und die Tragweite eines World-wide-web abzuschätzen ist nahezu unmöglich. Wieviele Trends und Hype-Themen werden zwar lautstark propagiert, verschwinden aber nach kurzer Zeit doch in der Versenkung.

Aber es gibt auch Entwicklungen, bei denen die Verläufe in der Zukunft gar nicht so überraschend sind und die trotzdem nicht ernst genommen werden. Irgendwas zwischen arrogant und überheblich hat die deutsche Autoindustrie bezüglich E-Autos und Tesla in unerschütterlicher Starre verharrt. Nein, da waren sie sich sicher, Tesla mag ja ein bisschen mit Computern umgehen können, aber ein anständiges Auto zu bauen, das wird diesen Anfängern nicht gelingen. Da fehlt es einfach an der jahrzehntelangen Erfahrung deutscher Ingenieurskunst.

Nun kämpft Tesla sicher an der einen oder anderen Stelle mit Qualitätsproblem im Bereich Chassis und Mechanik, aber der Trend, dass ein Auto kein Gehäuse um einen Motor, sondern ein rollendes Rechenzentrum ist, der ist unaufhaltsam und wurde gehörig unterschätzt, wie die Zulassungszahlen der Tesla-Modelle beweisen.

Eine ganz andere Branche (Hersteller von Fotoapparaten) hat auch den Zug der Zeit – die zunehmende Computerisierung und die zentrale Rolle eines leistungsfähigen Rechenkerns – verpasst. Es steht außer Zweifel, dass die Platzhirsche auf dem Kameramarkt großartige Fotoapparate bauen. Insbesondere die Optiken sind phantastisch, verzerrungsarm, lichtstark, chromatisch korrigiert und so weiter.

Doch was ist passiert? Da kommen diese Anbieter von Smartphones, bauen eine unbeschreiblich kleine und leistungsschwache Kamera ein und korrigieren die ganzen Abbildungsfehler einfach per Software. Schwachlicht und sekundenlange Belichtungen verlieren ihren Schrecken, weil ein pfiffiges Computerprogramm die verwackelten Einzelaufnahmen geschickt wieder zusammensetzt.

Damit sind keine bewegten Objektive (Canon) mehr notwendig oder Chips, die dem Verwackeln mühsam per Mechanik folgen (Sony). Weg mit dem Kram, ein Handy tut es auch und Millionen von Menschen trennen sich von ihren schweren Spiegelreflexkameras, weil sie ihr Handy sowieso in der Tasche haben und in vielen Fällen mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Und was passiert auf der Anbieterseite? Zögerlich reagieren die Premiummarken, steigen sehr langsam von ihrem hohen Ross und passen ihre Produkte an. Und auf einmal sind sie in der Situation der Verfolger, müssen die fehlende Erfahrung aufholen. Wobei wir prominent an Nokia denken können, das vom Marktführer für Handys in der Nische verschwunden ist.

Man darf sich auf ausgiebiger Erfahrung, Marktführerschaft oder bisherigen Erfolgen nicht ausruhen. Denn ausgesprochen viele Produkte sind direkt oder indirekt an Technik gekoppelt. Hier lohnt es sich allein schon darüber nachzudenken, welche Änderungen ein sprunghafter Fortschritt der Technik auslösen könnte. Anwaltliche Beratung oder Übersetzungsbüros bekommen mit ChatGPT einen unerwarteten Konkurrenten, Automechaniker teilweise werden von Elektronikern abgelöst.

Am Ende ist es wie beim Pferderennen. Informieren und dann wetten. Was nicht bedeuten muss, dass man zu den Gewinnern gehört.



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Mittwoch, 20. August 2025

Kunde, Kunde, Kunde

 
Kunde, Kunde, Kunde

Manchenorts heißt es "der Kunde ist König", im angelsächsischen dreht sich alles um den Customer und seine Customer Experience. Doch da müssen wir ein wenig genauer hinschauen. Bei den Kunden gibt es nämlich verschiedene Typen, die je nach Verhältnis deutlich unterschiedliche Beziehungen aufbauen.

Typ 1: Kommt vorbei

Er bummelt lässig über die Fußgängerzone, ist mehr oder weniger kaufwillig, aber ohne konkretes Ziel. Ich kann mit geeigneten Mitteln sein Interesse wecken, meine Produkte anbieten und vielleicht an ihn verkaufen. Als Anbieter könnte man sich einen Marktschreier vorstellen.

Typ 2: Mit Einkaufsliste

Er kommt mit leerem Einkaufswagen in den Supermarkt, kramt in der Tasche nach der Einkaufsliste und beginnt, die vorgesehenen Artikel zu laden. Er agiert im Wesentlichen selbständig, möchte bei der Abarbeitung seiner Liste auch nicht gestört werden. Wenn er etwas nicht findet, es eine Produktalternative gibt oder er schlicht nichts mit der Notiz auf dem Einkaufszettel seiner Frau anfangen kann, braucht er Beratung.
Der Verkäufer tritt nur sehr bedingt in Erscheinung, muss kompetent das Produktportfolio kennen und überzeugend beraten können.

