Als Physiker bin ich es gewohnt, mich den Fragen nach den Ursachen zu stellen, Phänomenen auf den Grund zu gehen und sie in eine logische Kette mit anderen Beobachtungen zu ordnen. Es reicht mir nicht, das Herabfallen eines Apfels zur Kenntnis zu nehmen, ich möchte wissen und möglichst auch verstehen, aus welchem Grund dies geschieht.
Mit anderen Worten gehe ich durch die Welt und stelle mir mehr oder weniger durchgängig die Fragen nach dem Warum. Wie auch Kinder immer wissen wollen, was dahinter steckt, was etwas auslöst. Dabei erwarte ich ja gar nicht, alle Details einer Theorie zu durchdringen, allen Wissenschaftszweigen folgen zu können oder eine Erklärung für alles zu erhalten. Aber die entsprechende Frage stelle ich mir und versuche sie nach Möglichkeit zu beantworten.
Bei Eltern höre ich oft, dass sie über das Ziel hinausschießen, den Kindern Details erklären, die diese so genau gar nicht hören wollen oder die sie noch nicht in ihre Wissenswelt einsortieren können. Das ist bestenfalls Verschwendung, weil der junge Geist es nicht verwenden kann und im ungünstigen Fall bleibt nur der Eindruck „dafür bin ich zu dumm“ zurück.
Andererseits machen es sich manche Erwachsene auch leicht, indem sie Fragen ihrer Mitmenschen, vorwiegend, aber nicht nur Kindern, einfach abbügeln. Ob nun „das ist halt so“ oder „das verstehst du eh nicht“ – Antworten dieser Art lassen Unwissenheit oder die Unfähigkeit, etwas verständlich zu erklären, vermuten.
Gegenüber dieser Betrachtung des Warum muss man die Frage nach dem Wofür abgrenzen. Sie ist von Natur aus schädlich, weil sie nach dem Zweck und dem persönlichen Nutzen fragt. Ist es notwendig, dass ich dies oder das lerne, was habe ich davon, mich mit einer Sache zu beschäftigen.
Zunächst muss man festhalten, dass es praktisch unmöglich ist, den Einsatz eines Wissens vorherzusehen. Ob ich in meiner Midlife-Crisis nach Frankreich auswandere und dann auf meine Fremdsprachenkenntnisse zurückgreifen kann, ist als Jugendlicher definitiv nicht abzusehen.
Hinzu kommt, dass unser Gehirn ein Assoziationsspeicher ist, so dass wir uns immer besser mit neuen Inhalten beschäftigen können, je mehr wir vorher schon gelernt haben, durchaus auch in einem Nebengebiet. So betrachtet ist allein Lernen um des Lernen willens für die langfristige Nutzung unseres Gehirns sehr empfehlenswert.
Dann kommt noch das Verkümmern der Neugierde ins Spiel. Wenn ich wie ein Sachbearbeiter zunächst die Frage nach der Zuständigkeit und der Notwendigkeit stelle, dann muss ich mich nicht wundern, dass die Lust auf das Erkunden von Unbekanntem mit der Zeit verloren geht. Man könnte sagen, dass unser Gehirn lernt, eben auch die Wofür-Frage zu stellen und zu der Erkenntnis kommt, dass es nichts von neugierigem Verhalten hat.
Dass es sich tatsächlich trainieren und auch wegtrainieren lässt, kann man häufig in der Pubertät beobachten. Wird die Null-Bock-Phase nicht von einer spätpubertären Aufbruchsstimmung abgelöst, kommt es zu einem Berufsleben ohne inneren Antrieb, ohne Fortschritts-Motivation. Wer es gewohnt ist, seinen Mitmenschen - Eltern, Lehrern, Kameraden - die Frage nach dem Nutzen und der Notwendigkeit zu stellen, dem fällt intrinsische Motivation und die eigenständige Suche nach einem persönlichen Ziel schwer.
Dies äußert sich in der Verunsicherung der jungen Leute, wenn sie nach ihrem Schulabschluss in die nächste Ausbildungsstufe oder ins Berufsleben einsteigen. Da muss erst mal ein Jahr Work-and-travel her, wird vielleicht sogar im Anschluss an die Abiturprüfung ein Sabbatjahr angehängt. Wofür sollte ich weiter Informationen sammeln, einen Beruf erlernen oder nach Entwicklung streben?
Sehr griffig fasst der Ansatz der Agilität die Aspekte von Warum und Wofür zusammen. Beobachten, gefolgt von Aktivität, gezielt ausprobieren und dadurch vielleicht Antworten auf nicht gestellte Fragen bekommen. Und wenn es noch nicht der richtige Ansatz war, macht man einen neuen Anlauf. Und genau das ist dann auch die Beantwortung der Wofür-Frage.
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