Seit die bekannte Pandemie ausgebrochen ist, arbeite ich in einem Arbeitszimmer im eigenen Haus. Das ist sehr komfortabel, herrlich ungestört und durch gute technische Ausstattung eine liebgewonnen Alternative zur Fahrt und der Arbeit in der Firma.
Morgens kurz nach Klingeln des Weckers ein paar Schritte über den Flur, PC schon mal einschalten und anmelden. Ein paar Schritte ins Bad, morgendlicher Start mit Dusche. Eine Treppe runter gibt es Frühstück und dann gleich wieder hoch an den Schreibtisch. Bis Mittag keine Bewegung, da ich mir meinen Kaffee mit an den Computer genommen habe. Meine Frau bringt mir das Mittagessen, am Nachmittag dann doch noch mal die Treppe runter und ein paar Kekse, Treppe hoch auf dem Schreibtischstuhl bis zum Abendessen. Nachrichten schauen und ins Bett.
Das ist doch der perfekte Tag. Alle Abläufe sind optimiert, ich muss mich praktisch gar nicht mehr bewegen, mein Leben spielt sich im Dreieck zwischen Bett, Schreibtisch und Küchentisch ab. Und da wundere ich mich nach ein paar Monaten, dass mir der Weg die Treppe hoch schwer fällt. Dass ich samstags schon vom Rasenmähen müde werde. Und der Sonntagsspaziergang fast eine körperliche Herausforderung darstellt.
Erkenntnis: Ruhig mal die Treppe runter, Sprudelwasser aus dem Keller holen. Den Kaffee frisch aufgießen, das Mittagessen selbst bereiten und so weiter. Bewegung nicht wegoptimieren, sondern als Unterbrechung des Alltags und ganz kleinen Fitness-Aspekt verstehen. Unter dem Gesichtspunkt genieße ich es, den Vorrat aus dem Keller aufzufüllen, nehme ich fröhlich zur Kenntnis, dass ich in Gedanken verloren die Cola im Kühlschrank vergessen habe und noch mal durchs Haus laufen muss.
Die vermeintliche Optimierung war zwar im Sinne der Wege, der Arbeit und der Effizienz durchaus ein guter Ansatz. Doch gesamtheitlich betrachtet fehlten andere wichtige Elemente.
Vielleicht noch ein Beispiel. Wenn man im Unternehmen Abläufe möglichst glatt und systemgestützt eingerichtet hat, dann bekommen die Berater strahlende Augen. Kehrseite der Medaille ist, dass die beteiligten Mitarbeiter nicht mehr so viel miteinander zusammenarbeiten müssen. Der Austausch geht zurück und in Fällen, die durch den Standard nicht abgebildet werden, fehlt dann der etablierte persönliche Kontakt. Auch in diesem Fall ist eine gewisse Differenz zwischen straight-through-processing und kommunikativem Alltag eher gut als schlecht.
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