Ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio. Nicht, weil es mir Spaß macht, sondern weil ich es für meinen Körper als notwendig erachte. Und letzte Woche fiel mir dabei auf, dass schon dieser Aspekt meiner sportlichen Betätigung Parallelen mit der Definition und Optimierung von Arbeitsabläufen hat. Beides ist sinnvoll, aber nicht besonders reizvoll.
Zuerst mal muss man für sowohl für die körperliche Ertüchtigung als auch für Prozessverbesserungen Zeit investieren. Dann einen Trainingsplan anfertigen: Was will ich denn eigentlich erreichen. Jeder Trainer weiß, dass der Plan sich empfindlich nach den Zielen richtet. Liegt der Schwerpunkt in Kräftigung oder Ausdauer?
Darüber muss man sich auch bei den Prozessen klar werden. Eher Personal einsparen oder den Durchlauf erhöhen? Ökologische Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellen oder die Qualität steigern? Diese Ziele müssen sich ja nicht widersprechen (Sport: Sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining sind prinzipiell kompatibel), aber nur wenn man sich dessen bewusst ist und die gewünschten Prioritäten setzt, erreicht man das gewünschte Ergebnis.
Und das alles muss auch realistisch sein. Aus einem Spargeltarzan mache ich ja auch keinen Muskelprotz.
Dann kennt man beim Sport so etwas wie Übertraining. Zu viel des Guten ist schlecht. Bei der Optimierung von Prozessen kann man es auch übertreiben. Abgesehen davon, dass ab einem gewissen Erreichungsgrad der Aufwand für weitere Verbesserungen steil ansteigt (hier gilt sinngemäß die 80-20-Regel) ist es wichtig, dem Körper (bzw. dem Arbeitsablauf) Zeit für die Entwicklung zu lassen. Man muss es auch mal aushalten, dass es vorübergehend nicht aufwärts geht. Nein, sogar vermeintliche Rückschläge sind möglich – Ruhe bewahren und mit Augenmaß weitermachen.
Einseitiges Training – das wissen wir – führt einerseits zu einer Überlastung der bearbeiteten Muskeln und Gelenke, andererseits zu einer Vernachlässigung anderer Gruppen. Für unseren Vergleich also Obacht, dass ein ausgewählter Ablauf nicht isoliert betrachtet werden darf. Wenn wir nicht aufpassen, läuft es zwar links besser, aber rechts entsteht ein Engpass oder ein unerwarteter und unerwünschter Nebeneffekt tritt auf.
Schließlich die Messung. Dafür gibt es ja KPIs (Key Performance Indicator). Was für Manager oft das Mittel der Wahl zu sein scheint, ist in der Aussage oft fehlleitend. Bei uns wurde vor Jahren die Anzahl der erfassten Störungsmeldungen (Incidents) als Messwert verwendet. Im ersten Moment denkt man, dass man damit die Qualität eines Software-Betriebes feststellen könnte. Doch ohne Beachtung anderer Entwicklungen ist diese Zahl geradezu gefährlich. Der so kontrollierte Mitarbeiter drückt sich um die Eröffnung von Meldungen und sorgt damit für zunehmende Intransparenz. Im konkreten Fall war es so, dass die Zahl der Incidents zunahm, weil wir eine Offensive für die Einhaltung des Meldeprozesses gestartet hatten. Die Menge der Störungen war konstant, aber die systemseitig hinterlegten Einträge nahm – gewollt – zu.
Letzte Parallele: Der Körper ist ein komplexes System. Bewegung und Belastung wirken sich jedenfalls aus und man kann auch ein Gesamtziel anpeilen. Aber was im Detail passiert (Veränderung bestimmter Muskeln, Stoffwechsel, Hormonen), liegt im Dunkeln.
Und da (komplexe) Prozesse von Menschen gelebt werden, kommen auch Gefühle, persönliche Ziele, nichtlineare Abhängigkeiten zu Nachbarprozessen und so weiter ins Spiel. Deren Beachtung ist ein oft vernachlässigter Aspekt, was dann am Ende zum faktischen Scheitern der engagiert betriebenen Optimierung führt.
Einen hab‘ ich noch: Das schönste am Sport ist ja der Muskelkater hinterher (mit der Vorfreude, dass man in den nächsten Tagen wieder ein Stückchen sportlicher geworden ist). Und den gibt es auch bei Prozessoptimierung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen