Mittwoch, 24. November 2021

Power is nothing without control (à la Gartner)

In seltenen Fällen haben Werbesprüche geradezu philosophische Qualitäten. Als Pirelli im Jahr 1994 für seine Reifen den Slogan „Power is nothing without control“ ausgab, wollte das Unternehmen im Wesentlichen auf die Traktion und den Grip seiner Produkte hinweisen.

Aber ich finde, der Spruch passt auch an vielen anderen Stellen. Beispielsweise beim menschlichen Charakter. Innere Stärke ist eine gute Sache, aber wenn man sie nicht kontrollieren kippt sie leicht in Starrheit und Dominanz, möglicherweise auch sich selbst gegenüber.
Oder ein kräftiger Körper: Da denke ich an die Riesen aus Märchen, die ungewollt Dinge zerstören, unbeabsichtigt filigrane Gegenstände kaputt machen. Cholerische Charaktere, die plötzliche Wutausbrüche haben, die weit über Temperament hinausgehen.

Übrigens trifft die Forderung nach Kontrolle sowohl positive als auch negative Eigenschaften. Mit körperlicher Schönheit (als Beispiel für positive Seiten) kann man Menschen für sich gewinnen; Sie damit zu manipulieren ist ablehnungswürdig.
Andererseits können polarisierende Menschen einerseits für Bürgerkriege, andererseits für klarere Stimmungsbilder sorgen.

Anders ausgedrückt gehört zu jeder Qualität (bzw. Ausprägung) – insbesondere den Stärken - auch die Beherrschung, sonst ist es „nothing“.

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Mittwoch, 17. November 2021

Leben im Kleeblatt (1)

Wäre ich ein Kaninchen, würde ich vielleicht in einem Kleeblatt leben. Ein großes Autobahnkreuz, in den Straßenbögen Grünflächen. Meine Heimat. Ich wäre dort geboren, hätte meine Höhle und meine durch die Jahreszeiten wechselnden Malzeiten. Ich hätte Nachbarn, andere Kaninchen, die auf dieser von Autostraßen begrenzten Fläche leben. Vielleicht auch andere Tiere, die entweder hier heimisch sind oder die Straße überquerend temporär in meinem Lebensraum vorbeischauen.

Die Fläche, auf der ich herumhoppelte wäre recht begrenzt, aber sie reichte mir für mein Leben. Ich hätte alles, was ich brauche, würde sicher auch eine Partnerin finden und für Nachwuchs sorgen. Die Grenzen wären spürbar, aber nicht wirklich hinderlich. Oder das Kleeblatt so groß, dass ich die Straßen gar nicht wahrnehme, vielleicht gibt es nach einiger Hoppelei ein Ende, was ich aber nie merkte.

Aber so oder so gäbe es eine Welt jenseits der Straße. Eine große Welt sogar, nur dass ich diese nie erlebte. Entweder, weil mir gar nicht klar würde, dass es etwas außerhalb des Kleeblattes gibt, oder weil sie mir völlig fremd wäre. Für meine Sprünge und kleinen Lüste wäre ich ja versorgt und der positive Effekt, dass auch Feinde eher selten über die Straße in mein Revier eindringen.

Geradezu philosophisch, lebe ich doch auch in meinem Menschen-Kleeblatt. Und die begrenzenden Straßen sind in meinem Leben möglicherweise Landesgrenzen. Aber viel eher sind es die Schichten, zum Beispiel der Bildung oder des Wohlstandes. Als Abstinenzler habe ich keinen Kontakt zu Alkoholikern, als Angestellter scheinen Selbständige fremd. Oder ich habe als Hundebesitzer kein Verständnis für Hundegegner, Nichtraucher stehen höchst selten mit Rauchern zusammen.

Zentral also das Verständnis, dass jeder von uns in einer Schnittmenge gewisser sozialer Strukturen lebt, andere Gesellschaften gar nicht oder nur peripher kennen lernt. Es ist sozusagen ein eigener Kosmos. Und ich lade ein, gelegentlich vergleichbar einem Urlaub, in dem man fremde Länder kennenlernt, auch die Gestirne seiner Mitmenschen zu erforschen: Ganz vorsichtig die das eigene Kleeblatt begrenzenden Straßen überqueren.

