Samstag, 27. Juni 2020

Computer sind doof


Das ist ja jetzt ein wenig plakativ formuliert. Aber es stellt den heutigen Stand der Entwicklung ziemlich gut dar, denn Computer sind – das immer wieder bemühte Mantra der Künstlichen Intelligenz mal kritisch in Frage gestellt – Geräte, die das machen, was ihnen vorher ein Mensch so oder so ähnlich beigebracht hat. Zugegebenermaßen sehr schnell, im Idealfall sogar weitgehend fehlerfrei.

Und damit sind wir schon bei einem ersten Kritikpunkt: Wie allgemein bekannt, gibt es keine (größeren) Computerprogramme, die komplett fehlerfrei sind. Ich spreche nicht davon, dass mathematische Aufgaben (zum Beispiel bei Tabellenkalkulationen) unzuverlässig wären. Aber man kann den Algorithmen nicht in alle Verästelungen vertrauen.
Das ist prinzipiell bei Menschen nicht anders: Immerhin kann ich eine Einschätzung entwickeln, die sich dann auf die Arbeitsqualität des Menschen bezieht (ihm zum Beispiel eine Abiturnote geben). Was allerdings bei Computern keinen Sinn macht, maximal kann man die Qualität einer Programmierung beurteilen.

Spannender, weil wirklich abgrenzend, ist die Betrachtung der Intelligenz. Während es vielen Personen durchaus gegeben ist, sich neue Dinge auszudenken oder aus bekannten Fakten neue Ansätze zu generieren, ist diese Eigenschaft Computern (nahezu) unzugänglich. Sie „denken“ anders. Das ist im Sinne von Austauschbarkeit und Standardisierung gut, im Sinne von Innovation und Kreativität allerdings schlecht.
Ganz pfiffige Zeitgenossen zeigen dann „künstlerische“ Produkte von Computern, zum Beispiel im Stile Rembrandts gemalte Bilder, Musikstücke großen Komponisten nachempfunden oder fortgeschriebene Bücher berühmter Literaten.
An dieser Stelle ist zwar die Leistung der Computer, insbesondere deren Programmierer, zu loben. Aber mit Intelligenz hat das nichts zu tun.

Und ich möchte mit Seitenblick auf die Philosophie noch einen weiteren Punkt zur Betrachtung geben. Es handelt sich um das Phänomen des Lernens, das höhere Lebewesen, in maximaler Ausbaustufe uns Menschen, von Geburt bis zum Tod begleitet. Wir kennen es als Nachjustieren eines Ergebnis bei Erfolg oder auch Misserfolg (bis dahin kann man dies auch durch ein künstliches System nachstellen). Aber unser menschliches Gehirn – spezialisiert auf Mustererkennung – spielt seine Stärken gerade darin aus, dass es auch eine Meta-Ebene hat. Nicht nur die korrekte Antwort wird gespeichert, auch die (Lern-)Umstände sowie der Gesamterfolg (zum Beispiel eines Faches), eine Einschätzung über die zukünftige Verwendbarkeit, Ähnlichkeit mit (bekannten) Aufgaben und in Abstraktion auch die Zusammenhänge mit fachfernen Themen (Analogien).

Wenn Computer also etwas von uns lernen können und sollen, dann ist unsere eigene Entwicklung von der ersten Kontaktaufnahme mit der Mutter über die ersten (zunächst noch sehr langsamen) Lernprozesse, dann die (exponentiell!) ansteigende Lernkurve durch Vorschulzeit bis ins Berufsleben eine hervorragende Orientierung.
Anders formuliert: Das Trainieren von „künstlicher Intelligenz“ sollte stets zur Pädagogik schielen, denn genau das ist die Wissenschaft, die sich traditionell um Lehren und Lernen kümmert.

Montag, 15. Juni 2020

Data Lake ist ein See - leider!

Im Zusammenhang mit dem modernen Verständnis für Informationen kommt manchmal der Begriff des Data Lakes ins Spiel. Die Vorstellung, dass alles Wissenswerte in eine große wasserdichte Grube gegeben wird, wo es eine Art See bildet. In dem man dann angeln kann.

Schönes Bild, es ist wie im Leben. Angeln ist für manche Menschen eine Leidenschaft, für andere eine stinklangweilige Angelegenheit. Und ob nachher der gewünschte Fisch am Haken hängt, das ist nicht unbedingt gesagt. An einem Tag geht man nach Stunden am See ohne Fang heim, ein anderes Mal hat man ständig etwas an der Angel, aber es ist die falsche Beute. Diese Eigenschaft haben sowohl natürliche Gebilde (Seen) als auch technische Konstruktionen (Data Lakes).

Die Analogie mit der Natur geht aber noch weiter, ein funktionierendes Ökosystem erfordert geeignete Randbedingungen. Ansonsten gerät das Gewässer aus dem Gleichgewicht, und glauben Sie mir: So einen Data Lake möchten Sie nicht haben. Alles hineinkippen ist kein See, aus dem man fischen möchte, sondern eine flüssige Mülldeponie.

Beginnen müssen wir mit dem gezielten Einleiten von Daten (sonst überdüngen wir), und schon in dieser Phase wie auch später ist die Qualität entscheidend. "Shit-in-shit-out" als Devise gilt auch hier. So wie nur klares, vielleicht sogar filtriertes Wasser für eine gute Basis sorgt.

