Mittwoch, 29. Juni 2022

Tanz Dein Unternehmen

Als ich vor ein paar Tagen bei den Pokalen aufgeräumt habe, dachte ich mal wieder an meine Tanzturniere. Beim klassischen Paartanz ist es ja so, dass per Definitionem der Herr die Führung hat. Er wählt während des Tanzes aus einem gemeinsam bekannten Repertoire die geeigneten Figuren aus und bestimmt die Richtung. Doch halt, weder das eine noch das andere tut er im Alleingang. Denn natürlich sieht er nur nach vorne, den Rückspiegel muss seine Partnerin für ihn ersetzen. Und das tut sie, indem sie kaum merklich Rückmeldung gibt, ob Platz ist, die Drehung überhaupt so weit ausgeführt werden kann wie vom Partner vorgesehen oder sogar eine ganz andere Figur erforderlich ist.

Wie im richtigen Leben kann sich der Herr über die Impulse der Dame hinwegsetzen, einfach seine Planung durchziehen und zum Beispiel eine Kollision mit einem anderen Paar riskieren. Im Ergebnis ist das allerdings schlechter als bei einem wohlabgestimmten Zweierteam.

Genauso ungünstig ist es natürlich, wenn die Dame die Führungsansätze des Herren nicht aufnimmt und sich nicht oder nur mit Gewalt führen lässt.

Es geht – wichtig zu verstehen und für manche Außenstehende unbegreiflich – nicht um hierarchische Bevormundung oder das Ausüben von Macht. Sondern um einen dynamischen Wechsel von Führung und geführt-werden. Und je sensibler beide Seiten für die kleinen und klitzekleinen Gewichtsverlagerungen und Impulse sind, desto harmonischer und für den Zuschauer geradezu schwebend wirkt die Performance.
Eines der Ziele beim Turniertanz ist also dieses Wechselspiel, das Souveränität vermittelt und beiden Partnern Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Denn auch bezüglich des Außenbildes ist festgelegt, dass die Dame das Bild und der Herr der Rahmen sein sollen. Was jedoch keine Wertung darstellt, sondern eher die Rolle charakterisiert, die die beiden Personen im Idealfall ausfüllen.

Im Berufsleben ist der Vorgesetzte (m/w/d) analog zum Herrn beim Turniertanz zu sehen und die Mitarbeiter sind die Damen. Zwar ist grundsätzlich definiert, wer vorgesetzt und wer untergeben ist. Aber das Wechselspiel der Führung und das sorgfältige Eingehen auf die möglicherweise kaum erkennbaren Hinweise der Mannschaft machen die wirklich erfolgreichen Teams aus.

Mittwoch, 15. Juni 2022

Empathie - der Wert von Kontrollfragen

Mir hat mal jemand erklärt, ich solle KLV-Folien entwerfen. Wobei KLV für Kinder-Laien-Vorstände steht. Ein schönes Bild, wie ich finde. Bei der Konzeption habe ich vor Augen, dass diese Zielgruppen etwas mit meiner Präsentation anfangen können.

Um den Gedanken exemplarisch weiterzuführen hier ein paar Kontrollfragen

  • Habe ich meine Sprache und Ausdrücke so gewählt, dass Kinder sie verständen?
  • Ist der Sachverhalt auch für Fachfremde (also in diesem Themenfeld Laien) nachvollziehbar?
  • Komme ich ohne Umschweifen auf den Punkt und schone die Zeit eines vielbeschäftigten Vorstandes?
  • Würde ich so auch mit einem geschätzten Menschen sprechen?
  • Würde ich so auch mit einem Vorgesetzten sprechen?
  • Kommt mein Mut nur aus der Deckung der Anonymität?
  • Wie würde mein Mann/Frau/Partner das beurteilen?
  • Würde ich auch so wild hupen, wenn aus dem Auto vor mir ein Schlägertyp ausstiege?
  • Wäre meine Kritik so hart, wenn ich in mein Gegenüber frisch verliebt wäre?
  • Belästige ich nur die nötigsten Mitmenschen mit meinem Anliegen?
  • Wie würde ich mich fühlen, wenn ich diese E-Mail empfinge?
  • Lasse ich gerade meine (schlechte) Laune an einem Kollegen aus?
  • Hätte ich diese Kleidung auch zu meinem ersten Rendezvous an?

Diese Fragen sind natürlich ein Mittel der Empathie. Diese schöne Eigenschaft ist manchen Menschen von Natur aus mitgegeben, andere müssen sie ein wenig künstlich erzeugen. Und genau dabei können aktiv gestellte Kontrollfragen eine große Hilfe sein. Sehr sinnvoll sind Listen, die man sich für die verschiedenen Szenarien der Interaktion (Telefon, E-Mail, Präsentation etc.) zusammenstellt und bei der Vorbereitung durchgeht.

[Andere Blogs: Dienstliche GlossenFeingeistiges]

Dienstag, 7. Juni 2022

Ich springe mal woanders ab

Wer immer an derselben Stelle abspringt, landet auch immer an derselben Stelle.

Ein wunderbares Bild, ich male mir aus, wie ich auf der Aschebahn beschleunige und genau an der markierten Stelle meinen Schwung in einen Weitsprung ins Sandbett verwandle. Natürlich am einen Tag etwas weiter, am anderen etwas kürzer. Aber im Wesentlichen immer ähnlich. Kenne ich den Sandkasten in- und auswendig, dann hat dieser Sprung etwas von Routine, ja, die kann man trainieren und damit ein wenig größere Distanz überwinden. Überraschungen gibt es aber nicht.

