Mittwoch, 26. Juli 2023

Das mache ich mit links

Vor ein paar Wochen habe ich mich bei der Handarbeit verletzt und musste ein paar Tage mit einem Verband herumlaufen. Nicht gerade spektakulär, aber die rechte Hand stand für die üblichen Tätigkeiten wenig bis gar nicht zur Verfügung. Die Kaffeemaschine kann ich auch mit links bedienen, auch im restlichen Alltag ist die temporäre Einschränkung zu verkraften, ja selbst auf der Tastatur kann man mit verringerter Geschwindigkeit weiterarbeiten.

Ganz anders bei der Handschrift. Den Stift in der linken Hand nehme ich Anlauf, mir in gewohnter Weise Notizen zu machen. Es geht nicht. Heraus kommt trotz viel Anstrengung ein nahezu unlesbares Gekritzel und Gekrakel. Upps, denke ich, das ist ja schon bemerkenswert. Ich weiß, was ich schreiben will, kenne die Buchstaben und die Bewegung, um diese zu Papier zu bringen und trotzdem ist die Qualität mangelhaft und es fällt mir schwer, sie innerhalb kurzer Zeit wieder zu steigern.

Das mache ich mit links
Liebe McKinseys dieser Welt, so geht es allen Mitarbeitern, wenn man bei ihnen mal so eben die gewohnten Abläufe und Prozesse verändert. Den routinierten Kollegen ist klar, wie sie ein „e“ schreiben sollen, aber in der neuen Software und eingebettet in ungewohnte Prozesse oder geänderter Software wird selbst diese bis dahin schlafwandlerisch ausgeführte Aufgabe zur Herausforderung.

Changemanagement also, bei meinem kleinen Unfall wäre das der Change von rechts zu links. Harmlos, wie es auf den ersten Blick scheint. Und dennoch ist eine ausgewachsene Schulung mit Übungsteil (Schreibtraining) notwendig, um mit einer gewissen Geduld und mit Verständnis für den zwischenzeitlichen Qualitätseinbruch vielleicht den vorher etablierten Zustand (leserliche Schrift) wieder zu erlangen.

Probieren Sie es! Schreiben Sie mal so lange mit links, bis es tatsächlich wieder aussieht wie mit rechts. Das schafft Verständnis dafür, wie mühsam die Neuausrichtung ist, dass es nicht reicht, den Change zu kommunizieren und Anweisungen zu erlassen. Es genügt auch nicht, die Mitarbeiter von der Notwendigkeit zu überzeugen und die Übergangsphase als temporären Durchhänger in der Planung zu berücksichtigen. Man muss auch verstehen, dass es Ausführende gibt, die aus welchem Grund auch immer sehr lange für die Umgewöhnung brauchen oder schlimmstenfalls überhaupt nicht damit zu Recht kommen.

In Einzelfällen geben die Ausführenden auch schlichtweg auf. „In meinem Alter lerne ich das nicht mehr.“ Als Aussage ist das nachweislich falsch oder zumindest höchst unwahrscheinlich, vielmehr handelt es sich um einen Mangel an Überzeugung zum Mitmachen. Aber wer ein neues Tool vorgehalten bekommt und höchstens eine Einweisung erfährt, ist schnell an dem Punkt, dass er mangels Motivation die Umstellung verweigert.

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