Mittwoch, 25. Mai 2022

Bestellhotline Pizzeria da Luigi

HERZLICH WILLKOMMEN bei der Pizzeria da Luigi. Kennen Sie schon unseren Internetauftritt? Dort können Sie sich über unser Produktportfolio, Datenschutz und Hygienemaßnahmen informieren, einen Tisch reservieren oder eine Bestellung aufgeben. Gerne sind wir zu unseren Öffnungszeiten persönlich für Sie da… blablabla… unsere Mitarbeiter alle in der Küche oder im Service, der nächste freie… blablabla… Leider kommt es aufgrund hoher Gästezahlen zu erhöhten Wartezeiten. Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld - Ihre voraussichtliche Wartezeit beträgt 10 Minuten… düdeldü-klimperdieklimper… Kennen Sie schon unseren Internetauftritt? Dort… blablabla… düdeldü-klimperdieklimper…


Haben Sie das schon mal erlebt? Ich nicht. Luigi geht prompt ans Telefon, im Hintergrund höre ich zwar, dass der Laden voll ist, aber er hört sich sofort meine Wünsche an, gibt sie in die Küche oder schreibt meine Reservierung ins Buch. Kein Telefoncomputer, bei dem ich mir zig Optionen merken muss, um dann am Ende doch auf den Onlinebereich verwiesen zu werden. Kein Weiterverbinden, keine Wartemusik, keine Belehrung. Einfach nur Entgegennahme meines Anliegens.

Was ist daran so schwierig? Da steckt ja auch keine unendliche Mannschaft dahinter, kein bürokratischer Wasserkopf, keine bedauernswert dämliche Künstliche Intelligenz. Dem Geschäftszweit angemessene Besetzung, wer gerade in der Nähe des Telefons ist übernimmt den Hörer und ist in den typischen Business Cases routiniert. Wenn ich meinem Italiener etwas von Customer Experience erzähle, dann glänzen seine Augen, er schwärmt von Bella Italia und dem traditionsreichen Pizzarezept. Intrinsische Begeisterung, authentische Freude am Produkt namens Gastfreundschaft.

Da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Denn dieses Kundenerlebnis kann man nur sehr eingeschränkt in Euro messen. Was Controller traditionell etwas irritiert und zur Vernachlässigung dieses doch aus der Gastronomie wohlbekannten Assets führt. Viele Menschen genießen die erkaufte temporäre Dolce Vita, den Grappa aufs Haus und den Handschlag vom Chef persönlich. Und tatsächlich gibt es gar keinen Grund, warum ich nicht auch bei den Telefonhotlines dieser Welt ähnlich entgegenkommend und zügig bedient werden könnte. Da rackern sich die Marketingstrategen ab, um das Unternehmen oder seine Produkte positiv darzustellen, und dann verspielen die Ansprechpartner am Telefon dieses mühsam erarbeitete Gut.

Auf geht’s also, mach mir den Luigi. Einmal Kreditantrag zum Mitnehmen bitte, aber ohne Käse und das Dressing extra.

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Dienstag, 17. Mai 2022

Zu perfekt optimiert


Seit die bekannte Pandemie ausgebrochen ist, arbeite ich in einem Arbeitszimmer im eigenen Haus. Das ist sehr komfortabel, herrlich ungestört und durch gute technische Ausstattung eine liebgewonnen Alternative zur Fahrt und der Arbeit in der Firma.
Morgens kurz nach Klingeln des Weckers ein paar Schritte über den Flur, PC schon mal einschalten und anmelden. Ein paar Schritte ins Bad, morgendlicher Start mit Dusche. Eine Treppe runter gibt es Frühstück und dann gleich wieder hoch an den Schreibtisch. Bis Mittag keine Bewegung, da ich mir meinen Kaffee mit an den Computer genommen habe. Meine Frau bringt mir das Mittagessen, am Nachmittag dann doch noch mal die Treppe runter und ein paar Kekse, Treppe hoch auf dem Schreibtischstuhl bis zum Abendessen. Nachrichten schauen und ins Bett.
Das ist doch der perfekte Tag. Alle Abläufe sind optimiert, ich muss mich praktisch gar nicht mehr bewegen, mein Leben spielt sich im Dreieck zwischen Bett, Schreibtisch und Küchentisch ab. Und da wundere ich mich nach ein paar Monaten, dass mir der Weg die Treppe hoch schwer fällt. Dass ich samstags schon vom Rasenmähen müde werde. Und der Sonntagsspaziergang fast eine körperliche Herausforderung darstellt.

Erkenntnis: Ruhig mal die Treppe runter, Sprudelwasser aus dem Keller holen. Den Kaffee frisch aufgießen, das Mittagessen selbst bereiten und so weiter. Bewegung nicht wegoptimieren, sondern als Unterbrechung des Alltags und ganz kleinen Fitness-Aspekt verstehen. Unter dem Gesichtspunkt genieße ich es, den Vorrat aus dem Keller aufzufüllen, nehme ich fröhlich zur Kenntnis, dass ich in Gedanken verloren die Cola im Kühlschrank vergessen habe und noch mal durchs Haus laufen muss.

