Dienstag, 29. Oktober 2024

Das können wir nicht verstehen

„Ich wähle Donald Trump.“ – „Ich wähle Kamala Harris.“ Ein engagiert geführter Disput in vielen amerikanischen Wohnzimmern. Bei manchen Familien nimmt er Formen von Glaubenskriegen an, Anhänger des einen oder der anderen zu sein ist mehr als eine Meinung, es ist die falsche Meinung.

Dabei ist es aus deutscher Sicht für viele Bürger sehr einfach. Es war schon nicht verständlich, wie Donald Trump im Jahr 2016 Präsident der Vereinigten Staaten werden konnte. Wie die Amerikaner nach den vier Jahren seiner damaligen Präsidentschaft nun ernsthaft eine erneute Wahl in Betracht ziehen.

Das können wir nicht verstehen

Aber an diesem prominenten Beispiel sehen wir die Notwendigkeit, auch Randbedingungen in unsere Urteile einzubeziehen. In deutscher Mentalität gibt es eine Parteienvielfalt, die ein durchschnittlicher Wähler nur mit Hilfe eines Wahl-o-mat sortiert bekommt. Der eine Meinungsvielfalt gewohnt ist, die in allen Facetten und Koalitionskonstellationen ausgehandelt wird. Da wirkt es befremdlich, wenn die Wahl auf zwei Kandidaten reduziert ist, die oft im Laufe ihrer Karriere Schauspieler oder Entertainer waren.

Selbst wenn ein Teil Deutscher die amerikanische Denkweise, deren Kultur und Verhalten nicht durchdringt: Wir müssen mit der Entscheidung und dem Wahlergebnis dieser Bevölkerung leben. Als Bürger in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehört es unbedingt dazu, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren, auch wenn man anderer Meinung ist oder sie schlichtweg nicht nachvollziehen kann.

Was für uns im politischen Umfeld mehr oder weniger selbstverständlich ist, kommt uns in Alltag und Berufsleben auf einmal merkwürdig vor. Da wird die Entscheidung von Experten in Frage gestellt, vehement auf der eigenen doch viel besser recherchierten Sicht bestanden. Doch selbst wenn die eigene Darstellung gut begründet und im persönlichen Kontext korrekt ist, kann sie in anderem Kontext unvollständig oder sogar verkehrt sein.

„Wie kann man auch nur auf den Gedanken kommen, Donald Trump zu wählen“, mag mancher Deutscher denken. Aber Tatsache ist, dass Donald Trump und Kamala Harris derzeit Kopf an Kopf liegen, Donald Trump also rund 80 Millionen Wähler hinter sich versammelt. Es wäre absurd, so viele Menschen alle als uninformiert oder gar blöde abzustempeln.

Gerade beim Gespräch mit intelligenten Zeitgenossen erlebe ich immer wieder, dass sie ihre durchdachte und wohlbegründete Sicht einer Situation als das Maß der Dinge betrachten. Eine abweichende Meinung wird sehr deutlich mit dem Hinweis auf mangelnde Information, fehlendes Verständnis oder sogar fehlenden Intellekt zurückgewiesen.

Das mag im Einzelfall sogar stimmen, oft aber auch nicht. Einem angemessenen Urteil können wir uns nämlich erst nähern, wenn wir die Gegenseite möglichst gut verstanden haben. Bei den Wahlen in den USA ist es deren Mentalität, bei Geschäftspartnern geht es um deren komplettes Umfeld, ihre Stakeholder, Rolle, Ausbildung und so weiter.

Nur eine Reihe von uns bewusst oder unbewusst ausgewählten Argumente zu betrachten, ist erheblich zu punktuell und führt geradezu zwangsläufig zu einer Fehleinschätzung. Oder anders ausgedrückt ist in vielen Fällen nicht die Meinung verkehrt, sondern unser Verständnis von ihr. Und manchmal müssen wir akzeptieren, dass wir sie einfach nicht verstehen (können).

