Mittwoch, 28. Mai 2025

Endlich gibt es Citizen Development

Geradezu altmodisch wirken Einrichtungen wie Betriebliches Vorschlagswesen, Ideenbörsen, Innovationsworkshops und Kreativitätskampagnen. Selbst wenn diese Ansätze grundsätzlich gut funktionieren, haben sie doch alle einen verbindenden Nachteil. Man steht nach Abschluss der Generierung vor einem Berg von potentiellen Verbesserungen, die weiterbearbeitet, in die Praxis überführt und dort integriert werden müssen. Nicht alleine die Fragen nach dem Business Impact, dem Aufwand und natürlich dem Return of Investment müssen beantwortet werden. Schon die Suche nach einem kompetenten Ansprechpartner kann sich ziemlich schwierig gestalten.

Und als ob das nicht mühsam genug wäre, verlangt der Impulsgeber, Einreicher, Kreativkopf dann auch noch eine Belohnung, eine Prämie, vielleicht sogar eine Beteiligung am Gewinn oder der realisierten Einsparung.

Endlich gibt es Citizen Development

Doch auch die Empfängerseite ist natürlich einfallsreich. Weg mit diesen verstaubten Prozessen, Gutachten, Gremien und gegebenenfalls Gratifikationen. Wer Optimierungen erkennt, der bekommt Hammer und Nägel ausgeliehen und kann selbst zum Zimmermann werden; ob er das nun kann oder nicht. Es macht doch schließlich Spaß, sich mit IT zu beschäftigen, mit sogenannten No-Code-Low-Code-Anwendungen seinen Bedarf selbst abzubilden. Und nachher das gute Gefühl, sein Arbeitsumfeld verbessert zu haben, im Idealfall sein Werk präsentieren oder Kollegen zur weiteren Benutzung bereitzustellen.

Nur mit der Prämie, naja, da wollen wir mal nicht so genau drüber reden. Und die erforderliche Beschäftigung mit tätigkeitsfremden Technologien und die Lösung der nahezu zwangsläufig auftretenden kleinen und großen Probleme sollte idealerweise neben der Hauptberufung, besser noch in der Freizeit, stattfinden. Zudem lehrt die Praxis, dass der schnell in der MS Power Platform zusammengeklickte Workflow im Laufe der Zeit dann eben doch einen spezialisierten IT-Fachmann erfordert. Von Dokumentation, Wissenstransfer und Revisionssicherheit mal ganz zu schweigen.

So entpuppt sich dieses moderne Instrument als Mogelpackung. Nicht alleine das Versprechen der einfachen und intuitiven Bedienung ist bis auf sehr simple Fälle eine glatte Lüge. Auch beim Ernten der Früchte ist die Bilanz für die Aktiven absolut unbefriedigend. Und im Sinne von Nachhaltigkeit, Professionalität, Standardisierung, Wissensmonopolen muss man insgesamt betrachtet eher ein rotes Label an die Produkte hängen.

Als Trost lässt sich nur festhalten, dass sicher in ein paar Jahren ein findiges Beratungshaus ein spezielles Angebot für die Migration solcher Entwicklungen in reguläre Applikationen macht oder die interne IT-Abteilung mit dem Aufräumen des Kinderzimmers beauftragt wird.

Mittwoch, 21. Mai 2025

DNA und Kernkompetenz

Vorwerk, so habe ich mir erzählen lassen, ist als Hersteller von Teppichen und Teppichböden gestartet. Im Laufe der Unternehmensgeschichte wurde dann die Sparte Staubsauger gegründet und heute beruht ein merklicher Teil der Umsätze auf einer heizenden Küchenmaschine. Was haben diese Produkte aus Kundensicht miteinander zu tun, fragt man sich. Kann man von der Auslegeware vielleicht noch auf deren Pflege kommen und so das Portfolio ergänzen, fällt der gedankliche Wechsel in die Küche schön deutlich schwerer.

Und doch ist es ein Unternehmen, werden die Produkte aus demselben Haus verkauft und müssen also eine gewisse Verbindung haben. Wer jemals einen Kobold (klassischer Bodenstaubsauger) gewartet hat, der bekommt leuchtende Augen. Einheitliche Schrauben, erreichbare Klemmen, leicht verständliche Grundtechnik mit wenigen Handgriffen aus- und umtauschbar. Schon von der Konstruktion her ein Produkt, das einen ein Leben lang begleiten kann, auch wenn es zwischendurch mal einen ernsten Defekt hat. In der Funktionalität simpel und für die Kunden spontan überzeugend, was ursprünglich zu den berühmten Vorwerk-Vertretern geführt hat.

DNA und Kernkompetenz

Nun also ein Thermomix. In der aktuellen Generation auch wieder herausstechend zwischen Konkurrenzprodukten, für die Kunden überzeugend, macht er sowohl in der Bedienung als auch in den Ergebnissen einer weltweiten Community viel Spaß. Mit Rezeptclubs, Apps und Kochpartys kommt auch ein Hauch von Tupper-Feeling hinein.

Fast bin ich neugierig, welcher Coup diesem Unternehmen als nächstes gelingt. Offensichtlich hat es ein paar Grundqualitäten, die es über die Zeit und auch über die verschiedenen Produkt- und Zielgruppen hinweg beibehält. Fast wie die DNA eines lebendigen Organismus scheint es Abwandlungen zu geben, ohne dass es deshalb zu einer ganz neuen Spezies kommt. Diese DNA geht weit über den oft benutzten Begriff der Kernkompetenz hinaus.