Anders sieht es aus, wenn ich mal von einer anderen Stelle abspringe. Plötzlich lande ich im Sandkasten auch an einer neuen Zielstelle, da ist der Sand noch unberührt.

Ich halte es für einen äußerst spannenden Ansatz, auch seinen Lebensalltag so zu gestalten. Jeder will etwas erleben, will Abwechslung in sein Leben bringen. Lebt aber immer gleich, reagiert gleich, trifft immer prinzipiell gleiche Entscheidungen. Da kann ja keine wesentliche Veränderung herauskommen.

Mal ein Beispiel: Traditionell rufe ich wütend den Absender einer E-Mail an, die mich verärgert hat. Ein Wort gibt das andere, meine Meinung bin ich zwar losgeworden, aber die Nachwirkungen in Form gegenseitiger Beleidigung sind langanhaltend. Und jetzt mal anders. Ich nehme den Telefonhörer zunächst gar nicht in die Hand, lasse die Nachricht auf mich wirken und frage mich, wie ich humorvoll darauf reagieren könnte. Und dann rufe ich an, strahle meinen Gesprächspartner durch das Telefon an und verblüffe ihn, indem ich statt Schimpfkanonen ein paar freundliche Worte finde. Nicht einfach, aber der Effekt ist unbeschreiblich positiv.

Das ist übrigens nicht nur Theorie. Mein Schlüsselerlebnis war die Begegnung mit einer temperamentvollen Mitbewohnerin, es ging um irgendein Thema, vermutlich wegen der Wohnungsreinigung. Wütend und lautstark steigerten wir uns gegenseitig in eine wilde Auseinandersetzung, keiften uns an und verschwanden schließlich wutschnaubend in unseren Zimmern. Und dann der Tag, an dem ich dieses wildgewordene Wesen in den Arm nahm und sie einfach drückte und versicherte, wie schön doch die gemeinsame Zeit in der WG sei. Schluss mit der Schreierei, wir hielten uns fest, ich glaube es flossen sogar ein paar Tränchen, und wir hatten unsere emotionale Beziehung auf neue Füße gestellt. Erst durch dieses geänderte Herangehen war zu Tage gekommen, dass sie bei allem Gezeter eigentlich meine Anerkennung und meine Freundschaft einklagen wollte.

Mut also, mal eine ganz andere Reaktion auszuprobieren. Fast möchte ich sagen, dass man gar nicht verlieren kann. Schlimmstenfalls hat man etwas über sich und den Anderen erfahren und gelernt, dass dieser Absprung noch nicht von der optimalen Stelle erfolgt ist. Was nicht schlimm ist, weil man ja hoffentlich noch eine Zeit lebt und einen anderen Sprung probieren kann.

[Andere Blogs: Dienstliche GlossenFeingeistiges]

Mittwoch, 1. Juni 2022

Wer sagt denn, dass du mich verstehen sollst?

„Hej, das ist echt mega“, höre ich gerade und übersetze für mich, dass dieser Teenager von einer Sache ausgesprochen angetan ist. Begeistert ist. Sie toll findet, mega eben. Was ich soweit noch in meinen Wortschatz überführt bekomme. Auch der Transfer von Alter zu mein Freund lässt sich noch hinbekommen, aber wenn ich von Jugendlichen umgeben bin, fällt es mir zunehmend schwer, mich in deren Sprache zu orientieren. Und auf einmal wird mir klar, dass sie eine Fremdsprache sprechen. Jugendsprache halt. Und das ist nicht Zufall, sondern Absicht.

So wenig wie sie sich bei ihren Freunden und Aktivitäten in die Karten schauen lassen, so wenig möchten sie von Erwachsenen verstanden werden. Was ja sowieso nicht geht, weil Erwachsene ihre Probleme ohnehin nicht verstehen. Und die Evolution, die Emanzipation und heimlich geplante Revolution gar nicht mitmachen könnten. So bildet sich mit jeder neuen Generation eine neue Ausprägung der Sprache, Abgrenzung gegen alle benachbarten Generationen und ein Siegel für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe.

Eindringlinge werden abgewiesen, wer sich anbiedert oder gar erdreistet, diese Sprache nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache zu adaptieren, wird als voll peinlich beurteilt. Vokabeln, Redewendungen und Ausdrücke sind Teil einer Kultur, die in ständiger Bewegung ist. Wer heute noch mitten in der Pubertät steckt, ist morgen schon Establishment (wie es zu meiner Zeit hieß).

Und so merke ich mir an dieser Stelle (aber auch für andere Zusammenhänge): Manchmal sollte ich eine Fremdsprache nur verstehen. Mitzureden ist mir versagt, sofern ich nicht zu der jeweiligen Gemeinschaft gehöre. Schlaue Sprüche über Portfolio Risk Ratio oder Asset Allocation sind Investoren vorbehalten und wer für Cloud und Artificial Intelligence schwärmen möchte, der sollte in der IT zu Hause sein. Steigerungsmöglichkeiten in der Abstraktion sind die Vermischung mit anderen Kultursprachen (modern: englisch, klassisch: lateinisch) und Kür, wenn man seine Fachausdrücke auch noch abkürzt – die Mediziner machen uns vor, wie man sprachliche Abgrenzung perfektioniert.

Kurzum: Jedem sein Jägerlatein. Und von der Beherrschung der zum Teil abenteuerlichen Vokabeln bis zum tatsächlichen Verständnis der Sache oder gar Mitgliedschaft bei den Jagdpächtern ist es meist ein weiter Weg.

[Andere Blogs: Dienstliche GlossenFeingeistiges]