Wenn ich in der Zeitung die Bezeichnung Dolmetscher lese, denke ich spontan an Damen und Herren, die im Europaparlament hinter einer Glasscheibe sitzen, mit Kopfhörer auf dem Kopf und einem Mikrofon vor dem Mund. Aber das ist natürlich nur eine Ausprägung der Übersetzung menschlicher Sprache. Daneben gibt es noch die Übersetzer von Texten, asynchrone Übersetzung von Reden und so weiter. Unabhängig von der Situation gibt es dabei unterschiedliche Anforderungen an den Transfer.
Es reicht natürlich nicht, nur Wort für Wort von einer Sprache in eine andere zu übertragen. Je besser der Dolmetscher den Sinn versteht, desto besser kann er es in der Zielsprache formulieren. Denn in jeder Sprache gibt es neben der Wortbedeutung immer ein Wortumfeld, also eine Art sprach- und kulturspezifische Bedeutungswolke.
Interessant ist jedenfalls, dass diese unterschiedlichen Varianten nicht nur im klassisch sprachlichen Umfeld zu finden sind. Genauso ist es auch bei Computersprachen. Ist ein Algorithmus zum Beispiel in Perl geschrieben und soll in Java übersetzt werden, ist wegen der unterschiedlichen Befehlssätze eine 1-zu-1-Übertragung kaum möglich, jedenfalls das Ergebnis eher holprig.
Noch spannender wird es aber bei der Übersetzung innerhalb einer Sprache von einem Fachgebiet in ein anderes. Wenn sich zum Beispiel die Bereiche Personal und Technik austauschen, dann sprechen sie eine „unterschiedliche“ Sprache. Was der eine unter einer Ressource versteht, interpretiert sein Gesprächspartner ganz anders.
Erster Schritt bei der Behandlung dieser Verständigungsprobleme ist die Erkenntnis, dass selbst auf den ersten Blick gleiche Begriffe verschieden besetzt sind. Das ist nicht alleine durch eine Art Vokabelheft („Definition“) zu beheben. Wenn man das versucht, erhält man Ergebnisse wie bei Wort-für-Wort-Übersetzungen zwischen Spanisch und Deutsch. Nur durch Verstehen des Bedeutungsumfeldes, seiner Einordnung und der damit verknüpften Assoziationen ist es möglich, verständlich zu vermitteln.
Der zweite Schritt besteht in der Kunst des Nacherzählens. Bei Romanen zeichnet sich eine hochwertige Übersetzung dadurch aus, dass der Übertragende selbst mehr oder weniger Autor ist und die Geschichte selbst (in der Zielsprache) nacherzählt. Im Unternehmen: Der sogenannte Business Relationship Manager muss den Fachbereich verstehen (und dafür zwingend dessen Sprache sprechen), er muss aber auch die Sprache der Techniker beherrschen und deren Fachbegriffe benutzen. Ja, auch er muss die Anforderungen nacherzählen.
Soweit noch halbwegs naheliegend. Doch spätestens im dritten Schritt wird es ausgesprochen anspruchsvoll. Es ist für eine optimale Verständigung nämlich auch noch wichtig, die unterschiedlichen Kulturen zu berücksichtigen. Hier spielen bereichstypische Glaubenssätze und Haltungen eine wichtige Rolle.
Werfen wir zur Illustration einen Blick auf die Filmindustrie. Da wird ein Spielfilm zum Beispiel in Frankreich produziert, das inländische Publikum ist begeistert. Im Sinne unseres ersten Schrittes würde man die Sprache synchronisieren und den Film einem deutschen Publikum anbieten. Anwendung des zweiten Schrittes wäre die erneute Produktion, diesmal aber unter deutscher Leitung, also gleicher Inhalt, aber andere Schauspieler, Dialoge, Tempi, Szenenauswahl. Und Schritt drei: Der Produzent für den deutschen Markt versteht, was die Franzosen an dem Film lieben; er sucht nach dem Pendant deutscher Zuschauer, lässt den Film unter dem Gesichtspunkt vielleicht an anderen Orten, mit anderer Dramaturgie und möglicherweise sogar anderem Ende neu entstehen. Hat er seine Arbeit brillant gemacht, hat das Ergebnis in den deutschen Kinos die Chance auf guten Erfolg.
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