Dienstag, 10. September 2024

Vorher-Spüler und Nachher-Spüler

Ein Freund von mir hat ein ganz spezielles Charaktermodell entworfen. Er unterteilt die Menschheit in Vorher-Spüler und Nachher-Spüler. Stellen wir uns vor, wir wollten ein Abendessen bereiten, stehen in die Küche und treffen zunächst auf einen hohen Berg ungespültes Geschirr, noch restgefüllte Kopftöpfe, verdreckte Pfannen und und gebrauchte Gläser. Ungerührt geben wir uns erst mal an die Reinigung der Utensilien, vielleicht auch nur der für die Bereitung notwendigen, und beginnen begleitend mit dem Kochen. Vor dem Servieren sind Geschirr und Besteck bereit, die verwendeten Töpfe vom Herd auf die Ablagefläche verschoben.

Die andere Fraktion der Menschen holt das blanke Topfwerk aus dem Schrank, kocht darin, spült noch während der Zubereitung die nicht mehr benötigten Pfannen und hinterlässt die Küche pünktlich zum Servieren in aufgeräumtem Zustand. Das sind die Nachher-Spüler; wenn sie ihren Arbeitsplatz verlassen ist alles in arbeitsbereitem Zustand, wer anschließend hier tätig werden muss kann sofort loslegen.

Vorher-Spüler und Nachher-Spüler

Beide Herangehensweisen haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Und lassen sich sogar zu einem gewissen Grad kombinieren. Das kann situationsbezogen sein, zum Beispiel wenn Gäste kommen, das kann rezeptbezogen sein, zum Beispiel wenn man Suppe kocht. Oder abhängig von den Randbedingungen, wenn man zum Beispiel eine Spülhilfe hat.

Aber grundsätzlich bietet das Zusammenkommen dieser unterschiedlichen Typen Konfliktpotential. Beide Seiten vertreten ihre gewohnte Manier vermutlich recht vehement und denken gar nicht daran, das aus ihrer Sicht bewährte Verfahren zu ändern. Da fühlen sich die Nachher-Spüler übervorteilt, weil sie die Küche ja gereinigt hinterlassen und von den Vorher-Spülern (die ja in diesem Fall keine Arbeit haben) ein Durcheinander hinterlassen bekommen. Während die einen also doppelte Arbeit haben, können sich die anderen auf den eigentlichen Job - das Bereiten der Malzeit - konzentrieren.

Das kommt einem doch bekannt vor, mehr oder weniger ausgeprägt gibt es diese Aufteilung doch auch im Arbeitsumfeld. Gebe ich die Rohdaten weiter (Vorher-Spüler) und lasse sie von dem Abnehmer filtern, sortieren, aufbereiten, prüfen oder sind die relevanten Informationen bereits aufbereitet, geeignet formatiert und damit sofort weiterverwendbar (Nachher-Spüler)?

Entscheidender Unterschied ist die Frage, wie die Arbeit an den Übergabepunkten (Schnittstellen) vorliegt. Solange der gesamte Ablauf aus einem Typus (seien es Vorher-Spüler oder Nachher-Spüler) besteht, ist es in der Regel kein Problem. Kritisch wird es, wenn der Typ wechselt und insbesondere, wenn ein Nachher-Spüler die Arbeit von einem Vorher-Spüler übernimmt.

In der Praxis stellt man fest, dass es selten reine Ausprägungen gibt. Aber jedenfalls lohnt es sich, nicht nur die Prozessschritte, deren Notwendigkeit und Reihenfolge zu betrachten, sondern sich auch Gedanken über die Qualität an den Übergabe- oder Nahtstellen zu machen. Und bei der Formierung von Teams darauf zu achten, dass die Nachher-Spüler nicht unter den Vorher-Spülern leiden.

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