Mittwoch, 24. September 2025

Abschreiben, aber richtig!

Das kennen wir ja alle aus der Schule. Man kann Hausaufgaben von jemand anders abschreiben. Im Idealfall sucht man sich den Klassenprimus und fragt, ob man seine Lösung mal „ausleihen“ kann. Und wenn alles klappt, dann pinselt man die Ergebnisse in das eigene Heft.

Abschreiben aber richtig
Bekanntlich geht das in einigen Fächern ganz gut, in anderen eher nicht. Wenn in Mathe 42 als Lösung herauskommen muss, dann ist das ziemlich gefahrlos abzuschreiben. Einzige Herausforderung ist dann die korrekte Übernahme der Lösung einschließlich der Herleitung, die natürlich auch keine Fehler enthalten darf.

In Sozialwissenschaften kann es schon ein wenig kritischer sein, weil man die Vorlage zumindest soweit verfremden muss, dass nicht auf den ersten Blick auffällt, dass man die Argumentationskette eins-zu-eins übernommen hat. Was allerdings voraussetzt, dass man sie grundsätzlich verstanden hat.

In den 1970er Jahren bekam der damalige VW Golf Konkurrenz aus Japan. Toyota, Honda und Mazda versuchten, einen Teil des Marktes in Deutschland zu erobern. Sie waren in vieler Hinsicht auf Augenhöhe, hatten aber massive Rostprobleme. Natürlich hatten die Konstrukteure den Golf in seine Bestandteile zerlegt und ihn auf ihren Reißbrettern neu entstehen lassen.

Da es keine Plagiate sein sollten, passten Sie nicht nur Motoren, Fahrgestell und allerlei Ausstattung an, sondern änderten auch das Design. Während der Einbau anderer Motoren kein Problem darstellt und auch der Rückgriff auf Erfahrung mit bisher verbauten Fahrgestellen eher unkritisch war, lag der Teufel im Detail des Designs.

Warum die Türen so geformt waren schien auf den ersten Blick eine Frage des Geschmacks zu sein. Auch das in der Tür verbaute Querblech war für die Ingenieure primär eine Stabilisierung. Sie hatten nicht verstanden, dass es ein eklatant wichtiges Element war, welches das Regenwasser gezielt ableiten und so den durch Staunässe entstehenden Rost verhindern sollte.

Sie hatten sorgfältig abgeschrieben, aber die Details der Lösung nicht begriffen. Und so rosteten die Japaner auf dem deutschen Markt in konkurrenzloser Geschwindigkeit (wobei der damalige Golf bezüglich Rost auch noch Defizite hatte).

Dieses Phänomen begegnet uns vom Grundsatz her auch heute noch an vielen Stellen. Bei Nachahmer-Produkten sind dergleichen Pannen mit hoher Wahrscheinlichkeit eingebaut. Als unwichtig oder kostentreibend eingeschätzte Bestandteile sind auf Kosten von Spätfolgen weggelassen, in ihrer Funktion nicht verstandene Gruppen falsch nachgebaut worden.

Leider kann man das von außen und gerade am Anfang nicht erkennen. Ob man eine gute und preiswerte Alternative gekauft oder billigen Schrott erworben hat, das stellt sich oft erst nach einer gewissen Gebrauchsdauer heraus.

Übrigens erlebe ich die Schwierigkeiten beim Nachahmen auch im Umfeld der Gestaltung von Wohnung, Garten und tatsächlich auch im Leben. Man kann sich einzelne Punkte herauspicken, also zum Beispiel auch ein Blumenbeet in die Mitte setzen. Aber man muss dabei auch das Gesamtwerk und dessen Wirkung beachten. Ist der Garten in Relation dazu groß genug, stimmen die Farben, wie ist die Wirkung beim Blick aus dem Wohnzimmer und so weiter.

Oder bewundere ich die Tennis-Aktivitäten meines Nachbarn. Die kann ich nachahmen, aber bitte das Ausgleichstraining im Fitnessstudio nicht ausblenden. Nur die Kombination sorgt dafür, dass die Gelenke nicht einseitig belastet, die Muskulatur für den Ballsport aufgebaut wird.

Abschreiben, nachmachen, übernehmen ist grundsätzlich ein guter Ansatz. Schließlich muss nicht jeder Mensch das Rad neu erfinden. Aber um im Bild zu bleiben muss man auch ein Objekt haben, an das man das Rad sinnvoll montieren kann. Und man muss verstanden haben, warum es rund ist und Speichen hat, bevor man es modifiziert.

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