Mittwoch, 23. Oktober 2024

Raus aus der Komfortzone, rein in die Komfortzone

Ein paar Tage im Jahr verbringen die meisten Angestellten im Urlaub. Da geht es dann mehr oder weniger weit weg, wird gezeltet, gewandert, ein Wohnmobil herausgeholt oder ein Hotel aufgesucht. Und ein merklicher Teil der Urlauber sucht dabei auch so etwas wie Komfort. Das mag bei dem einen so aussehen, dass er sich das Frühstück nicht selbst machen muss, beim anderen ein Badezimmer mit Whirlpool oder ein attraktiver Wellnessbereich.

Jedenfalls ist der Komfort gewollt, kostet Geld und bereitet hoffentlich Freude. Umso mehr wundert es mich, wenn mich Mitmenschen anregen, ich solle meine Komfortzone verlassen. Eine Aufforderung, die gerade in allerlei Seminaren regelmäßig auf der Tagesordnung steht. Dann sitzen alle im Kreis, diskutieren lebhaft die Chancen und sind sich einig, dass jeder diese böse Komfortzone verlassen muss.

Raus aus der Komfortzone
Warum eigentlich? Ich fühle mich da sehr wohl, was ist denn falsch daran, dass ich nicht dauernd an einem etablierten Prozess herumschraube. Der Grundgedanke mag ja stimmen, im Sinne kontinuierliche Entwicklung ist ein Verharren hinderlich. Aber wenn sich etwas bewährt hat, dann muss man nicht Bewegung um der Bewegung willen ansetzen.

Ich plädiere dafür, den Komfort als solchen wahrzunehmen (im Urlaub wie im Alltag) und zu genießen. Auf dieser Basis schafft man sich (im Urlaub wie im Alltag) ein wenig Erholung und kann Kraft sammeln, um neue Herausforderungen anzugehen. Die Kunst besteht darin, sozusagen auch (arbeits-)täglich innerlich Komfort zu haben, statt sich durch unnötige Veränderungen fortlaufend unter Anspannung zu halten.

Rein in die Komfortzone des Alltags also, und aus dieser sicheren und eine stabile Basis bildenden Position heraus agieren. Mal ein bisschen Bewegung hier, mal ein wenig Veränderung da. Aber nie das ausgeglichene Moment verlassen.

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Netzwerke(n)

Bei Netzwerken denken ältere Personen vielleicht an Fischer, jüngere an Austausch mit anderen Menschen und technisch Orientierte an Datenverbindungen von Computern. Was diesen Assoziationen gemein ist, ist der Aspekt des Netzes. Die meist kreuzweise Verknüpfung unterschiedlicher Stränge, seien es Seile, Aufgabenbereiche oder Datenleitungen. Und stets gibt es Knoten, mal als ineinandergeschlungene Seile, mal als Plattform bzw. Treffpunkt oder in Form von Routern.

Netzwerke

In jedem Fall sind diese Konstruktionen für ein funktionierendes System notwendig. Ein Fischer ohne Netz kann bestenfalls noch mit der Angel arbeiten, ein Angestellter sich als Einzelkämpfer beweisen und Computer ohne Austausch, Informationsversorgung und Internet arbeiten. Grundsätzlich möglich, aber in den meisten Fällen eher schwierig.

Bleiben wir mal bei den persönlichen oder technischen Netzwerken. Da werden also Daten ausgetauscht, Beziehungen aufgebaut und Kooperationen begründet. Im technischen Umfeld wissen wir den Austausch zu schätzen, können ohne Probleme auf große Distanzen kommunizieren, einkaufen, planen, recherchieren. Aber nicht alle Informationen sind korrekt, nicht jeder Einkauf seriös und nicht jede Planung valide. Schlimmer noch, hier lauern Betrüger, versuchen uns über den Tisch zu ziehen, vertrauliche Daten zu ergattern oder unsere Technik mit Viren zu infizieren.

Hackerangriffe, Phishingversuche, virenverseuchte Dokumente und Malware allenthalben. Ohne diese dunkle Seite bräuchten wir keine Firewalls, Virenscanner, IT-Security und Awareness-Kampagnen. Aber in der Realität sehen wir, dass wir uns schützen müssen, was technisches Know-How erfordert, Geld kostet und unsere Computer dauerhaft mit Aufpassen beschäftigt.