Verständnis für Stoffe, technisches Knowhow beim Weben von Fasern, Produktionsstraßen für Teppichbahnen und Vermarktungskanäle. Das war der Ausgangspunkt für die Entwicklung. Für einen Thermomix brauche ich nichts davon, und das, was vielleicht wiederverwendbar wäre (die Vermarktungskanäle), hat sich über die Zeit massiv verändert. Ist es die Praxistauglichkeit, die Kundenorientierung, die Langlebigkeit oder die fast schon eingebaute Weiterempfehlung der Kunden durch Mundpropaganda? Irgendwas jenseits der Kernkompetenz - die auch von Mitbewerbern am Markt angeboten wird - macht Vorwerk einzigartig. Wie eine DNA eben.

Nun finde ich dieses Beispiel deshalb bemerkenswert, weil es sehr schön die Entkopplung von Unternehmen und Produkten zeigt. Neben einer evolutionären Weiterentwicklung seiner Produkte kommen auch revolutionäre Antritte in Frage, aber eine stabile Erfolgsstory bleibt es nur, wenn man sich der inneren Werte bewusst ist und diese fortführt. Schätzen Kunden etwa den konservativ-vertrauenswürdigen Auftritt, dann hänge ich sie mit einem hippen Ansatz und coolen Werbebotschaftern ab - umgekehrt natürlich auch.

Wie in jeder Beziehung: Wer bin ich, was kann ich (Kompetenz) und raus auf den Markt, flirten was das Zeug hält. Eine längerfristige Verbindung wird es aber nur, wenn die inneren Werte (DNA) zusammenpassen und die hieraus abgeleiteten Erwartungen auch erfüllt werden können.

Mittwoch, 14. Mai 2025

Das Fermatsche Prinzip

Das Fermatsche Prinzip
Eingängig formuliert besagt das Fermatsche Prinzip, dass Licht nicht den kürzesten, sondern den schnellsten Weg wählt. Das hat Auswirkung auf Phänomene wie Lichtbrechung und auch Glaslinsen würden nicht funktionieren, wenn es dieses Prinzip nicht gäbe. Doch auch im Alltag holt es uns immer wieder ein. Ziemlich naheliegend kennen wir es vom Navigationsgerät, das im Standardfall die schnellste Route vorschlägt und nicht den kürzesten Weg wählt.

Ebenfalls noch recht offensichtlich erfahren wir das Prinzip beim Fahren auf schneeglatter Fahrbahn. Das Überholen unseres langsam fahrenden Vordermanns will wohl überlegt sein, denn möglicherweise müssen wir auf der freien, aber schneebedeckten Überholspur langsamer fahren als das Fahrzeug vor uns. Analog auch beim Fußweg über asphaltierte Bahn versus matschiger Seitenstreifen.

Doch auch Prozesse kennen dieses Phänomen. Nimmt man den kürzesten Weg, ist eventuell eine Prüfstelle eingeschaltet, die für Verzögerungen sorgt. Oder es fehlt die Fürsprache von einem Unbeteiligten, der für eine ansonsten mühsam anzufordernde Freigabe sorgt. Ähnlich zu einer Umgehungsroute der Autobahn kann man eine Staustelle umgehen. Sind die Berater für Bestandskunden überlastet, ist in manchen Fällen ein Vertriebsmitarbeiter für Neukunden hilfreich.

Viele Wege führen, wie man so sagt, ans Ziel. Und bei der Auswahl sollte man nicht nur den naheliegendsten (weil "normalen") Weg in Betracht ziehen, sondern auch mögliche Umwege, die aber im Endeffekt schneller ans Ziel führen.

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Mittwoch, 7. Mai 2025

Es geht nichts über klingeln

Ein Arbeitskollege von mir ist ein fleißiger Geselle, der so manches Problem gelöst bekommt. Das nicht nur in geradezu aufopferndem Einsatz, sondern auch durch unermüdliches Herumprobieren und Erforschen aller Möglichkeiten.

Etwas weniger positiv formuliert könnte man natürlich auch sagen er durchblickt das System nur teilweise und fummelt mehr oder weniger unstrukturiert daran herum. Dabei bindet er diverse andere Kollegen ein, die mal dies, mal das anpassen und in nicht wenigen Fällen dann auch wieder rückgängig machen müssen.

Wie auch immer man diese Eigenschaften in Worte fasst, jedenfalls ist er am Ende seiner Machenschaften der strahlende Held, der die Situation gerettet und das System wieder ans Laufen bekommen hat.

Es geht nichts über klingeln
Ziemlich langweilig dagegen ein anderer Mitstreiter. Ihm vorgelegte Probleme werden in aller Ruhe analysiert, es kann sein, dass er selbst in größter Not einige Zeit nicht ans Telefon geht. Aber dann hat er eine Annahme über die Ursache, spricht gezielt den richtigen Fachmann an, löst das Problem und das war’s. Keine hektischen Änderungen an diversen Stellen, keine Emergency-Backups, ruhiger Schritt, geräuschlos.

Aber wer bekommt am Ende des Jahres den Orden für die größten Erfolge, für die wichtigsten Reparaturen, die spektakulärsten Aktionen? Leider eben nicht der Genosse, der die Problem behebt bevor man sie bemerkt, sondern der, der mit viel Wirbel über Wochen hinweg über seine engagierten, aber nun mal erfolglosen Rettungsversuche berichtet.

Tue Gutes und berichte darüber ist das mindeste, was man den stillen Zeitgenossen raten kann. Für sehr nüchterne Typen ist auch das Führen einer Erfolgsliste ein Option oder auch mal die Situation behutsam abwarten, damit man seine Leistung nicht allzu voreilig verschwendet.

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