In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit. Damit ist gemeint, dass man innerhalb recht großzügiger Grenzen jede Meinung bilden, vertreten und sogar öffentlich von sich geben darf.
Leicht übersieht man dabei, dass die gebildete Meinung im Kopf entsteht. Sie ist also ein Mix aus verschiedenen Zutaten, die erst in unserem Gehirn zu so etwas wie einer Einstellung oder eben einer Meinung zusammengebaut werden. Wie funktioniert das Ganze?
Das ist der offensichtliche Anteil, aber bei Weitem nicht der alleinige Bestimmer unserer Ansicht.
Zu diesen mehr oder weniger substantiierbaren Fakten kommen noch die (äußeren) Einflüsse, die zwar erkennbar, uns aber tendenziell gar nicht bewusst sind. Ich entscheide mich für ein Produkt, weil es gute Bewertungen hat, aber auch, weil ich durch die Werbung beeinflusst wurde. Oder weil mir der Produzent in anderem Zusammenhang schon einmal untergekommen ist – der Name kommt mir einfach bekannt vor. Ohne dass es mir als Argument klar wird, scheint mir der (z. B. durch Werbung) bekannte Name sympathischer - dieser Effekt hängt mit unserer Gehirnstruktur zusammen.
Drittens gibt es die Erfahrungen, die natürlich auch einen merklichen Einfluss auf mein Ranking nehmen. Gerade mit diesem Anbieter habe ich schon im Zusammenhang mit anderen Produkten gute Erfahrungen gemacht. Die geliebte Mikrowelle der Firma xy strahlt also auch auf die Kaufentscheidung bei der Waschmaschine aus.
Und schließlich sind da die Vorurteile. Ganz verschwommen, nicht zu identifizieren und ohne konkrete Herkunft machen sie einen nicht zu unterschätzenden Anteil unserer Werteskala aus. Oft unbewusst, jedenfalls aber nicht faktisch unterlegt lässt unser Gehirn auch diesen Aspekt merklich in die Meinungsbildung einfließen. Tief verborgen befindet sich vielleicht ein Vorbehalt gegen eine Technologie, an anderer Stelle möglicherweise das Vorab-Urteil, dass z. B. Länder mit hohem Kaffeekonsum auch besonders gute Kaffeemaschinen bauen können.
Bis hierhin also die Einflussfaktoren. Aber es wird noch komplizierter, denn nun schaltet sich unser Denkapparat dazu. Er mischt mit verschiedenen Gewichtungen diese vier Aspekte zusammen. Aber anders als Stiftung Warentest verrät er uns nicht, wie er zu der endgültigen Meinung gekommen ist; Vielmehr gaukelt er uns auch noch vor, dass die Meinung objektiv auf der Grundlage von Fakten gebildet wurde.
Wie der Cocktail gemixt wird, hängt zum einen vom (nicht / kaum veränderlichen) Charakter, zum anderen aber auch von der durchaus beeinflussbaren Gewichtung ab. Es empfiehlt sich, die vier genannten Aspekte abzuklopfen, im konkreten Fall einzeln abzufragen und ihren Anteil am Ergebnis in Frage zu stellen. Ist es eher ein Bauchgefühl oder "Geschmack", sind es Erfahrungen oder tatsächlich nur die Messdaten, die mich zu meiner Einschätzung gebracht haben?
Schwieriges Terrain, denn einerseits ist unser Gehirn ein Problemlöser, also prädestiniert auf Basis von Gegebenheiten eine Entscheidung zu treffen. Andererseits kann es ohne aktive Unterstützung (Steuerung, Achtsamkeit) nicht zwischen Tatsachen und Vermutungen unterscheiden. Die von den grauen Zellen vorgeschlagene Meinung wird von diesen als „best guess“ mit Überzeugung vertreten, muss aber deshalb nicht unbedingt richtig sein. Unabdingbar also, hier die Denkleistung zu nutzen, gleichzeitig aber nachzuforschen, auf welcher Grundlage die Meinung zu Stande kam.
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