Ist das im menschlichen Umfeld des Netzwerkens eigentlich anders? Natürlich nicht. Auch hier ist die gute Seite unentbehrlich. Wir lernen andere Personen kennen, sprechen mit ihnen, bilden temporäre Teams und geben uns gegenseitig Tipps. Doch auch hier ist in der ersten Stufe nicht jede Kooperation erfolgreich, nicht jeder Tipp wirklich gut. Und in der zweiten Stufe sind auch hier Menschen, die es nicht so gut mit uns meinen, wie sie vorgeben. Sei es, dass sie fragwürdige Geschäfte mit uns abschließen, heimlich ein ganz anderes Ziel verfolgen und uns ausnutzen oder auch versuchen, gezielt vertrauliche Informationen zu bekommen.

Wo sind sie den, die Virenscanner bei den Gesprächen, die Firewalls im Meeting und die IT-Security, die uns vor Angriffen schützt? Einzig die Awareness-Kampagnen, die gibt es schon immer. "Trau, schau wem" ist eine alte Weisheit, die aber in Zeiten der modernen Kommunikation und dem Netzwerken via Internet über Nachbarschafts-Klön hinweg immer wichtiger wird. Was ich am Gartenzaun oder in der Warteschlange vor der Bäckerei erzähle orientiert sich auch am Need-to-know-Prinzip, bei der Diskussion von Wetterdaten und den letzten Fussballspielen kann ich nicht viel falsch machen.

Doch beim beruflichen Umfeld wird es schwieriger. Wie bei den Daten im Computer-Netzwerk will man bei Fachgesprächen nicht alles unterbinden, sondern setzt darauf, relevante Details zu besprechen ohne Betriebsgeheimnisse Preis zu geben. Die schwierige Balance zwischen Smalltalk, für die gemeinsamen Ziele erforderliche Information und Verrat von vertraulichen Daten. Hier schützt uns keine Technik, die möglicherweise sehr geschickten Angriffe und Techniken zum Erforschen unseres Wissensstandes erfordert einen wachen Geist. Der leider gelegentlich durch nicht uneigennützig angebotenen Veranstaltungen mit einem gewissen Alkoholanteil merklich schlafen gelegt wird.

Mittwoch, 9. Oktober 2024

Lernen vom Sprachelernen

Vermutlich so alt wie die Menschheit ist der Versuch, sich miteinander zu verständigen, Kommunikation zu betreiben. Schon sehr früh spielen Laute, aber auch Bilder eine wichtige Rolle beim Austausch. Und nicht zuletzt regional bedingt bildeten sich im Laufe der Zeit verschiedene Kulturen aus, die sich jeweils in einer eigenen (Bild-)Sprache unterscheiden. Nun sind diese Sprachen nicht nur leicht unterschiedlich, betonen einen Buchstaben anders oder verschieben hier und da mal einen Konsonanten. Das würde man vielleicht Dialekt oder Mundart nennen. Nein, in der Praxis sind die Sprachen massiv unterschiedlich; Sowohl das Vokabular, also die Bezeichnung für einzelne Gegenstände oder Sachverhalte, als auch die Grammatik unterscheiden sich gewaltig.

Zur Überbrückung dieser Schwierigkeiten gibt es Übersetzer, Übertrager und bei entsprechendem Bedarf müssen wir uns mit der anderen Sprache beschäftigen. Sei es, dass wir sie in der Schule "lernen", sei es, dass wir uns im späteren Alltag zu einem Austausch befähigen müssen. Wir alle wissen, wie mühsam dieser Prozess sein kann, da gilt es, sich Vokabeln einzuprägen, Grammatik zu pauken und vielleicht sogar noch Schriftzeichen einzuüben.

Ganz anders bei der Muttersprache. Weder verabreichen wir einem Kleinkind ein Vokabelheft noch geben wir ihm syntaktische Regeln mit. Es lernt durch Zuhören, Nachplappern, Korrekturen. Schritt für Schritt. Das Gehirn extrahiert bei jedem gehörten Satz die Struktur und merkt sich die Regelmäßigkeit, so dass im selben Arbeitsgang gleichzeitig die Wort-Ding-Zuordnung und auch die Beugung der Wörter sowie Satzaufbau, -stellung und sonstige grammatikalische Details aufgenommen werden. Durch tausendfache Wiederholung erwachsen daraus Wortschatz und Sprachsicherheit.

