Dienstag, 15. September 2020

Lethargie, Gelassenheit, Coolness

Wenn mir eine Wespe ins Gesicht fliegt und ich nicht hektisch um mich schlage, was bin ich dann: lethargisch, gelassen oder cool? – Die Frage lässt sich aus dieser kurzen Szene gar nicht beantworten, vielmehr spielt die Ursache der Nicht-Reaktion eine entscheidende Rolle.

Ist mir alles egal, einschließlich Stich und nachfolgendem Schmerz: Lethargie.
Habe ich zwar Bedenken wegen eines Stiches, schätze aber aus Wissen und / oder Erfahrung die Wahrscheinlichkeit eines Stiches für gering ein (sofern ich mich selbst entsprechend verhalte): Gelassenheit.
Rühre ich mich nicht, weil ich signalisieren will, dass ich mich von dieser Störung nicht aus der Ruhe bringen lasse und es mich zwar körperlich, aber nicht emotional bewegt: Coolness.

Im Alltag werden die drei Begriffe in ihrer Bedeutung oft vermengt. Aber der Lethargie liegt eine körperliche und oder psychische Trägheit zu Grunde. Menschen mit dieser Eigenschaft gehen mit unerwarteten Situationen unaufgeregt um, weil Überraschungen ihnen genauso egal sind wie absehbare Entwicklungen.

Gelassenheit kommt ganz anders daher. Vom Wortsinn her setzt sie sich aus „Ge“ und „Lassen“ zusammen, also der Menge des Lassens, des Zulassens. Wer das Unerwartete zulässt, in seine Reaktion (Antwort) einfließen lassen kann, der signalisiert Gelassenheit. Das setzt meist im Gegensatz zur Lethargie große Wendigkeit voraus und erfordert in der Regel Erfahrung. Impulsivität ist ein Feind der Gelassenheit, Nachdenklichkeit ihr Bruder.

Schließlich die Coolness. Insbesondere die emotionale Distanz (Kühle) spielt eine zentrale Rolle. Es mag als Außenbild des Fels in der Brandung als attraktives Ziel erscheinen (als Kult verkörpert von Humphrey Bogart), aber auf der Rückseite dieser Eigenschaft hat man – im Film Casablanca bildlich in Szene gesetzt  - auch die Gefühllosigkeit und Unfähigkeit zur menschlichen Nähe. Das hat in Abgrenzung zu den anderen Begriffen weder etwas mit mir-egal zu tun noch mit Bedacht.

Erstrebenswert scheint dabei zunächst die herablassende Coolness, die oberflächlich Souveränität signalisiert. Genauer betrachtet ist ein Souverän aber jemand, der ruhig reagiert, weil er die Sache bedacht hat, beraten wurde oder die Möglichkeit sieht, sich vor einer offenkundigen Reaktion eingehender damit beschäftigen zu können. Er ist nicht cool, er hat aber spontane Reaktionen unter Kontrolle und kann die sachliche und die emotionale Ebene getrennt und im Umgang gezielt steuern.
Die Lethargie wiederum schneidet für den Alltag als nicht umfänglich lebenstauglich aus. Die unter ihr liegende Teilnahmslosigkeit ist nämlich in allen Lebensbereichen, sowohl im sachlichen Umfeld als auch in zwischenmenschlichen oder gar partnerschaftlichen Beziehungen ein echter Hemmschuh. Wen nichts berührt, der reagiert auch nicht auf Sanktionen. Der hat zu nichts Lust, weder im Sinne von Motivation noch im Sinne von Veränderungen oder Chancen.

Lediglich die Gelassenheit, vor ein paar Sätzen ist sie uns am Rande schon bei den (echten) Herrschern, also den Souveränen, begegnet, ist uns in allen Phasen und Situationen ein empfehlenswerter Begleiter. Leider ist sie auch der anstrengendste Typus. Sie ist mehr als Fassade und erfordert viel innere Steuerung, Einfühlungsvermögen und einen flinken Geist.

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