Dienstag, 27. April 2021

Lean ist eine Philosophie

Wer sich für Zweikampf interessiert, muss sich zwischen den praktischen und den eher philosophischen Ansätzen entscheiden. Der Unterschied liegt darin, dass der Schwerpunkt im ersten Fall auf von außen vorgegebener Technik liegt, im zweiten Fall auf von innen entwickeltem Umgang.

Im Sport kennt beispielsweise Krav Maga sehr wirkungsvolle Ansätze zur Selbstverteidigung. Eine Reihe von Schlag- und Tritttechniken, Grifftechniken, Hebel und Bodenkampf sind zu einer vielfach erprobten Kombination zusammengestellt. Das ist kurzfristig erlernbar und scheint damit ein guter Weg, ohne mühsamen Gedankenballast schnell abwehrfähig zu sein.

Auch Tae Kwon Do ist eine Kombination aus Tritt- und Schlagtechniken. Hier ist allerdings eine dritte Säule (Do = geistiger Weg) enthalten. Neben der körperlichen wird also auch die geistige Beschäftigung mit dem Gegner und sich selbst gefordert. Wodurch auf einem langen Weg der Reife ein von innen kommender Strom entsteht, der auch in bis dahin ungekannten Situationen weiterhilft.

Im Arbeitsumfeld begegnen wir neuerdings dem Ansatz Lean. Sehr oft wird er als reine Technik gesehen, da werden Listen erstellt und aus betriebswirtschaftlich naheliegenden Impulsen nach Messung und Verbesserung verlangt. Es gibt Überlegungen, ob man dieses Paradigma von der Mitarbeiterseite startet (Buttom-up) oder doch lieber seitens der Führungskräfte vorgibt (Top-down). Versteht man aber den Ansatz ganzheitlich, dann ist schon die Frage nach oben oder unten verkehrt. Es geht um ein anderes Bewusst-sein – und zwar selbst-verständlich und bei allen. Die Vermeidung von Verschwendung und die weitgehende Reduzierung von unvermeidlicher Nicht-Wertschöpfung müssen in Fleisch und Blut übergehen.

Menschtypisch fragen wir nach einer Konkretisierung, sind ungeduldig und verlangen nach Methoden und Tools, um dieses doch so plausible Prinzip anzuwenden. Schauen staunend nach Japan, wo Lean geboren wurde. Und übersehen dabei, dass wir den „Do“ weglassen. Die Geduld mit uns selbst, mit dem Umfeld und die Erkenntnis, dass wir gärtnergleich das Wachstum pflegend und düngend begleiten, aber nicht beschleunigen können.

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