Mittwoch, 5. Juli 2023

Das kann ich mir jetzt merken

An manchen Tagen komme ich mir vor wie das klassische Bandlaufwerk eines Anrufbeantworters. Unzählige Menschen rufen mich an, schreiben mir E-Mails und Chatnachrichten, erläutern mir etwas in einer Präsentationsrunde. Alles prasselt auf mich ein, wie soll ich mir das denn alles merken?

Verlässliche Zahlen zum Anstieg der Informationsmenge gibt es nicht; Nicht belegte Daten und schwierig zu widerlegende Behauptungen werden kolportiert. Gehen wir mal von 6.000 Informationen aus, die wir täglich präsentiert bekommen. Diese müssen von unserem Gehirn gefiltert, in Zusammenhang gebracht (d. h. logisch einsortiert) und bei Bedarf weiterverarbeitet oder gespeichert werden. Eine Mammut-Aufgabe.

Das kann ich mir jetzt merken

Welche Mechanismen könnte man nutzen, um diese Flut in den Griff zu bekommen.

(1)    Man kann direkt an der Quelle ansetzen. Soweit man es beeinflussen kann, einfach mal auf Informationen verzichten. Das ausgiebige Stöbern in sozialen Netzen ist zwar gelegentlich reizvoll, die nützlichen Informationen aber meist sehr überschaubar.

(2)    Neben dem Nachfolger der Regenbogenpresse sind es auch auf den ersten Blick bildende Angebote, deren Nutzung man in Frage stellen sollte. Ich erinnere mich an Sendungen des WDR Mittagsmagazins, in denen über Stunden hinweg die Tischordnung einer Diplomatensitzung kommentiert wurde.

(3)    Ebenso kritisch sollte man mit Informationen umgehen, die bestenfalls in Spezialsituationen einen Mehrwert bieten. Sie gehören in meine Rubrik „Lexikon des unnützen Wissens“

(4)    Bei den unvermeidlich einlaufenden Informationen (z. B. im Rahmen der Arbeitstätigkeit) wird es schon schwieriger. Anders als die öffentlich verteilten Nachrichten (Broadcast) kann man aber normalerweise den Absender identifizieren. Also hier ansetzen und geduldig darauf dringen, dass nur die wirklich betroffenen Personen adressiert werden. Das ist eine Arbeit, die langen Atem erfordert, sich aber lohnt.

(5)    Was nun noch übrig bleibt wird wie beim Juristen im ersten Semester mit der Frage konfrontiert: „Bin ich zuständig“? Bei Verneinung kann man seinem Gehirn die weitere Beschäftigung ersparen.

(6)    Bleiben wir beim Juristen. Zweite Frage im ersten Semester: „Ist das zulässig?“ Wenn nicht, dann ebenfalls weg damit.

(7)    Jetzt kommen wir zum merk-würdigen Anteil. Erleichterung schafft die Einordnung in bekannte Zusammenhänge, Kombination mit Vorhandenem. Gibt es ein Bild, das den Sachverhalt darstellt, (handschriftliche) Notizen dazu, einen (elektrischen) Ordner, in dem alles zu einem Thema sammeln kann. Sehr schwieriges Feld, da man die technischen Randbedingungen beachten und die Arbeitsmethoden der Kollegen berücksichtigen muss.

Unser Gehirn kann bis zur physiologischen Grenze erhebliche Mengen an Informationen verarbeiten und speichern. Um sich vor Überlastung zu schützen ist es mit einem Filter, dem Thalamus versehen. (Technisch könnte man von Firewall sprechen.) Hier ist noch mal ein Hebel, an dem man ansetzen kann. Denn unserer Entstehungsgeschichte folgend ist dieser Filter so gebaut, dass er in erster Stufe nur überlebenswichtige Informationen durchlässt und dann (bedingt beeinflussbar) auch immer unwichtigere Daten passieren lässt. Unstrittig, dass die Duftbezeichnung eines beworbenen Deodorants nicht überlebenswichtig ist. Für den späteren Einkauf kann sie aber eine Rolle spielen. Wie beim Börsenhandel heißt es für die Information jetzt kaufen oder verkaufen, hopp oder top.

Ein spannendes Selbstexperiment besteht darin, sich bewusst mit diesem gehirntechnischen Türsteher anzufreunden. Nicht falsch verstehen, ein guter Türsteher lässt nicht jeden rein, hat aber ein geschultes Auge für die Personen, die zum Zielpublikum gehören.

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