Die ersten Wochen der hereinbrechenden Pandemie habe ich als Kombination aus Schockstarre, Experimentierlust und verzweifelte Aufbruchsstimmung erlebt. Während sich manche Menschen zurückgezogen, ja geradezu eingeigelt haben, wollten andere es jetzt erst recht wissen. Ja, Lockdown bedeutete eingeschränkte Bewegungsfreiheit, radikales Umstellen von Gewohnheiten. Aber das Leben ging trotzdem weiter und musste den neuen Randbedingungen angepasst werden. Ausprobieren von bis dato eher vernachlässigten Möglichkeiten, Zusammenrücken trotz oder gerade wegen der angeordneten Zwänge erforderte ungewohnte soziale Kooperationen. Und drittens erkannten viele Mitmenschen, dass auch in dieser Krise ein erhebliches Potential für Neuerungen lag. Nicht nur die Etablierung von Homeoffice oder der kometenhafte Aufstieg von Lieferdiensten, auch neue Optionen der Netzwerkbildung wurden etabliert.
Zu meiner Überraschung gab es aber eine erhebliche Lücke beim gemeinsamen Musizieren. Eine wirklich funktionierende Lösung für das Zusammenspiel mehrerer Musiker war weit und breit nicht zu bekommen. Mehr noch: Es gab keinerlei brauchbare Ansätze, diese Lücke zu schließen. Längst waren Telefonkonferenzen für Teilnehmer mit verschiedenen Endgeräten realisierbar, schufen eine Handvoll Plattformen die Möglichkeit, Videokonferenzen abzuhalten. Nur Proben selbst kleiner Bands konnten nicht durchgeführt werden, blieben im Experimentierstadium stecken. Tapfere Versuche erforderten unverhältnismäßig großen Aufwand, Tonspuren mussten in mühsamer Handarbeit mehr oder weniger erfolgreich zusammengeführt werden.
Jetzt liegt Corona hinter uns, die Bands können sich wieder in den Probenräumen treffen, sowohl das Üben als auch das Erlebnis der Gemeinsamkeit erreichen langsam wieder das Niveau von vor der Pandemie. Aber neben der Dankbarkeit für diese früher selbstverständlichen Punkte kann man daraus auch lernen, dass wir (zumindest bislang) bestimmte Aspekte nicht technisch adäquat lösen können. Stabil funktionierende Videokonferenzen gaukeln uns vor, dass wir nahezu die Qualität von Präsenzveranstaltungen erreicht haben. Aber wie wir bei den Musikern abschauen können gibt es neben der Ton- und Bildübertragung noch entscheidend wichtige weitere Anforderungen, die wir eben nicht abdecken. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was hier die entscheidende Rolle spielt. Ist es die nonverbale Kommunikation, der Augenkontakt in die Runde oder der unablässige Abgleich des Timings? So bleibt also vorerst nur, die Technik weiter zu optimieren und zu akzeptieren, dass sie sowohl für bestimmte Einsatzszenarien als auch für bestimmte Menschen ihre Grenzen hat.
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