Mittwoch, 9. Februar 2022

Magnetismus in Unternehmen

Ich habe mal gehört, dass erlebbarer Magnetismus erst durch die Ausrichtung von sogenannten Elementarmagneten entsteht. Die magnetischen Momente der Atome zeigen dann in die gleiche Richtung und es entsteht ein nach außen erkennbares Magnetfeld. Nun sind aber durchaus nicht alle Atome in einem Metallstück ausgerichtet, vielmehr sind es immer gewisse Felder (Weiss-Bezirke), in denen alle Vektoren in dieselbe Richtung zeigen. In der Nachbardomäne sind zwar auch alle Atome gleichgerichtet, jedoch abweichend von dem ersten Bezirk. Die Grenzen werden als Bloch-Wände bezeichnet.
Die Domänen und deren Wände kann man durch geeignete Verfahren sichtbar machen. Und dann ist interessant zu beobachten, wie sich die Grenzen verändern. Lässt man den Werkstoff in Ruhe, dann sind auch die Bloch-Wände konstant. Aber durch Erwärmung kommt Leben in die Struktur, und erst Recht durch das Anlegen eines äußeren Magnetfeldes, eventuell noch gepaart mit mechanischer Einwirkung (Hämmern auf das Metall). Dann kann es zu schlagartigen Veränderungen kommen, die man als Barkhausen-Sprung bezeichnet.

So weit, so gut. Sollen wir das Bild aus der Physik in unsere Organisationseinheiten übertragen? Nehmen wir mal an, auch dort gibt es Atome, also einzelne Mitarbeiter mit einer gewissen (z. B. strategischen) Ausrichtung. Sie sprechen miteinander (Wechselwirkung) und es kommt zu kollektiven Effekten wie der Bildung einer gemeinsamen Meinung. Die allerdings in anderen Gruppen – und das müssen nicht unbedingt andere Organisationseinheiten sein – anders sein kann. Offensichtlich ist dies analog zu den Domänen zu sehen, die durch imaginäre Wände abgegrenzt sind.
Übt man auf diese an und für sich recht dauerhafte Gemeinschaft Druck aus, so kommt es hier und da zu Meinungsänderungen, Übertritten von einer Domäne in eine andere. In dieses jetzt etwas erregte System lässt sich nun ein neuer Leitgedanke einbringen, je deutlicher formuliert er ist, desto eher werden ganze Bezirke die Ausrichtung ändern. Naheliegend muss man sich dabei konzentrieren, zunächst die Belegschaft abzuholen, die dem neuen Gedanken zugeneigt ist. Dann aber die Energie gezielt in die abweichenden Domänen stecken.
Parallelen zu den Magneten bestehen auch hinsichtlich der Größe der Domänen. Bis auf Ausnahmen kann man davon ausgehen, dass Meinungen nicht nur von einer Einzelperson, sondern von mehr oder weniger umfangreichen Gruppen vertreten werden. Die Mitglieder solch einer Gruppe haben meist einen Meinungsbildner, dessen Beeinflussung den größten Effekt hat. Die praktische Schwierigkeit liegt darin, diese Schlüsselfigur zu identifizieren.

Unternehmenskultur, Strategie, Umgangston und vieles mehr sind Beispiele für solche Bezirke ähnlicher Grundeinstellung. Und aus einer Steuerung im Sinne der Magnetisierung ergibt sich ein bestmögliches Vorgehen, wenn man in diesen Themen Veränderungen herbeiführen möchte.

Schließlich noch ein Wort zur Entmagnetisierung. In der technischen Welt kann man das äußere Feld drehen, dabei noch mechanisch einwirken und die gebildeten Domänen damit mehr oder weniger zerrütten. Das geht leider auch in Unternehmen. Durch ungeschicktes Vorgehen kann man die Gemeinsamkeiten von Gruppen kaputtmachen, die Bezirke also verkleinern bis man nur noch eine Sammlung von Personen ohne jeglichen Konsens hat. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich die niedrige Arbeitseffizienz in solch zerstrittenen Strukturen vorzustellen, das sollte kein Zielbild sein.

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