Dann die Menge beachten, ein überfüllter Teich fördert nicht das Fischwachstum, hilft auch nicht beim Angeln, sondern lässt mehr oder weniger wertvolle Substanz versickern. Augenmaß bedeutet in dem Zusammenhang, dass man nur das nimmt, was man derzeit oder absehbar braucht. Oder legen Sie einen Stausee an, um zwei Familien gelegentlich mal mit einem Fisch zu erfreuen?

Und zu guter Letzt ist auch das Werkzeug entscheidend. Ohne bedienbare und für das anvisierte Ergebnis passende Tools ist der Nutzen eines Data Lakes so gering wie der eines Angelteichs ohne richtige Angel und den angemessenen Köder.

Mittwoch, 10. Juni 2020

Offener Lösungsraum

Heute: Demo, wie unterschiedlich Lösungen zu einer bestimmten Situation aussehen können.
Als Beispiel "Autobiographie in 5 Kapiteln" von Portia Nelson.
=======Anfang Originaltext=============
1. Kapitel
Ich gehe die Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren ... Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder herauszukommen.

2. Kapitel
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich tue so, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange, herauszukommen.

3. Kapitel
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich sehe es.
Ich falle immer noch hinein... aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen.
Ich weiß, wo ich bin.
Ich weiß, dass ich das selbst zu verantworten habe.
Ich komme sofort heraus.

4. Kapitel
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Gehsteig.
Ich gehe darum herum.

5. Kapitel
Ich gehe eine andere Straße.
===========Ende Originaltext=============


Kleine Auswahl an Lösungsmöglichkeiten:

  1. Andere Straße gehen (Problem vermeiden)
  2. Loch sofort umgehen (Problem umgehen)
  3. Loch verfüllen / lassen (Problem - auch für andere - lösen)
  4. Schild aufstellen (Problem - auch für andere - kennzeichnen)
  5. Nach dem ersten Hineinfallen daraus lernen (Problem dokumentieren)
  6. Ausstieghilfe anbieten bzw. einbauen (Problembewältigung erleichtern)
  7. Ausstieg beschreiben (Problembewältigung dokumentieren)
  8. Gar nichts machen (Behebungsaufwand - ggf. unter Risikobetrachtung - minimieren)

Frage: Was davon ist denn jetzt die für alle gültige, richtige, wahre Reaktion?
Antwort: Gibt es nicht. Selbst die vermeintlich abwegigste Lösung hat unter bestimmten Umständen ihre Berechtigung.
Fazit: Nachdem man das Problem umrissen hat, ist es notwendig, erst einen möglichst offenen Lösungsraum zu generieren und erst dann zu entscheiden (oder entscheiden zu lassen), welcher Ansatz weiterverfolgt wird. 

Samstag, 6. Juni 2020

Das ist ja wie Musik


Das Bild vom Zusammenspiel im Orchester ist sicher vielen vor Augen. Ob nun in einem kleinen oder großen Ensemble, damit ein erträgliches, vielleicht sogar wohlklingendes Ergebnis dabei herauskommt, sind viele Faktoren entscheidend:

  • Die Leistung jedes Einzelnen. Es kommt auf jeden Musiker an.
  • Hochwertige Instrumente. Es darf nichts quietschen oder scheppern.
  • Nebensachen und Technik sind ausgeblendet. Wenn elektrische Instrumente zum Einsatz kommen, muss sich der Instrumentalist nicht um die Verkabelung kümmern.
  • Es gibt aufeinander abgestimmte Vorlagen. Jeder im Ensemble hat sein Notenblatt, an welchem er sich orientiert.
  • Es gibt eine zentrale Steuerung. Der Dirigent hat die Partitur.
  • Gutes Timing. Wer wann was spielt, muss klar sein.
  • Ausgewogene Mischung. Zu viele Streicher oder ein fehlender Bläser verschlechtern das Ergebnis.
  • Rücksicht aufeinander. Der Wettkampf, wer schneller oder lauter spielen kann, muss hinter dem Big Picture zurückstehen.
  • Alle kennen das gemeinsame Ziel. Es ist jedem im Orchester klar, worauf das Zusammenspiel hinauslaufen soll.
  • Alle versammeln sich hinter dem gemeinsamen Ziel. Sträuben sich einzelne Mitspieler, dann sind sie vielleicht brilliante Solisten, aber eben keine Orchestermusiker.
Denksportaufgabe: Bekommen wir das in die Unternehmenswelt übertragen? Natürlich geht das, und zwar ziemlich einfach. Die resultierende Liste der kritischen Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit ist sicher deckungsgleich mit der Aufstellung von vielen Beratern.

Bei der Analogie zum Orchester können wir uns aber zusätzlich ausmalen, was beim Fehlen einzelner Bedingungen passiert. Wenn zum Beispiel die Instrumente nicht hochwertig sind – also die Tools die Mitarbeiter nicht komfortabel bei der Arbeit unterstützen – ist ein hoher Anteil wertschöpfender Tätigkeit von vornherein ausgeschlossen.

Auch der Aspekt der ausgewogenen Mischung verdient Aufmerksamkeit. Zu viele Verkäufer sind auch dann kontraproduktiv, wenn man grundsätzlich den Absatz und den Vertrieb vor Augen hat. Genauso steht eine Unterdeckung bei der Produktentwicklung einem langfristigen Erfolg im Weg.

Und schließlich: Es kann nur einen Dirigenten geben. Er steht vor dem Orchester, ist sichtbar und gibt die Richtung vor, der alle folgen. Liebe Führungskräfte, in diesem vermeintlich harmlosen Satz stecken vier (4) Anforderungen, die alle zwingend notwendig, wenn auch nicht hinreichend sind.