Als ich vor ein paar Tagen bei den Pokalen aufgeräumt habe, dachte ich mal wieder an meine Tanzturniere. Beim klassischen Paartanz ist es ja so, dass per Definitionem der Herr die Führung hat. Er wählt während des Tanzes aus einem gemeinsam bekannten Repertoire die geeigneten Figuren aus und bestimmt die Richtung. Doch halt, weder das eine noch das andere tut er im Alleingang. Denn natürlich sieht er nur nach vorne, den Rückspiegel muss seine Partnerin für ihn ersetzen. Und das tut sie, indem sie kaum merklich Rückmeldung gibt, ob Platz ist, die Drehung überhaupt so weit ausgeführt werden kann wie vom Partner vorgesehen oder sogar eine ganz andere Figur erforderlich ist.
Wie im richtigen Leben kann sich der Herr über die Impulse der Dame hinwegsetzen, einfach seine Planung durchziehen und zum Beispiel eine Kollision mit einem anderen Paar riskieren. Im Ergebnis ist das allerdings schlechter als bei einem wohlabgestimmten Zweierteam.
Genauso ungünstig ist es natürlich, wenn die Dame die Führungsansätze des Herren nicht aufnimmt und sich nicht oder nur mit Gewalt führen lässt.
Es geht – wichtig zu verstehen und für manche Außenstehende unbegreiflich – nicht um hierarchische Bevormundung oder das Ausüben von Macht. Sondern um einen dynamischen Wechsel von Führung und geführt-werden. Und je sensibler beide Seiten für die kleinen und klitzekleinen Gewichtsverlagerungen und Impulse sind, desto harmonischer und für den Zuschauer geradezu schwebend wirkt die Performance.Eines der Ziele beim Turniertanz ist also dieses Wechselspiel, das Souveränität vermittelt und beiden Partnern Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Denn auch bezüglich des Außenbildes ist festgelegt, dass die Dame das Bild und der Herr der Rahmen sein sollen. Was jedoch keine Wertung darstellt, sondern eher die Rolle charakterisiert, die die beiden Personen im Idealfall ausfüllen.
Im Berufsleben ist der Vorgesetzte (m/w/d) analog zum Herrn beim Turniertanz zu sehen und die Mitarbeiter sind die Damen. Zwar ist grundsätzlich definiert, wer vorgesetzt und wer untergeben ist. Aber das Wechselspiel der Führung und das sorgfältige Eingehen auf die möglicherweise kaum erkennbaren Hinweise der Mannschaft machen die wirklich erfolgreichen Teams aus.
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