In den letzten Jahren entsteht in der Computerwelt ein ganz neues Imperium. Fast unbemerkt macht sich hier eine Technik breit, die von Fachleuten als Künstliche Intelligenz bezeichnet wird. Waren die ersten Versuche noch eher ein wenig tapsig, hat sich der Ansatz zu einer allgegenwärtigen Begleiterscheinung gemausert.
Nicht nur Verkaufsanbieter optimieren die Reihenfolge der Vorschläge, auch Suchmaschinen setzen auf intelligente Verbesserung der Ergebnisse. Und wir erleben die Diskussion um Texte, Bilder und Videos, die von Computern generiert werden.
Ein spannender Fall ist die Suche nach Mustern und daraus abgeleiteten Entscheidungen. Vor einigen Jahren hat die Postbank alle Daten potentieller Kunden gesammelt, deren sie habhaft werden konnte. Und aus diesem Datenpool hat sie mit einem Algorithmus ableiten lassen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um eine möglichst geringe Kreditausfallwahrscheinlichkeit zu haben. Ohne Rücksicht auf logische Zusammenhänge durften in die Einschätzung auch Augenfarbe, Herkunft, bisherige Transaktionen oder Fragen nach dem sozialen Umfeld eingehen. Aus der Vielzahl der erhobenen Daten bildeten sich in der Masse dann bestimmte Cluster und Häufungspunkte. Warum die Ausfallwahrscheinlichkeit erhöht war, wenn der Nachbar einen Opel fährt, deutlich verringert aber, wenn der Nachbar einen BMW besitzt, kann man vielleicht irgendwie begründen, aber so richtig logisch war es nicht.
Aber die KI des Computers fragt nicht nach Logik. Die kann man dann nachträglich hineininterpretieren, sich vielleicht Gedanken machen, warum dieser oder jener Parameter eine Rolle spielt. Aber letztlich ist das völlig egal, denn im Kern kommt es beim Beispiel der Postbank ja darauf an, dass der Kreditgeber sein Geld zurück erhält. Und dass die Wahrscheinlichkeit von der Automarke des Nachbarn abhängt, das ist zwar überraschend, die Begründung aber letztlich egal.
Und da denke ich an Menschen, die besonders zuverlässig gute Entscheidungen treffen. Wenn man sie fragt sagen sie meist, dass sie diese aus dem Bauch heraus treffen. Was bedeutet, dass sie sich der logischen Zusammenhänge selbst nicht bewusst sind. Vielmehr entsteht die Entscheidung nur zu einem Bruchteil aus den bekannten Faktoren, doch den größten Einfluss haben ebenfalls messbare Parameter, nur dass man nicht auf die Idee kommt, diese zu messen. Ein erfolgreicher Investor wird vielleicht auf Bilanzen und Quartalszahlen der in Frage kommenden Unternehmen verweisen. Warum er aber am Ende Aktien des Unternehmens X kauft, jene von Unternehmen Y aber verschmäht obwohl die Kennzahlen eine andere Sprache sprechen, ist ihm nicht zu entlocken. Tatsächlich hat er seine Entscheidung gar nicht zufällig getroffen, sondern Dinge einbezogen, die man üblicherweise gar nicht abfragt. Wie war das doch gleich mit der Automarke des Nachbarn? Im Fall der Investition spielt vielleicht die Haarfarbe des Firmengründers eine Rolle, das Alter der Ehefrau oder die Anzahl der leiblichen Kinder. Das alles steht nicht in der Bilanz, ist auch nicht als direkt logischer Indikator für eine Kaufempfehlung zu verstehen, aber im Sinne von Häufungspunkten dann eben doch relevant – warum auch immer.
Und so stelle ich fest, dass Künstliche Intelligenz durchaus menschliche Züge hat. Man kann aber den Spieß auch umdrehen und an der einen oder anderen Stelle die künstliche Intelligenz als Vorbild nehmen, einfach mal zulassen, dass man nicht jede Entscheidung nach Quartalszahlen oder sonstigen offensichtlichen Indikatoren treffen muss, sondern sich an der Erfahrung orientieren darf und gerne auch mal Energie in die Suche nach den Gemeinsamkeiten bestimmter guter Entscheidungen steckt.
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