Die vermeintliche Optimierung war zwar im Sinne der Wege, der Arbeit und der Effizienz durchaus ein guter Ansatz. Doch gesamtheitlich betrachtet fehlten andere wichtige Elemente.

Vielleicht noch ein Beispiel. Wenn man im Unternehmen Abläufe möglichst glatt und systemgestützt eingerichtet hat, dann bekommen die Berater strahlende Augen. Kehrseite der Medaille ist, dass die beteiligten Mitarbeiter nicht mehr so viel miteinander zusammenarbeiten müssen. Der Austausch geht zurück und in Fällen, die durch den Standard nicht abgebildet werden, fehlt dann der etablierte persönliche Kontakt. Auch in diesem Fall ist eine gewisse Differenz zwischen straight-through-processing und kommunikativem Alltag eher gut als schlecht.

Mittwoch, 11. Mai 2022

Wir steuern und steuern und steuern – nur wonach eigentlich?

Im Auto sitze ich am Steuer. Das Lenkrad fest in der Hand sorge ich dafür, dass das Auto samt Inhalt wohlbehalten am Ziel ankommt. Bei genauerer Betrachtung habe ich zum einen die Aufgabe, das Auto auf der Straße zu halten, also unfallfrei zu fahren. Zum anderen habe ich aber auch ein bestimmtes Ziel vor Augen, zu dem ich das Fahrzeug lenken möchte.

Das sind zwei unterschiedliche Ansprüche. Ohne Kollision unterwegs zu sein kann je nach Verkehrslage, Geschwindigkeit und Fahrbahn eine schwierige Aufgabe sein. Die Bewältigung lerne ich zumindest grundsätzlich in der Fahrschule, in modernen Autos werde ich von allerlei Assistenzsystemen wie ESP unterstützt. Zur Steuerung schaue ich durch die Scheiben nach draußen und vergleiche die tatsächliche Bewegung und Umgebung (z. B. Kurve) mit dem Kurs des Autos, was ich durch Lenkbewegungen in Einklang zu bringen versuche.
Den optimalen Weg einzuschlagen ist eine andere Sache. Hier helfen Karten, Verkehrsschilder, ein ortskundiger Beifahrer, meine eigene Erfahrung oder heutzutage ein Navigationsgerät. Wer oder was auch immer die Anweisungen zum Abbiegen oder Beibehalten der Richtung macht, hier wird die Route allein durch die zur Verfügung stehenden Straßen und das angepeilte Ziel vorgegeben. Es geht nicht um Unfallfreiheit, sondern um optimales Erreichen des Zieles.

Ein wenig abstrakt formuliert, handelt es sich also um die operative Umsetzung einer Zielplanung. Im Beruf geht es also zunächst darum, das Geschäft behutsam zu steuern, um die Tagesarbeit ohne eklatante Fehler zu erledigen. Organisationen müssen strukturiert, Aufgaben definiert und abgegrenzt und Schnittstellen festgelegt werden. Wir sind mitten im Wirkungskreis der Betriebswirte und Controller.

Übergreifend und als Grundausrichtung ist das generelle Ziel von Interesse. Welche Geschäftszweige sollten ausgebaut oder ergänzt, welche sukzessive reduziert werden. Das sind Fragen, die Berater beantworten können, die im übertragenen Sinne die Straßen kennen und Empfehlungen für die richtige Route geben.

Doch in beiden Fällen stellt sich die Frage, wonach man im Idealfall steuert. Dafür werden Kennzahlen erhoben, miteinander verbunden und Zeitverläufe analysiert. Und an genau dieser Stelle holt einen die Vielfalt ein. Es gibt keine grundsätzlich richtige Antwort, ob man Entscheidungen nach Deckungsbeitrag, Börsenkurs, Mitarbeiterzufriedenheit, Marktanteil oder sonstigen Messzahlen wie Risikoaffinität trifft. Leider wird oft unterschätzt, dass allein schon diese Auswahl entscheidend die Unternehmens-Philosophie beeinflusst und umgekehrt. Hinzu kommt, dass dieses (ich nenne es mal) Steuerungs-Profil auch den Mitarbeitern, Anteilseignern und Kunden vermittelt werden muss.

Ein Beispiel aus dem Alltag soll dies verdeutlichen. Wir haben vor einigen Monaten bei einem (Corona-) Inzidenzwert oberhalb von 35 strenge Maßnahmen auferlegt bekommen. Heute, bei Werten von mehreren hundert Infektionen pro Hunderttausend Personen, wird selbst das Tragen von Masken nur noch als Empfehlung formuliert. Was ist passiert? Die Auswahl der zu beachtenden Regeln wird gar nicht (mehr) über den bekannten Inzidenzwert gesteuert, sondern leitet sich aus anderen Faktoren, zum Beispiel der Hospitalisierung, ab. Da dies nicht deutlich genug formuliert wird, sind viele Bürger verunsichert oder wundern sich. Protest bleibt zwar aus, weil das Leben dadurch erleichtert wird, aber insgeheim sinkt das Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der politischen Vorgaben. Woraus wir für Unternehmensführung lernen sollten, um nicht nur eine mehr oder weniger erfolgreiche Richtung einzuschlagen, sondern alle Beteiligten auf dem Kurs auch mitzunehmen.

