Donnerstag, 27. März 2025

Wurm, Fisch, Angler und IT

Eine kleine Weisheit besagt, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss, nicht dem Angler. Dieses Bild enthält einige Aspekte, die man sich mal im Detail anschauen kann. Ergänzt um weitere Perspektiven ergibt sich:
  1. Nicht jeden Fisch kann ich mit jedem Köder erfreuen. Wie ich die Zielgruppe optimal erreiche, kann sehr unterschiedlich sein. Das richtige Schlagwort, die richtige Emotion oder das Betonen einer bestimmten Eigenschaft können höchst verschieden sein.
  2. Was aus meiner Sicht gut und wichtig ist, kann für meine Mitmenschen total nebensächlich sein. Wenn ich jemand für mich oder meine Sache gewinnen möchte, dann muss ich seine Wünsche antizipieren.
  3. Je besser ich von meiner Sicht abweichend zur Sicht der Zielgruppe wechseln kann, desto besser schaffe ich die Verbindung. Nicht meine Sicht der Dinge ist entscheidend, sondern die der Gegenseite.
  4. Ich bin der Angler. Ziel ist es, aus dem großen Teich die gewünschten Fische zu ziehen. Es besteht die Gefahr des Beifangs, dass also Fische an die Angel gehen, die ich gar nicht haben wollte.
    Das ist schwierig, weil um die begehrten Fische noch ganz viel Wasser ist, die Treffwahrscheinlichkeit also relativ gering ist.
  5. Ich bin auf der Suche nach Fischen, also Wesen, die ein eigenes Leben und einen eigenen Willen haben. Standard-Köder erwischen auch nur Standard-Fische.
Wurm, Fisch, Angler und IT


Und hier ein paar Beispiele, warum das Bild vom Wurm und dem Fisch auch in der IT angewendet werden kann:
  1. Software-Entwicklung: Benutzeroberfläche und Funktionen sollten sich an den Bedürfnissen der Benutzer orientieren.
  2. IT-Sicherheit: Vorgaben und Maßnahmen sollten so gestaltet sein, dass die Anwender sie auch verwenden wollen und können.
  3. Software-Funktionalität: Eine einfach zu bedienende Oberfläche mit den für Standard-Anwender relevanten Optionen ist wichtiger als eine unübersehbare Vielfalt, die jeden Sonderfall abdeckt.
  4. IT-Support: Kommunikation in der Begriffswelt der Anwender und Erläuterung für technisch weniger versierte Menschen sollte selbstverständlich sein.
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Dienstag, 11. März 2025

Lügen haben kurze Beine

Meine Hände werden langsam kalt. Mit Elan war ich heute Morgen aus dem Bett, ins Bad, die Küche, zum Auto gelaufen und hatte einen guten Parkplatz am Bahnhof erwischt. Der Tag war mein Freund, alles bestens. Dass der geplante Zug ausfiel und der nachfolgende Zug Verspätung haben sollte konnte meine Laune nicht wirklich herunterreißen. Es war auch noch erträglich, als der nachfolgende Zug anstelle der Verspätung abgesagt wurde: Störung am Triebkopf.

Lügen haben kurze Beine
Die zweite Alternative fiel dann auch aus, mittlerweile saß ich eine halbe Stunde am Bahnhof. Immerhin hatte ich einen der wenigen Sitzplätze im zugigen Wartehäuschen ergattert. Einsetzender Nieselregen trieb die anderen Wartenden ebenfalls in das Häuschen, hier konnten wir der Absage des nächsten Zuges lauschen. Und so ging es weiter. Züge, die eben noch als pünktlich angezeigt wurden hatten erst mal Verspätung, verschwanden dann komplett von der Anzeigetafel oder wurden als Verbindungsausfall aufgeführt.

Salamitaktik mit phantasievollen Begründungen für den lahmgelegten Verkehr. Inzwischen hat der Bahnhof seit knapp anderthalb Stunden keinen Zug mehr gesehen. Und jetzt das Highlight für das frierende menschliche Transportgut: "Verspätung aus vorausgehender Fahrt." Welche vorausgehende Fahrt kann denn gemeint sein? Hier fährt nichts, was den Ablauf stören könnte. Wer wirft denn die Kugel ins Ausreden-Roulette?

Vermutlich hat die Bahn Geld dafür ausgegeben, sich von einer teuren Beratungsfirma Tipps für den Umgang mit Verspätungssituationen geben zu lassen. Ganz oben an der Oberfläche schlagen die Verspätungen und Zugausfälle zu den Reisenden durch. Das ist sozusagen der Husten, der uns in der Erkältungswelle erfasst. Da kann man dann sagen "Husten Sie bitte in eine andere Richtung." Die Bahn bietet Durchsagen mit Begründungen aus einem Pool verschiedener Formulierungen.

Jetzt könnte man natürlich auch Hustenstiller oder -löser nehmen. Also etwas gegen die Symptome machen. Die Verspätung wird damit zwar nicht geändert, aber immerhin kann man das Warten erträglicher machen. Heiße Getränke, ein zugfreier und beheizter Wartebereich könnte die Situation ein wenig entspannen. Oder man bekämpft die Erkältung, so dass der Husten verschwindet, an die Stelle einer Symptombekämpfung tritt die Ursachenbearbeitung.

Ein Ersatzzug, Ersatzverkehr, Zusatzangebote und Umleitungen haben das Potential, eine auftretende Störung für die Reisenden unsichtbar zu machen. Während der Körper sich regeneriert, werden die wesentlichen Funktionen aufrechterhalten. Wir fühlen uns ein wenig angeschlagen, aber eigentlich geht es uns noch ganz gut.

Und schließlich die Königsdisziplin: Vorbeugen. Was dem Körper sein Saunabesuch, seine gesunder Ernährung und die Wahl geeigneter Kleidung ist, das könnten bei der Bahn ausreichende Reserven, Notfallpläne und die Bereithaltung von Alternativen sein. Und so wie ein Körper von Natur aus auf Infektionen bis zu einem gewissen Grad gerüstet ist, so müssen auch hier der Fahrplan und damit zusammenhängende Prozesse resilient gestaltet werden. Pannen und Störungen gehören zum Alltag und müssen aus der Rubrik "Ausnahmezustand" in die Rubrik "Alternativzustand" überführt werden.

Das erfordert ein wenig Phantasie, aber der Körper macht es uns vor. Elemente wie ein Immunsystem, ausgefuchste Reparaturmechanismen und eine beeindruckende Vielfalt von Backupsystemen sind ein Vorbild für alle technischen Abläufe und Prozesse. Damit es nicht bei gutgemeinten Fahrgastberuhigungsansagen bleiben muss.

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