In Empfehlungen für die Jobqualifikation kann man nachlesen, dass Unternehmen an stressresistenten Mitarbeitern interessiert sind. Das hört sich gut an und erinnert mich an die Gartenarbeit, bei der man sich zum Beispiel über Rosen freut, die nicht so leicht Mehltau bekommen. Dafür haben sich dann Züchter Gedanken gemacht und herumprobiert, um eine entsprechende Sorte in den Handel zu bringen. Ich bin also auch so eine Art Rosensorte, auf meinem Verkaufsschild prangt ein grünes Yogafigürchen „stressresistente Sorte“. Damit bin ich das Premiumprodukt, von führenden Personalanbietern empfohlen.
Ja, wir entwickeln die Arbeitnehmer weiter, die Bezahlung ist gut und wird immer weiter gesteigert. Dem muss eine entsprechende Leistung zu Grunde liegen, und die lässt sich nicht immer weiter steigern. Was für ein cleverer Gedanke, stattdessen den Druck zu erhöhen und zu verlangen, dass man diesen ohne Murren erträgt.
Stressresistenz also weniger als persönliches Merkmal als viel mehr als Anforderung, mehr oder weniger dauerhafte Überlastung als Teil des Arbeitsverhältnisses zu sehen. Wer mitmachen (kann), der passt in das Beuteschema, alle anderen sind B-Ware.
Man erkennt, dass man auf zwei Arten mit der überhohen Arbeitslast umgehen kann. Entweder verringert man diese Belastung, das ist prinzipiell auf der Arbeitgeberseite zu sehen. Oder man verlangt eine erhöhte Toleranz gegenüber der Überforderung, was auf der Arbeitnehmerseite liegt.
Erschreckend sind da nicht nur diese unverhohlen geäußerten Erwartungen, sondern der Antritt, unsere Übertaktung billigend in Kauf zu nehmen. Und dabei möglicherweise auf andere Qualitäten zu verzichten, weil sie nicht zu diesem Leistungsanspruch passen. Um im Pflanzenbild zu bleiben ist es dann wichtiger, dass die Rose mehltauresistent ist, als dass sie lieblich duftet.
[Andere Blogs: Dienstliche Glossen, Feingeistiges]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen