Eine wundervolle Wissenschaft ist sie, die Mathematik. Alles Mögliche kann man berechnen, hat dann objektive Ergebnisse, die jeder Mensch nachvollziehen kann. Was liegt da näher, als in der augenblicklichen Unsicherheit der Pandemie einen festen Halt wie die Mathematik zu suchen. Da kann man versuchen, die Situation in Zahlen zu fassen, Gleichungen aufzustellen und die gegenwärtige Lage zu modellieren.
So erzählte mir dieser Tage ein Freund von einem SIR-Modell. Klingt spannend und hinter die Kulissen schauend fasse ich mal kurz zusammen, um was es geht. Die drei Buchstaben stehen für Fraktionen der Gesellschaft, die Infizierbaren (S), die Infizierten (I) und die Immunen (R). Recht triviale Annahmen wie die weitgehende Konstanz der Summe und die Formulierung der zeitlichen Änderungen führen zu einem Dreierpack an Differenzialgleichungen. Die kann man dann noch mit Faktoren versehen, von denen einer für die Ansteckung (alpha) und ein zweiter für die Inkubationszeit (beta) steht.
Wer es mathematisch genauer wissen will möge an geeigneter Stelle nachschauen.
Denn mir geht es gar nicht um das Lösen dieses Differenzialgleichungssystems, vielmehr interessiere ich mich für die praktische Aussage. Und die ist – auch wenn die Beschäftigung mit mehr oder weniger einfachen Gleichungen Spaß macht – doch recht simpel. Was können wir daraus lernen und in der Praxis auch beobachten:
- Der Verlauf der Epidemie hängt (nicht beeinflussbar) vom Virus ab, aber auch (beeinflussbar) von den Umständen.
- Virusspezifisch ist die Dauer, die ein Individuum zwischen Infektion und anschließender Immunität verbringt.
- Ebenfalls Virus- oder auch mutationsspezifisch ist die Ansteckungswahrscheinlichkeit, also die Gefahr, bei Kontakt zu erkranken.
- Womit sogleich klar wird, dass als äußere Steuerung insbesondere die Kontakthäufigkeit und –intensität der Individuen eine Rolle spielt.
- Naheliegendes Ziel ist, dass man die Menge I überspringt und somit unter Umgehung der Infektion (I) direkt von den Infizierbaren (S) zu den Immunisierten (R) wechselt. Der praktische Ansatz hierzu ist die Impfung.
- Und schließlich will man dafür sorgen, dass das Virus ausstirbt, seine Reproduktion also unter die Grenze von 1 fällt, so dass jeder dann noch Infizierte im Durchschnitt weniger als eine Person infizieren kann.
Das ist die Ausbeute des SIR-Modells. Sicher spannend und als gutes Modell auch eine brauchbare Abbildung einer linearen Wirklichkeit. Bei geschickter Wahl der Parameter kann man den Kurvenverlauf auch gut extrapolieren.
Allerdings ist jegliche Berechnung natürlich auf der Basis diverser Annahmen zu sehen. Und in diesem Fall kann uns wieder die Komplexität des Lebens in die Quere kommen. Ansteckungsrate, Kontakte, Inkubationszeiten sind von Alter, Lebensphase und Sozialstruktur abhängig. Und damit einhergehend (eben komplex) hat man es mit einer zeitlichen und / oder räumlichen Veränderung der vermeintlich konstanten Parameter zu tun. Weiterhin können mehrere Kurven (mit ihren jeweiligen Parametern) überlagert sein, z. B. bei Mutationen aber auch bei dem Aufeinandertreffen verschiedener Bekämpfungsszenarien.
Insofern ist also die mathematische Beschäftigung ausgesprochen sinnvoll. Von den einleuchtenden Kurven und Überlegungen kann man sehr sinnvolle Handlungsempfehlungen ableiten. Allerdings kann uns die Rechnerei leider – hier verweise ich auf den Anfang des Artikels – keine noch so sehr herbeigesehnte Prognose liefern.
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