Typ 3: Ist da und vertraglich gebunden

Er ist Abnehmer einer Ware oder Dienstleistung, weil er sich vertraglich dazu verpflichtet hat. Grundsätzlich steht es ihm frei, das bezahlte Angebot zu nutzen oder auch nicht, im Idealfall nutzt er statistisch eher weniger als angeboten und finanziert dadurch andere Abnehmer mit. Ihn als Kunde zu behalten, eventuelle Unzufriedenheit und Kündigungsszenarien im Auge zu behalten ist Aufgabe des Anbieters. Je nach Situation kann man versuchen, die Vertragslaufzeit aktiv zu verlängern, ansonsten lässt man ihn in Ruhe.

Typ 4: Hat gar keine Alternative

Er sitzt vor seinem Dienst-Computer und ist darauf angewiesen, dass dieser funktioniert. Aus Sicht der für die Wartung zuständigen Abteilung ist er zwar der Empfänger der Dienstleistung, andererseits aber nicht wirklich Kunde, sondern eher Kollege. Und er hat keine Möglichkeit, seinen PC von einem anderen Provider in Ordnung halten oder bringen zu lassen. Wie in einer Ehe hat er gar keine Alternative und muss sich mit der Situation arrangieren.

*

Muss ich also erst mal auf Kundenfang gehen, ihn mehr oder weniger ausführlich betreuen, nur bei der Stange halten oder lediglich so weit zufrieden stellen, dass er sich nicht zu deutlich beschwert - das ist eine Frage des Kundentyps. Und das hat natürlich Auswirkungen auf die Anbieterseite und die notwendige Mindestqualität des Kunden-Beziehungs-Managements. Wobei sich die Beziehung auch im Lauf der Phasen ändern kann. Ist der Kunde erst mal mit überzeugenden Worten, bunten Flyern und kleinen Aufmerksamkeiten gewonnen, dann kann man übergehen zu einer regulären Betreuung, bei der der Kunde auch schon mal in der Warteschlange einer sogenannten Hotline versauert.

Was dann je nach Fixierung des eingegangenen Vertrages übergeht in das (verdeckte) Aufkündigen der Kommunikation. Der Kunde wird von der Hotline zur Servicestelle geschickt, die dem Kunden nach ausführlicher Verzögerung jede Lust nimmt, sich noch mal freiwillig mit dem Anbieter in Verbindung zu setzen. Und das kann ja durchaus das Ziel einer Kundenbeziehung der Typen 3 und 4 sein. Ideale Randbedingungen ergeben sich hier, wenn es entweder keine Ausweichmöglichkeiten gibt (z. B. bei Behörden) oder die anderen Anbieter mit ähnlichem Antritt unterwegs sind (z. B. Telefon-Provider).

Bleibt festzuhalten, dass man als Kunde nicht immer König ist, oder wenn, dann nur ein Monarch, der immer mal auf den Balkon gebeten wird, um seinen Anbietern zuzuwinken.

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Mittwoch, 13. August 2025

Glasfaser nehmen wir persönlich

Da lag dieser Tage ein Flyer in meinem Briefkasten: „Glasfaser nehmen wir persönlich…“ Nun ja, die übliche Werbung, der Versuch, mich doch noch zu einem Anschluss zu bewegen und mich zum Thema Anschluss und Installation zu beraten.

Glasfaser nehmen wir persönlich

Grundsätzlich gut, wäre da nicht die entsprechende Vorgeschichte. Unsere Siedlung ist nämlich vor ein paar Wochen von mehreren Bautrupps überfallen worden, die ohne lange Vorankündigung Straßen sperrten, Bürgersteige aufrissen, Straßenquerungen frästen und damit den Verkehr mehr oder weniger lahmlegten. Unglücklicherweise auch meine eigene Baustelle, zu der keine Lieferung mehr durchdringen konnte.

Der Versuch, hierauf als Betroffener in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen scheiterte kläglich. Die vor Ort herumlaufenden Bauarbeiter sprachen kein Deutsch, die Bauhotline war durch lange Wartezeiten gekennzeichnet. Hatte ich endlich einen Menschen am Telefon, gab er mir die Telefonnummer des Vertragspartners, der sich allerdings als telefonisch unerreichbar herausstellte. Wieder bei der Bauhotline wurde mir die Darstellung meines Anliegens über ein Kontaktformular ans Herz gelegt. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen, nichts passierte. Auch die angeblich vorhandene Kontaktmöglichkeit über WhatsApp funktionierte nicht, da ich ja kein Kunde bin und entsprechend auch keine Kundennummer habe.

