Mittwoch, 21. August 2024

Ihr müsst es dreimal sagen

ChatGPT muss es schon vor über 200 Jahren gegeben haben, denn im Original von Goethes erster Veröffentlichung von „Faust“ finden wir folgende Passage:

Faust: Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
Mephistopheles: Ich bin's.
Faust: Herein!
Mephistopheles: Du mußt es dreimal sagen.
Faust: Herein denn!
Mephistopheles: So gefällst du mir.

Ihr müsst es dreimal sagen

In die heutige Zeit übertragen hört sich der Dialog so an:
Ich: Wie lautet das Tastaturkürzel, um innerhalb einer Outlook-Mail zu suchen?
ChatGPT: Verwende  Strg-F oder F4, um das Suchfeld zu öffnen.
Ich: Das funktioniert leider nicht.
ChatGPT: Entschuldigung für die Verwirrung. Das Suchfeld öffnet sich mit Strg-E. Um innerhalb einer E-Mail zu suchen verwende F3 oder Strg-H.
Ich: Das scheint immer noch nicht korrekt.
ChatGPT: Entschuldigung für die Verwirrung. Das erweiterte Suchfeld erreichst du mit Strg-Umschalt-F. Für die einfache Suche drückst du F4 oder Strg-F (wenn sich das Suchfeld öffnet und nicht die Weiterleitung aktiviert wird). In einigen Fällen könnte auch Strg-B funktionieren.

Man muss also dreimal fragen, um sich der richtigen Antwort zu nähern. Hier ist keine absichtliche Irreführung eingeschaltet, es gibt auch keine politischen Gründe, die zu den (zunächst) falschen Antworten führen. Nein, der Assistent wurde schlichtweg falsch angelernt. Und was noch schlimmer ist, er verkündet seine Meinung mit überzeugender Darstellung.

Was man in diesem Fall sehr einfach nachprüfen kann, erweist sich an anderen Stellen als deutliches Problem. Naheliegend, dass man im offenen Bereich des Internets nicht gerade lebenswichtige Empfehlungen von diesem Roboter holen sollte. Aber selbst weniger kritische Themen sind nur mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Um auf die Einleitung zurückzukommen sind wir alle gefährdet, einem Mephistopheles zu folgen, mehr oder weniger rauschende Feste in Auerbachs Keller zu feiern, am Ende dann aber voller Ernüchterung des Pudels Kern zu entdecken.

Mittwoch, 14. August 2024

Das Mantra der Selbstorganisation

Im Zusammenhang mit erfolgreicher Teamarbeit wird gerne der Aspekt der Selbstorganisation genannt. Das scheint der Schlüssel zu sein, um aus einer Zusammenstellung von Arbeitskräften die maximale Arbeitsleistung herauszuholen. Da wird nichts von außen vorgegeben, nur die Aufgabe genannt und ab dann passiert – plopp, magic – ein Automatismus, der zu allgemeinem Wohlbefinden führt.

Das Mantra der Selbstorganisation
Ist das so? Und warum scheitern dann Konzepte wie Kommunen und WGs oft an genau diesem Paradigma? In einer idealen Vorstellung findet jedes Mitglied einer Gemeinschaft genau die Aufgabe, die es gerne und engagiert erledigen kann. Die ihm kein anderer streitig macht, weil nur er hierfür die perfekte Besetzung ist.

Und ein weiterer elementarer Aspekt ist die Vollständigkeit der Abdeckung. Wird jede nun mal zu erledigende Tätigkeit von mindestens einer Person erledigt, dann sind alle Vorgänge gut zugeordnet. Was aber tun, wenn es lästige Sachen gibt, die keiner machen möchte. Im technischen Umfeld könnte das das Schreiben von Dokumentationen oder die Ausführung von Tests sein. In der WG ist es die Reinigung der Wohnung.

Menschlich normal gibt es aber auch unterschiedlich leistungsfähige Mitarbeiter, ja, und in der Praxis müssen wir natürlich auch die Faulpelze und Drückeberger im Auge behalten. Ist es nicht ziemlich naiv anzunehmen, dass sich solche Charaktere freiwillig und selbstständig Arbeit suchen und einen Teil der Aufgaben übernehmen?

Unter bestimmten Voraussetzungen kann Selbstorganisation funktionieren. Wenn wir ein Team aus leistungsbereiten Performern haben. Mit Flexibilität bezüglich der Aufteilung. Mit der Bereitschaft, zumindest anteilig auch die ungeliebten Aufgaben zu erledigen. Mit Rücksicht auf die Belange und Möglichkeiten der Anderen. In jedem Fall aber mit einem gewissen von außen vorgegebenen Rahmen, zum Beispiel hinsichtlich Ziel, Zeitrahmen, Ressourcen und Budget.

Man kann auch mal einen Blick auf die kleinsten Teams werfen, die Partnerschaft von zwei Menschen. Schon hier ist die Aufteilung oft eine mehr oder weniger ungelöste Herausforderung, die mit regelmäßigem Streit, wenig tragfähigen Kompromissen und Unzufriedenheit einhergeht. Da mag man sich schon fragen, warum es in betrieblichen Abläufen, Softwareprogrammierung oder Sachbearbeitung besser laufen sollte.

Was aber geht, und das ist die gute Nachricht, ist das Anfertigen einer Aufstellung der Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder. Und dann erst mal diese Qualitäten nutzen, danach die verbleibenden Jobs verteilen und so eine Mischung aus mache-ich-gerne und unterstütze –ich-das-Team erreichen, die von einem merklichen Teil der Zusammenarbeitenden akzeptiert wird.