Mittwoch, 1. Juni 2022

Wer sagt denn, dass du mich verstehen sollst?

„Hej, das ist echt mega“, höre ich gerade und übersetze für mich, dass dieser Teenager von einer Sache ausgesprochen angetan ist. Begeistert ist. Sie toll findet, mega eben. Was ich soweit noch in meinen Wortschatz überführt bekomme. Auch der Transfer von Alter zu mein Freund lässt sich noch hinbekommen, aber wenn ich von Jugendlichen umgeben bin, fällt es mir zunehmend schwer, mich in deren Sprache zu orientieren. Und auf einmal wird mir klar, dass sie eine Fremdsprache sprechen. Jugendsprache halt. Und das ist nicht Zufall, sondern Absicht.

So wenig wie sie sich bei ihren Freunden und Aktivitäten in die Karten schauen lassen, so wenig möchten sie von Erwachsenen verstanden werden. Was ja sowieso nicht geht, weil Erwachsene ihre Probleme ohnehin nicht verstehen. Und die Evolution, die Emanzipation und heimlich geplante Revolution gar nicht mitmachen könnten. So bildet sich mit jeder neuen Generation eine neue Ausprägung der Sprache, Abgrenzung gegen alle benachbarten Generationen und ein Siegel für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe.

Eindringlinge werden abgewiesen, wer sich anbiedert oder gar erdreistet, diese Sprache nicht als Muttersprache, sondern als Fremdsprache zu adaptieren, wird als voll peinlich beurteilt. Vokabeln, Redewendungen und Ausdrücke sind Teil einer Kultur, die in ständiger Bewegung ist. Wer heute noch mitten in der Pubertät steckt, ist morgen schon Establishment (wie es zu meiner Zeit hieß).

Und so merke ich mir an dieser Stelle (aber auch für andere Zusammenhänge): Manchmal sollte ich eine Fremdsprache nur verstehen. Mitzureden ist mir versagt, sofern ich nicht zu der jeweiligen Gemeinschaft gehöre. Schlaue Sprüche über Portfolio Risk Ratio oder Asset Allocation sind Investoren vorbehalten und wer für Cloud und Artificial Intelligence schwärmen möchte, der sollte in der IT zu Hause sein. Steigerungsmöglichkeiten in der Abstraktion sind die Vermischung mit anderen Kultursprachen (modern: englisch, klassisch: lateinisch) und Kür, wenn man seine Fachausdrücke auch noch abkürzt – die Mediziner machen uns vor, wie man sprachliche Abgrenzung perfektioniert.

Kurzum: Jedem sein Jägerlatein. Und von der Beherrschung der zum Teil abenteuerlichen Vokabeln bis zum tatsächlichen Verständnis der Sache oder gar Mitgliedschaft bei den Jagdpächtern ist es meist ein weiter Weg.

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