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Mittwoch, 4. Mai 2022

Macht und Führung. Zwang und Folge.

Früher war meine Welt einfach. Männer hatten Probleme mit ausfallenden Haaren, Frauen mit ihrem Wunschgewicht. Für beide Felder gibt es kein zuverlässiges Mittel und entsprechend entsteht ein unübersehbarer Markt an Wundermitteln, Versprechen und guten Ratschlägen.

Doch heute weiß ich, dass auch Führung so ein Thema ist. Die Bretter der Bücherschränke biegen sich unter der Last der Ratgeber, danach zu urteilen müssten wir ein Volk von professionellen Führungskräften sein. Doch weit gefehlt. Es wird zwar geführt, was das Zeug hält, aber eben nur dieses.

Woran liegt das? Nicht wenige Menschen assoziieren Führung mit Macht; Wer eine Führungsposition innehat, der hat Einfluss auf Mitmenschen, der kann deren Handlungen bestimmen. Und das reizt zahlreiche Zeitgenossen. Wobei sie allerdings oft übersehen, dass es Führung auch als Tu-Wort gibt (führen), Macht jedoch nicht. Vielmehr kann man zwar Macht haben, man muss sie aber nicht ausüben. Tut man dies, so kommt man unweigerlich zu Dominanz oder gar Zwang. Sehr bildlich hat das Antoine de Saint-Exupery formuliert:

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Das bedeutet Dominanz durch inneres Abholen und geistiges Mitnehmen zu ersetzen.


Wir waren zu nachtschlafender Zeit aufgebrochen, kräftiges Schuhwerk, einen Rucksack mit Essen, Trinken, einem Schlafsack und Zelt. Links und rechts Wanderstöcke, eine kleine Gruppe waren wir, die zur Berghütte kraxeln wollten. Gestern Abend hatten wir noch mal in die Karten geschaut, den Wetterbericht studiert und das Gepäck kontrolliert. Jetzt also hier, vor uns Toni (er hieß wirklich so), gegerbte Haut, stramme Waden, strubbelige Haare und Sonnenbrille: Unser Bergführer. Er nahm jeden von uns ins Visier, langjährige Erfahrung mit Flachlandtirolern. „Pack ma’s“ und los ging es, durch Wiesen und zunächst noch gut ausgeschilderten Wanderwegen folgend. Am Ende des Tales wurde der Weg schmaler, wir stiegen unaufhörlich weiter auf, durch die scharfen Biegungen des Pfades geriet die angepeilte Berghütte immer wieder aus dem Blick. Das scherte Toni nicht, er war den Weg vermutlich schon viele Male mit den unterschiedlichsten Menschen gegangen, trottete geradezu entspannt vor uns her und plapperte munter mit einem älteren Feriengast.

Kurz nach Mittag, wir hatten in einer Schutzhütte Rast gemacht und waren nun wieder auf dem Weg, zog sich der Himmel schlagartig zu. Toni schaute kurz nach oben, nichts deutete darauf hin, dass ihn der Wetterumschwung beunruhigte. „Na, des hamma stets inna Alm“ und weiter ging es. Ich fand die dunklen Wolken schon ein wenig beängstigend, aber Toni strahlte Vertrauen aus und wir trotteten unbeirrt hinter ihm her. Es war bei aller Lässigkeit auch keine Leichtsinnigkeit, wir passierten die nächste Hütte ohne Halt zu machen, obwohl schon ein paar Tropfen herunterkamen. Ein wenig Eile sei geboten, aber kein Grund zur Sorge, noch vor Abend würden wir die Bergstation erreichen und dort dann die langsam ersehnte Pause einlegen. Das war dann auch so.

Toni also als Prototyp des Führers. Jemand, der den Weg kennt, das Ziel vor Augen hat und die Gruppe mitnimmt. Er zwingt sie nicht, sie folgt ihm freiwillig in der Erkenntnis, dass eben dieses Folgen das Beste für sie ist. Dabei kümmert sich Toni nicht nur um die richtige Richtung, mit seiner Risikoeinschätzung sorgt er auch dafür, dass nur relevante Probleme unsere Wanderung und die Tagesplanung beeinflussen. Kleine Störungen wie ein paar Regentropfen ignoriert er.

Und an welcher Stelle hatte er Macht? Im Grunde genommen die ganze Zeit, er hätte die Gruppe auch ins Unheil führen können, dramatisch formuliert lag unser aller Leben in seiner Hand. Im Sinne potentiellen Missbrauchs seines Wissens wäre also leicht eine Ver-Führung möglich gewesen. So eng liegen auch bei Führung Gebrauch und Missbrauch beieinander.

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