In Physik hatten wir in einer Experimentalstunde so kleine Kugeln
auf dem Tisch, die haben wir über eine schiefe Ebene rollen lassen und die Zeit
gemessen. Und in einem zweiten Experiment mussten wir die Kugeln an einem
Magneten vorbeirollen und je nach Magnetstärke den Ablenkwinkel notieren. In
beiden Fällen hatten die Bewegung und ihre Veränderung etwas mit einer äußeren
Krafteinwirkung (Erdanziehung bzw. Magnet) zu tun.
Daran dachte ich dieser Tage, als ich bei Gaby im Sportkurs war. Zum Aufwärmen hatte sie jeden von uns mit einem Gymnastikball versehen und wir sollten ihn durch den Raum rollen lassen, dabei aber jeden Zusammenprall vermeiden. Entsprechend musste man hinter dem Ball herlaufen und ihn dauernd anstoßen, in seiner Richtung beeinflussen, mal um einem entgegenkommenden Ball auszuweichen, mal um zu verhindern, dass er gegen die Wand stieß. Ein anstrengendes Unterfangen und nach wenigen Minuten waren wir außer Atem.
Heute fielen mir im Zusammenhang mit dem Muskelkater aus Gabys Kurs wieder das Aufwärmtraining und meine Assoziation zum Physikunterricht ein. Und ableitend wurde mir klar, dass ich den Ball oder seinerzeit die kleinen Stahlkugeln geführt hatte. Von alleine hatten sie sich ihren Weg gesucht, dafür hatte ich keinerlei Aufwand betreiben müssen. Im Schulunterricht hätte ich die Kugeln auf dem ebenen Labortisch rollen lassen können, bei Gaby einfach nur quer durch den Sportraum. Aber ich wollte auf die Trägheit der (geradlinig-gleichförmigen) Bewegung Einfluss nehmen, und dafür brauchte ich in beiden Fällen Kraft.
Nicht im physikalischen, aber im intellektuellen oder emotionalen Sinne finden wir dieses Trägheitsmoment der Bewegung auch in der Führung wieder. Einen Mitmenschen zu führen erfordert Kraft, unterschiedlich viel und unterschiedlich oft, aber sobald wir seinen Weg, seine Aktionen oder seine Ziele beeinflussen wollen geht dies nicht ohne Krafteinwirkung.
Wie stark die Wirkung bzw. wie gering die notwendige Kraft ist, hängt dabei zum einen vom gewünschten Kurswechsel und zum anderen von der inhärenten Trägheit (in der Physik: Masse) ab. Und spätestens an diesem Punkt wird es spannend, denn auch hier können wir bei der Physik abschauen. Ergänzen wir unsere Überlegungen nämlich noch mit der Massenanziehung, dann genügt es, ausgewählte Körper in ihrer Route zu ändern, sie ziehen andere Körper (mit geringerer Masse, das heißt geringerer Trägheit) mit in Richtung der neuen Bahn. Strategiewechsel müssen nicht jedem einzelnen Mitarbeiter nahegebracht werden, sind aber unbedingt den Leitfiguren (das sind die Drahtzieher, nicht unbedingt die hierarchischen Führungskräfte) zu vermitteln.
Anders ausgedrückt reicht es, sich auf die Rädelsführer zu konzentrieren, die sorgen für das Abholen der Mitläufer. Womit klar wird, dass es eklatant wichtig ist, diese tatsächlichen Meinungsbildner zu identifizieren und (unter „Krafteinsatz“) mitzunehmen - der Rest erledigt sich dann sozusagen von alleine.
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