Mittwoch, 21. Dezember 2022

Wer weiß schon, was ich wirklich wollte?

Wer weiß schon was ich wirklich wollte
Szene wie folgt: Ich bin im Restaurant, habe zwei Wein getrunken, und jetzt will ich nach Hause. Selber fahren kann ich nicht mehr, ich brauche ein Taxi. Ich gehe an die Theke und frage den Wirt nach einem Telefonbuch. Bei „T“ werde ich fündig, benötige jetzt nur noch ein Blatt Papier und einen Stift, um mir die Nummer aufzuschreiben. Gegen Rückgabe des Telefonbuches weist mir der Wirt den Weg zum Wandtelefon neben den Toilettentüren, ich krame in meiner Geldbörse nach Kleingeld und nehme den Hörer ab. Nach längerem Klingeln geht ein Mann ans Telefon, fragt wo ich bin und wohin die Fahrt gehen soll. Ich blicke über die Schulter, rufe eine Bedienung und frage nach der Adresse des Restaurants; meine eigene kenne ich ja. „Okay“, meine ich von der Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, oder war es ein „Oh, nein“? Auf Nachfrage bekomme ich die Fahrt bestätigt, irgendwann demnächst sollte ein Fahrzeug vorbeikommen – aber noch zwei Transporte davor, es kann also etwas dauern.

Szene wie folgt: Ich bin im Restaurant, habe zwei Wein getrunken, und jetzt will ich nach Hause. Selber fahren kann ich nicht mehr, irgendwie muss ich transportiert werden. Ich hole mein Handy aus der Tasche und starte die App für Heimfahrt. Schwupps zeigt es mir an, dass ich in voraussichtlich vierzehn Minuten abgeholt werde. Fertig.

„Eigentlich“ wollte ich nur zu meiner Wohnung, aber im ersten Fall musste ich eine ganze Reihe Dinge tun, die im engeren Sinne gar nichts mit der Fahrt zu tun hatten (Nach einem Telefonbuch fragen, ein Taxiunternehmen suchen, dort anrufen etc.). Und ich musste die Voraussetzungen und Abläufe kennen: Erst das Telefonbuch, dann der Zettel, dann das Telefon und so weiter. Das Ganze flankiert von kleinen Herausforderungen wie dem Herausfinden der aktuellen Adresse und dem Suchen nach Kleingeld.

So geht es uns als Kunden doch fast ständig. Wir merken schon gar nicht mehr, welchen umständlichen Prozessen wir ausgesetzt sind. Und die Anbieter sind oft weder willens noch in der Lage noch haben sie die nötige Phantasie, um diese Umwege zu erkennen.

Je komfortabler das „Kundenerlebnis“ werden soll, desto mehr Prozess-, Daten- und Produktgrenzen müssen oft überschritten werden. Erst die Verknüpfung von Ortsbestimmung (GPS-Ortung), Datenbank mit Transportdiensten in Kombination mit der Internetsuche nach Taxi, Uber und Co, Ermittlung der Heimatadresse, Abfrage der verfügbaren Fahrzeuge und Buchung der günstigsten Option bringt das perfekte Ergebnis.

Was ich dagegen oft erlebe ist eine lokale Optimierung. Entschuldigt, liebe Berater, aber die Bereitstellung eines Tabletts als Ersatz für das Telefonbuch ist zwar eine Digitalisierung, aber bestenfalls eine punktuelle Verbesserung, noch nicht mal ein Schritt in die richtige Richtung. Bei dem oben dargestellten Zielbild kann ich nämlich weder dieses Tablett noch das darauf gespeicherte Telefonbuch bei der vollständigen Digitalisierung weiterverwenden.

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