Es gibt eine Maltechnik, bei der Acrylfarben mit einem Medium versehen werden, dabei eindicken und sich als zähe Masse auf der Leinwand in allerlei zufälligen Strukturen ausbreiten. Heraus kommen farbenfrohe Bilder mit schwungvollen Trennlinien zwischen den einzelnen Farbtönen, je nach anfertigendem Künstler mit einer Prise Gold oder vereinzelten Blasen angereichert.
Betrachtet man diese Werke, dann kann man sich in phantasievoller Betrachtung allerlei Figuren vorstellen, die sich in dem Bild sozusagen versteckt zu haben scheinen. Wer des Pinsels mächtig ist, kann diese Figuren nun herausarbeiten, hier ein Gesicht auch für andere Betrachter erkennbar machen, dort einen Baum oder einen See, vielleicht ein paar Engelsflügel. Wer die Gestaltung des ursprünglichen Pouring vollumfänglich kontrollieren will, wird allerdings nicht weit kommen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Technik, dass eine gewisse Zufälligkeit mitspielt.
Wir haben es im physikalischen Sinn mit einem komplexen System zu tun, hochgradig nichtlinear und deshalb nicht vorherbestimmbar. Auch im prozessualen Sinne würde man Pouring eher in die Rubrik Zukunftsaussagen nach der Methode des Bleigießens einordnen. Jeder Manager, der sich diese wunderschönen, aber eben auch zufälligen Gebilde anschaut oder sogar mal selbst herstellt wird einsehen, dass er damit keine vorher festgelegte Gestalt oder gar ein Porträt anfertigen kann.
Als wäre es eine andere Welt, versuchen wir aber gerade im nichtkünstlerischen Umfeld genau das. Da werden Prozesse designed, Kundenreaktionen modelliert oder Marktprognosen entwickelt, als wären die Acrylfarben auf der Palette und der Werkschaffende hätte einen Pinsel in der Hand. Doch genau das hat er nicht. Vielmehr sind die Zutaten (Acrylfarben) zwar präzise definiert, doch spätestens durch Einbringen in ein Umfeld (Pouring-Medium) ist der finale Farbverlauf nicht mehr zuverlässig kontrollierbar.
Eine gewisse Hilfe ist das Verständnis, dass es sich um ein komplexes oder tendenziell sogar chaotisches System handelt. Hierzu gibt es per Definition keine geschlossene Lösung, sondern nur ein iteratives Herantasten an eine Lösung. Und daneben die Option, das Beste daraus zu machen. Das ist analog zum Ausmalen des Pouring-Bildes durch den Künstler zu sehen. Haben wir ein mehr oder weniger zufällig entstandenes System vorliegen ist es der Kreativität der Prozessgestalter und Manager überlassen, hierin die relevanten Punkte zu betonen (auszumalen) und so zu einem attraktiven Zustand zu führen.
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