Lernen vom Sprachelernen
Im Grunde ist es erstaunlich, dass heutige Lehrmethoden in der Schule diesen Lernvorgang immer noch zerlegen. Da wird separat ein Vokabelheft geführt, daneben liegt eine Grammatik und die einzige Verbindung ist dann ein Lehrbuch, das im besten Fall immerhin bebildert ist. Ich hatte vergessen zu erwähnen, dass gerade Bilder, aber auch das Anfassen der gerade neu gelernten Gegenstände eine wichtige Rolle beim Lernprozess spielen. Wer ein Ei in die Hand nimmt und dabei das zugehörige Wort lernt kann es sich viel besser merken. Unser Denkapparat ist nämlich ein Assoziationsspeicher und legt in diesem Moment den haptischen Eindruck, den Lautverlauf von "Ei", den optischen Eindruck, das Objekt und seinen sprachlichen Kontext ab.

Wir lernen aber noch mehr. Um am Beispiel Ei zu bleiben ergänzen wir mehr oder weniger zügig noch die Eigenschaften dieses Gegenstandes. Er ist zerbrechlich, ist essbar, wobei wir auch verschiedene Formen des Garens kennenlernen können, er kommt von Hühnern und wird von diesen gelegt. Ein frisch gelegtes Ei riecht neutral, das innere ist eine glibberige Masse. Etcetera.

All diese Eigenschaften lernen wir im natürlichen Umfeld als komplexe Kombination. Wenn die Mutter sagt "lass das Ei nicht fallen, sonst ist es kaputt" haben wir nicht nur eine Anweisung bekommen, sondern auch das Wort für das Ding gelernt. Und da wir es sehen können wissen wir auch beispielhaft über sein Aussehen Bescheid, fassen es ja gerade an (sonst wäre die Mahnung zur Vorsicht sinnlos), riechen es unwillkürlich und haben erfahren, dass es unter Krafteinwirkung irreversibel kaputt geht.

Es gibt also keine "Tabelle" in der alle uns bislang kennengelernten Gegenstände aufgeführt und mit Eigenschaften angereichert werden. In mehrdimensionaler Ablagestruktur werden n:m-Beziehungen aufgebaut, man kann die Attribute des Eis genauso abfragen wie andererseits eine Gruppierung nach Eigenschaften (zum Beispiel mit der Eigenschaft zerbrechlich) verschiedener Dinge vornehmen. Und natürlich Ähnlichkeiten abbilden (was hat noch diese Form), Ranglisten erstellen (was ist noch zerbrechlicher als ein Ei) und die verschiedenen Ausprägungen (Hühnerei, Straußenei etc.) ins Verhältnis setzen.

Eine Sprache zu lernen ist also kein isoliertes Vorhaben, es ist eng verknüpft mit Impulsen aus verschiedenen Disziplinen und Sinnen. Da wundert es nicht, dass das Ergebnis stark von der Kultur abhängt, denn auch diese ist ein Einflussfaktor, der unser Lernen und unsere Aufnahme von Wissen beeinflusst. Ob bewusstes Lernen als Wert geschätzt wird oder nur als Mittel zum Zweck dient, ist dabei genauso wichtig wie der Reichtum der angebotenen Reize.

So entwickelt sich Sprache und damit das Lernen einer Fremdsprache natürlich am besten, wenn es hierfür eine Motivation gibt und es obendrein eine möglichst große Vielfalt an Input gibt. Sicher liegt es zu einem merklichen Teil am jungen und wissensdurstigen Gehirn von Kleinkindern, wenn die Zweisprachigkeit recht leicht und aufwandsarm entsteht. Aber es hat ebenfalls etwas damit zu tun, dass beide Sprachen typischerweise nicht als Pauken, sondern als Erlebnis verschiedener Sinneseindrücke aufgenommen werden.