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Mittwoch, 10. November 2021

Große und kleine Muskeln


Ich habe mich mit meinem Physiotherapeuten unterhalten. Der unterscheidet zwischen großer und kleiner Muskulatur, mit einfachen Worten ausgedrückt etwa die Differenzierung zwischen Kraft und Balance. Wir brauchen unbedingt beides, sonst können wir zwar schwere Gegenstände heben, verlieren aber dabei das Gleichgewicht.

Transfer für Unternehmen.

(1)    Man braucht unbedingt Prozessketten, das sind die großen Muskeln. Schließlich will man etwas bewegen, Geschäft machen.

(2)    Andererseits aber auch die Einheiten, die zwar auch Muskeln sind, also etwas bewegen, aber im Wesentlichen zur Ergänzung und für die Geschicklichkeit zuständig sind.

(3)    Das Verhältnis muss stimmen. Trainiert man nur die große Muskulatur, dann agiert das Unternehmen wie ein breitschultriger Bodybuilder. Konzentriert man sich zu sehr auf die kleinen Muskeln, dann hat man schlimmstenfalls ein komplexes Produkt, das keiner kauft.

(4)    Man muss die Ziele und die Zielgruppe im Auge behalten. Es gibt Frauen, die finden muskulöse Männer attraktiv, andere bevorzugen filigrane Tänzer. Wen will ich ansprechen?

(5)    Was das richtige Maß ist, bestimmt auch das Produkt als solches. Konservative Märkte werden eher stabile Produktionskette verlangen, agiles Umfeld erwartet Wendigkeit und gekonntes Parieren wechselnder Randbedingungen.

Daraus leiten sich die Hausaufgaben für die Strategieerstellung ab. Wie im Fitnessstudio: Ohne Trainer und Anleitung geht es nicht. Und auch nach sorgfältiger Analyse und Erarbeitung eines Zielbildes braucht man unbedingt eine fortlaufende Kontrolle. Die Mischung muss auch bei verändertem Markt stimmen und ganz wichtig immer wieder der Hinweis, was man machen oder vermeiden sollte – sonst kommt es zu schmerzhaften Zerrungen oder anderen Schäden.

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Dienstag, 2. November 2021

Vielen Dank für die Blumen

Ich bekenne mich als Tom-und-Jerry-Fan. Diese amüsante Hassliebe, diese Diskrepanz zwischen Necken und Jagen, die finde ich immer wieder reizvoll. Und zum Schluss dann immer die Szene mit Tom und dem Blumenstrauß. Irgendwie süß.

Und irgendwie vergleichbar zum täglichen Leben. Eine Kunst, sich gegenseitig nicht nur liebevoll in den Armen zu liegen, sondern sich ganz im Gegenteil genüsslich in die Pfanne zu hauen und zum Schluss dann eben doch Blumen zu schenken. Oder es zumindest ernsthaft zu versuchen.

Tolles Modell, aber es geht natürlich nur auf einer sehr tief verwurzelten Basis, gegenseitiger Wertschätzung und ehrlichem Respekt für die Individualität. Eine Katze wird niemals den Charakter einer Maus haben (und vice versa). Sie ist also zweifelsfrei die schlechtere Maus, aber nicht zwingend eine schlechte Katze.

„Jede Jeck is anders“, weiß der Kölner und bringt mit dieser Aussage auf den Punkt, dass es unmöglich ist, an die Eigenschaften eines anderen Menschen einen Maßstab anzulegen. Man ist nicht besser oder schlechter, halt anders. Und wer weiß, eigentlich kann sich in manchen Szenen auch die clevere Maus Jerry etwas vom tendenziell ungeschickteren Kater Tom abschneiden. Offenheit für die Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit vorausgesetzt.

Und das sollte dann auch in beiden Richtungen mal einen Strauß wert sein.


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