Mittwoch, 20. November 2024

Von Zauberern, Entertainern und Politikern

Auf den großen Bühnen dieser Welt stehen Frauen und Männer, die ihren Zuschauern etwas präsentieren. Ob sie nun ein Lied singen, große Reden schwingen oder etwas Artistisches vorführen - in jedem Fall kommt man zur Unterhaltung. Vielleicht ist es ein Zeitvertreib, eine Anregung oder das Staunen über irgendeine Leistung – jedenfalls sind wir im Normalfall freiwillig dort und lassen die Darbietung auf uns wirken.

Zauberer, Entertainer, Politiker

Dabei kann man diese Veranstaltung grundsätzlich in Zauberei und Entertainment unterteilen. Bei der reinen Unterhaltung ist alles offensichtlich, da ist kein Trick dabei, alles ist so zu verstehen, wie man es sieht. Ein Orchester arbeitet sich durch die Partitur, die entstehende Musik ist handgemachter Klang nach bestimmten Regeln und Vorgaben. Keine Überraschung, kein Hinterfragen der Entstehung. Nur wer es ganz genau nimmt, kann sich mit Musiktheorie oder gar der Physik der Tonerzeugung beschäftigen.

Ganz anders bei der Zauberei: Hier sehen und erleben wir etwas, was der Erfahrungswelt widerspricht. Ein Gegenstand verschwindet, ein anderer taucht unvermittelt auf, Waffen scheinen keine Verletzungen hervorzurufen. Doch das alles ist natürlich nicht echt, es gibt Tricks, mit denen der vermeintliche Magier uns nur vorgaukelt, dass so seltsame Sachen passieren. Im Kern funktioniert fast jeder Zaubertrick so, dass der Zuschauer abgelenkt ist und irgendetwas beobachtet, während an anderer Stelle etwas passiert. Man kann das zur Kenntnis nehmen und unter gelungener Illusion ablegen oder sich Gedanken machen, wie der Zauberer das wohl angestellt hat. Und ihn vielleicht sogar vor dem Publikum mit der Enthüllung seiner geheimen Vorgehensweise konfrontieren.

Da denke ich an Politiker: Die eine Fraktion handelt im Verborgenen, die Wähler werden abgelenkt, wir nehmen nur den Ausschnitt wahr, den die politischen Zauberer uns vermitteln wollen. Das läuft irgendwo zwischen unvermeidlicher Hintergrundarbeit, mangelhafter Kommunikation und Klüngelei. Kommt so ein Aspekt entgegen der Planung ans Tageslicht, wird es meist peinlich für die Akteure. Wir haben ihren Zaubertrick enttarnt, zeigen, wie das Kaninchen in den Hut kam oder wieso eine Entscheidung abweichend von einer Mehrheitsmeinung getroffen wurde.

Öffentliche Debatten entstehen, Rücktritte werden gefordert, Entrüstung über das unerhörte Vorgehen. Einem amerikanischen Präsidenten, der Sex mit einer Praktikantin hatte, wurde dies in der lautstark geführten Debatte fast zum Verhängnis. Zwar war der gerichtliche Aspekt sein Meineid, aber dass es überhaupt zu diesem Wellengang kam lag an der Heimlichkeit der Aktion und der moralischen Erwartung, dass ein Präsident so etwas einfach nicht macht. Im Sinne der VIP-Menschen: Die Enttarnung eines Zauberers.

Ganz anders der Antritt von Donald Trump. Als ehemaliger Entertainer versucht er gar nicht, Dinge zu verbergen. Dass er mit einer Pornodarstellerin verkehrt und dafür Schweigegeld zahlt, ist allgemein bekannt. Zu keinem Zeitpunkt streitet er das ab, agiert ganz offen und stopft seinen Kritikern mit dem Hinweis auf Privatangelegenheiten und Best-Practice den Mund. Ein Entertainer eben, er unterhält die Wähler und setzt (zumindest an dieser Stelle) nicht auf Täuschung.

An diesen beiden Beispielen kann man zum einen die unterschiedlichen Typen erkennen, auch die aus vermeintlichen Verfehlungen abgeleiteten Reaktionen springen ins Auge. Erfolgreicher und ohne Angst vor Entdeckung und Shitstorm leben die Personen, die sich als Entertainer outen. Getreu dem Motto: Du bekommst was du siehst. Und wenn ich es mir anders überlege, bekommst du etwas anderes. Aber nichts passiert hinter deinem Rücken. Wer andererseits heimlich im Sinne eines Zauberers agiert, muss fortwährend mit Entdeckung und unangenehmem Zur-Rede-stellen rechnen. Und nicht zuletzt die Frage beantworten, warum er es nicht gleich gesagt hat.

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