Wer auch als älterer Mensch eine weitere Sprache erlernen möchte, der hat besonders gute Chancen, wenn er dabei auf ein Ziel hinarbeitet, sich zum Beispiel mit seiner Geliebten verständigen können will. Und dazu keinen Volkshochschulkurs besucht, sondern sich mutig in die Alltagskommunikation stürzt.

Diese ganze Überlegung und die daraus abgeleitete Empfehlung ist durchaus nicht neu und kann beispielsweise bei der Methode von Vera F. Birkenbihl nachgelesen werden. Aber ich möchte an dieser Stelle die Allgemeingültigkeit betonen. Denn alles, was ich gerade über das Erlernen einer Sprache ausgeführt habe, gilt natürlich auch für ausnahmslos alle anderen Lerngebiete. Die Beschäftigung mit einer neuen Datenbanktechnologie ist nicht unbedingt griffig (im wörtlichen Sinne) und fällt uns deshalb von Natur aus schwerer als die Schulung einer sportlichen Geschicklichkeit. Umso wichtiger ist es, bei abstrakten Themen Bilder anzubieten und Analogien zu anfassbaren und damit be-greiflichen Dingen vorzustellen.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Zufällige Bilder, Chaos und Weiterverwendung

Es gibt eine Maltechnik, bei der Acrylfarben mit einem Medium versehen werden, dabei eindicken und sich als zähe Masse auf der Leinwand in allerlei zufälligen Strukturen ausbreiten. Heraus kommen farbenfrohe Bilder mit schwungvollen Trennlinien zwischen den einzelnen Farbtönen, je nach anfertigendem Künstler mit einer Prise Gold oder vereinzelten Blasen angereichert.

Zufällige Bilder, Chaos, Weiterverwendung, Pouring
Betrachtet man diese Werke, dann kann man sich in phantasievoller Betrachtung allerlei Figuren vorstellen, die sich in dem Bild sozusagen versteckt zu haben scheinen. Wer des Pinsels mächtig ist, kann diese Figuren nun herausarbeiten, hier ein Gesicht auch für andere Betrachter erkennbar machen, dort einen Baum oder einen See, vielleicht ein paar Engelsflügel. Wer die Gestaltung des ursprünglichen Pouring vollumfänglich kontrollieren will, wird allerdings nicht weit kommen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Technik, dass eine gewisse Zufälligkeit mitspielt.

Wir haben es im physikalischen Sinn mit einem komplexen System zu tun, hochgradig nichtlinear und deshalb nicht vorherbestimmbar. Auch im prozessualen Sinne würde man Pouring eher in die Rubrik Zukunftsaussagen nach der Methode des Bleigießens einordnen. Jeder Manager, der sich diese wunderschönen, aber eben auch zufälligen Gebilde anschaut oder sogar mal selbst herstellt wird einsehen, dass er damit keine vorher festgelegte Gestalt oder gar ein Porträt anfertigen kann.

Als wäre es eine andere Welt, versuchen wir aber gerade im nichtkünstlerischen Umfeld genau das. Da werden Prozesse designed, Kundenreaktionen modelliert oder Marktprognosen entwickelt, als wären die Acrylfarben auf der Palette und der Werkschaffende hätte einen Pinsel in der Hand. Doch genau das hat er nicht. Vielmehr sind die Zutaten (Acrylfarben) zwar präzise definiert, doch spätestens durch Einbringen in ein Umfeld (Pouring-Medium) ist der finale Farbverlauf nicht mehr zuverlässig kontrollierbar.

Eine gewisse Hilfe ist das Verständnis, dass es sich um ein komplexes oder tendenziell sogar chaotisches System handelt. Hierzu gibt es per Definition keine geschlossene Lösung, sondern nur ein iteratives Herantasten an eine Lösung. Und daneben die Option, das Beste daraus zu machen. Das ist analog zum Ausmalen des Pouring-Bildes durch den Künstler zu sehen. Haben wir ein mehr oder weniger zufällig entstandenes System vorliegen ist es der Kreativität der Prozessgestalter und Manager überlassen, hierin die relevanten Punkte zu betonen (auszumalen) und so zu einem attraktiven Zustand zu führen.