Meine Pre-Customer Experience war also niederschmetternd. Nichts funktionierte, die Bautrupps zogen ihre Bauarbeiten durch, meine eigene Baustelle machte eine teure Zwangspause. Keine Chance, dies irgendwie zu beeinflussen, Kommunikation auf dem Niveau Schulnote 6 (ungenügend).

Und jetzt also der warmherzige Antritt, mich zum Kunden zu machen? Ich kann mir schon vorstellen, wie ein geschniegelter Vertreter vor der Haustür steht, mich verbal einseift und mir die rosige Zukunft der Glasfaser ausmalt. Die bei mir aber eher mit ruppigen Handwerkern, unbeeinflussbaren Abläufen und nichtfunktionierenden Lösungen assoziiert ist.

Wir haben es hier mit einer recht typischen Diskrepanz der beteiligten Einheiten zu tun. Tatsächlich sind es Ein-heiten, also in sich gekapselte Teams, die nur eingeschränkt miteinander reden. Was der Vertriebler mühsam akquiriert, wird vom Ausführer mit ein paar ungeschickten Maßnahmen kaputt gemacht. Ist der Vertrag erst mal unterschrieben, ist die Bahn frei, Kundenorientierung ade.

Egal ob Glasfaser, Versicherer, Stromanbieter oder andere Provider. In fast allen Unternehmen scheint die Trennung zwischen Akquise- und Bestandskunden wie die Trennung zwischen der Fassade und dem darunter verborgenen Plattenbau mit maroden Strukturen und einem muffeligen Hausmeister. Und hier wie da mag es im Alltag klappen, aber im Problemfall ist man leider auf den unwilligen Hausmeister angewiesen.

Da denke ich an den Ehrbaren Kaufmann und natürlich an die heute oft zitierte Nachhaltigkeit im Geschäftsumfeld. Den schnellen Euro zu machen kann auch die Glasfaser Deutschland, aber dauerhaft zufriedene Kunden kann ich mir nach meinen bisherigen Erfahrungen leider nicht vorstellen. 

Wie ungeschickt, denke ich mir, dass man durch diese organisatorischen und vor allen Dingen kommunikativen Mängel nicht nur Kunden, sondern auch noch potentielle Kunden abschreckt. Entsprechend kann ich Unternehmen nur ans Herz legen, nicht nur die Vertriebseinheiten zu fördern und zu feiern (weil sie ja Geschäft und damit Geld einbringen), sondern genauso ein wachsames Auge auf die Einheiten zu halten, die für die vielen anderen Prozessschritte zuständig sind.


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Mittwoch, 6. August 2025

Gefühle oder Fakten?

Mir gegenüber die junge Frau, schulterlange Haare, blondiert, Mittelscheitel. Darunter ein zartes Gesicht, kein Makeup, naturschön eben. Sie erinnert mich an meine Kommilitonin Sabine aus der Studentenzeit und mir wird warm ums Herz. Nicht, dass sie so schön wäre, auch nicht, dass ich damals irgendwas für Sabine empfunden hätte. Es ist viel mehr die Verbindung zu einer Zeit, einer Lebensphase, einem Gefühl damals.

Gefühle oder Fakten
In den letzten Tagen erlebe ich das immer mal wieder, freue mich mal über eine Szene, einen Geruch manchmal, eine bestimmte Musik. Was ich dann unbewusst in den Kontext irgendeiner Erfahrung oder Erinnerung gestellt bekomme.

Wie Pizza: Manchmal ist es weniger der besondere Gaumenschmaus, vielmehr irgendetwas zwischen Lebensgefühl, dolce vita, Urlaub, schönen Stunden, Rotwein und Entspannung im Trubel eines italienischen Restaurants.

Der Frühling, das aufknospende Grün. Das ist nicht einfach nur schön, es ist die Aussicht auf den Sommer, auf das beginnende Vegetationsjahr, auf Saft und Wachstum. So wie wir staunend vor Kindern stehen, ihnen beim Wachsen zuschauen und uns fragen, ob wir jemals auch so klein waren. Und sie trotz ihrer Unbeholfenheit darum beneiden.

Da bleibt gar nicht so viel Faktenwissen übrig, ist das Leben doch deutlich stärker geprägt von Gefühlen. Vielleicht Lust, vielleicht Schmerz, aber selbst sehr nüchterne Menschen verbinden Szenen mit Eindrücken wie Wärme, Kälte und Gerüchen, Enge oder Lichtverhältnissen. Und die kommen wieder, rufen Erinnerungen auf.

Die junge Frau steht auf, richtet sich darauf ein, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Nein, mache ich mir klar, sie sieht nicht aus wie Sabine, hat auch nicht ganz ihre etwas mürrische Art, aber die Haare waren einen Moment lang die Brücke in meine Studentenzeit.

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