Trotz vielerlei Bemühungen scheint es ausgesprochen schwierig zu sein, den Begriff der Kunst allgemeingültig und alltagstauglich zu definieren. Doch völlig unabhängig sind wir uns einig, dass Kunst in verschiedenen Ausprägungen vorkommt. Ich nenne es Ausdrucksformen (z. B. Malerei, Musik, Literatur und so weiter) und lasse dabei offen, ob es sich bei einem Produkt um ein Werk oder eben ein Kunstwerk handelt.
Was die Ausdrucksformen verbindet sind die Qualitätsstufen. Auch das größte Malereigenie hat mal mit Kritzeln angefangen, die ersten Choreografien eines Tänzers sind unbeholfenes Tapsen. Und dann die Lernphase, das Nachahmen wie beim Erlernen der Schreibschrift. Wie in der Grundschule sieht das Ergebnis (im Idealfall) erst mal bei allen Schülern gleich aus, doch rasch differenziert sich das Schriftbild. Die Schrift formt sich, wird individuell und ein Spiegel des Charakters. Nicht anders auch in der Musik, wo auf den „strengen“ Klavierunterricht eine Phase der persönlichen Note, der Individualisierung, folgt.
Im nächsten Schritt wird es dann professioneller, die
Technik steht nicht mehr im Vordergrund. Wie man einen Pinsel hält, welche
Aspekte bei der Farbwahl und dem Malmittel zu beachten sind, das alles ist in
Fleisch und Blut übergegangen. Der Schwerpunkt verschiebt sich in Richtung
Interpretation einer Vorlage, Variation nach eigenen Vorstellungen. Der
Schriftsteller könnte nach Lektüre eines Buches auf die Idee kommen, den Plot
auf seine Art aufzubereiten und die Geschichte aus einer anderen Perspektive nachzuerzählen.
Dem Nachahmen und Variieren folgt das Verstehen der
Grundregeln, die die Basis der gewählten Ausdrucksform bilden. Die Struktur
eines Musikstückes, die Aufteilung in Abschnitte, Takte, Wiederholungen und
Rhythmen können in ihrer Ausprägung modeabhängig sein, weitgehend zeitlos ist
jedoch die im (europäischen) Kulturkreis verankerte Harmonielehre. Der Meister
der Pinsel wird sich eher an Proportionen und Farbkreisen orientieren, der
Hüter des guten Wortes an rhetorischen Mitteln.
Und schließlich – die Kür – wird aus der eingängigen und
leicht verdaulichen Musik der Jazz, der dem Zuhörer möglicherweise eine
ausgewachsene Portion Beschäftigung abverlangt. Es ist das Pendant zur
abstrakten Malerei, nichts ist konkret zu erkennen, aber es gehorcht bestimmten
Regeln und in den meisten Fällen ist es eine sehr komprimierte Darstellung. In
der Schriftform kennen wir diese Kompression als Gedicht.
[Andere Blogs: Dienstliche Glossen, Feingeistiges]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen