Mittwoch, 19. Juli 2023

Ein Hoch auf das Großraumbüro

Beschäftigen wir uns doch heute mal mit der glorreichen Entwicklung von Großraumbüros. Nein, das sind nicht etwa diese Legebatterien, in denen Mitarbeiter auf gesetzlich geregelter Mindestfläche zusammengepfercht und zu hochwertigem Multitasking unter Berücksichtigung aller um sie herum geführten Gespräche gezwungen werden. Es sind auch nicht die Tempel der Kommunikation, in denen wir alle Hörschwellen überschreiten, abschirmende Hüllen fallen lassen und aus dem Vollen schöpfen, was der im Raum eingesperrte Schwarm an Intelligenz entwickelt. Ebenso wenig verstehe ich darunter jene Räume, in denen die gemeinschaftlich verbreiteten Gerüche, Geräusche, Gespräche mit einem Cocktail der Emotionen verrührt und bei einer demokratisch bestimmten Temperatur auf den Schreibtisch gebracht werden.

Ein Hoch auf das Großraumbüro

Es geht um Fortschritt. Ein Segen, dass die Arbeitsbedingungen des neunzehnten Jahrhunderts weit hinter uns liegen. Schritt für Schritt und sukzessive wird die Fähigkeit zum Multitasking weiter ausgebaut. Wie sonst sollte man Mitarbeiter an das New Work mit seinen Floorfluencern heranführen, aus ihnen die anvisierten Cloudworker machen? Es grenzt an Selbstlosigkeit, wieviel Geld die Unternehmen in die Hand nehmen, um Denkwände zwischen den altmodischen Büros einzureißen, immer wieder erinnert es mich an die Wiedervereinigung und an die Dankbarkeit der Neuen Bundesländer, als sie endlich auch in den Genuss des Kapitalismus mit seinen wunderbaren Seiten kamen.

Der Faden reißt – die Realität erwartet mich, denn die Innenarchitekten haben ganze Arbeit geleistet. Ist es die Haltlosigkeit der nicht vorhandenen Begrünung oder sind es die fehlenden persönlichen Accessoires, die die Großraumbüros zu Aufenthaltsräumen mit dem Charme eines Wartesaals im Provinzbahnhof machen? Und wollte nicht die allgegenwärtige Kommunikation ihren Siegeszug auch in diese Hallen bringen, die von vielen Menschen als Arbeitsräume missverstanden werden? Da heißt es aufräumen bei den angestaubten Vorstellungen, entsorgen von oldfashioned Mindsets und Einführung von Multitasking und Agilität. Sind wir nicht alle ein bisschen agil, liegt hier nicht der Schlüssel für die Tür in die Zukunft?

Arbeit wird Spiel und Spiel wird Arbeit, Startups machen es uns vor, aus der Hängematte lässt sich ein Unternehmen leichter an die Wand fahren als auf der Basis von validierten Zahlen. Spielen wir also mal Großraumbüro und zeigen der Welt, dass unsere Konzentration entgegen der Natur nicht schon bei gleichzeitiger Aufmerksamkeit auf drei Vorgänge auf infantiles Niveau absinkt. Das Mantra des Austausches und der Zusammenarbeit wie eine Monstranz vor uns her getragen, Messdiener durch Unternehmensberater ersetzt und der Baldachin über dem Controller, der seine Ländereien abschreitet und an der einen oder anderen Station innehält, um eine Rede über die Betriebswirtschaftlichkeit zu halten.

Ganz ehrfürchtig lauschen wir seinen Worten, im Herzen voller Verständnis für die globale und allgemeingültige Grundhaltung. Wir tauchen ein ins Metaverse, verorten uns in den Endlichkeiten zwischen Software und Avataren. Nur als Komponenten einer Blockchain mit Badeoption im Data Lake fühlen wir die Unwichtigkeit unserer Existenz als Human Ressource, deren Produktivhaltung nicht mehr als Arbeitsvertrag, sondern als Wartungsvertrag sichergestellt wird. Da liegt es nahe, die Supply Chain der Mitarbeiter durch Bevorratung in einer effizienten Form darzustellen, wozu energieoptimierte und möglichst kostenneutrale Ersatzteillager menschlicher Kompetenz gehören.

Deutlich erkennt man, dass die aktuellen Konzepte wie das Alternativangebot von Free Seating oder mobilem Arbeiten nur ein vorübergehender Zustand sein können. Bezahlt in diesem nur halb fortschrittlichen Modell der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz im Homeoffice selbst, so kann er in den nächsten Schritten über Human Agility zur Human Cloudability und weiter in Richtung Knowhow-on-demand weiterentwickelt werden. Gerade die Skalierbarkeit von menschlicher Denkleistung stellt die Unternehmen ja bislang vor erhebliche Herausforderungen, der man durch Container-Technologie zur Haltung von Fachexperten begegnen kann.

Und genau dafür bietet der old school Ansatz der Großraumbüros die richtige Basis. Mein Votum also eindeutig in Richtung Schreibtischhaltung bei gleichzeitiger Ausweitung des Outsourcings auch auf die bislang festangestellten Kolleginnen und Kollegen. Warum sollte man Menschen fest einstellen, wenn die angeforderte Arbeitsleistung bei Computern nach Bedarf erhöht oder verringert werden kann. Stabile Unternehmen werden sich auf Dauer nur mit Mitarbeitern halten können, die ein agiles Mindset mitbringen, ihre Arbeitsleistung on-demand erbringen und uneingeschränkt Multitasking-fähig sind.

Ein Hoch demnach auf alle Formen der Verdichtung, sei es im Bereich der Arbeits-Quantität oder der räumlichen Kompression.

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