Dienstag, 25. Mai 2021

Wetter, Klima, Menschenbilder

Über Wetter kann man sich mit jedem leicht unterhalten. Wie das Wetter heute ist, letztes Jahr um diese Zeit, morgen sein wird. Ergiebig.

Wetter ist immer eine Betrachtung über eine kurze Periode; wenn keine stabile Großwetterlage herrscht, können wir immer nur ein paar Tage in die Zukunft absehen, wie es wahrscheinlich sein wird.

Dann das Klima. Das mittelt über größere Einheiten. Jahreszeiten zum Beispiel, oder Bereiche (Klimazonen). Ob an einem Sommertag vor einigen Jahren 5 cm Niederschlag runtergekommen sind, ist nicht von Belang, vielmehr interessieren hier Mittelwerte.

Und es gibt Mikroklima. Das ist regional gemeint und umreißt das Klima an einer bestimmten Stelle oder abgrenzbaren Region. Ein sehr schönes Beispiel ist ein kleiner Abschnitt des Mainufers in Frankfurt, der von den Einheimischen wegen seiner besonderen klimatischen Bedingungen als „Nizza am Main“ bezeichnet wird.

Die verschiedenen Messwerte (Temperatur, Niederschlag, Windgeschwindigkeit und –richtung, Sonnenstunden und Tagestemperaturdifferenzen) kann man also in unterschiedlicher Form verdichten. Und mal wird daraus eben eine Beschreibung des Wetters, mal des Klimas.

Das wollen wir mal auf das Menschenbild in Unternehmen übertragen. Unter dem Gesichtspunkt der (betriebs-) wissenschaftlichen Führung wird beispielsweise von Kauffeld und Sauer ein Modell vorgeschlagen, in dem Menschbilder auf einer Zeitleiste aneinandergereiht sind. Wie sich das Bild der Menschen in wirtschaftlichem Zusammenhang vom Economic Man (1910) über verschiedene Entwicklungsstufen zum Virtual Man (2010) verändert.

Man könnte es als Klimawandel der Unternehmenskultur bezeichnen: Über Zeitperioden hinweg wird das Selbstbild, aber insbesondere das Bild der Führungskräfte bezüglich ihrer Angestellten zusammengefasst. Woraus sich dann entsprechende Impulse für Organisationsverständnis und –strukturen ergeben.

Es bietet sich an, dieses Modell noch ein wenig zu ergänzen: Wie ist das mit dem Wetter, wo finden wir in Analogie das Mikroklima wieder?

Die tagesaktuelle Stimmung in der Belegschaft hat Ähnlichkeiten mit dem Wetter. Veränderungen ergeben sich meist durch äußere Impulse, Nachrichten zum Beispiel. Da die Reaktionen komplex sind, lässt sich die Veränderung nur kurzfristig vorhersagen. Das ist beim Eingreifen in die Unternehmenskultur grundsätzlich anders, hier sind eher langfristige Effekte und deutlich weniger komplexe Einflussfaktoren zu berücksichtigen, es ist das Pendant zum Klima.

Das Mikroklima schließlich erkennt man in den unterschiedlichen Organisationseinheiten. Die Mitarbeiter im Fachbereich Controlling sind beispielsweise in Ausbildung oder Emotionalität gemittelt ganz anders als Angestellte im Personalbereich oder der IT. Und selbst in noch kleineren Einheiten, Gruppen oder Teams, können sich individuelle Strukturen mit abweichenden Umgangsformen und Bedürfnissen ausbilden.

Wer also aus dem Begriff der Menschenbilder ein Führungsmodell ableiten will, der muss schon genau hinschauen. Sonst pflanzt er in Nizza am Main statt der dort heimischen mediterranen Gewächse nordische Spätorangen. Und darf sich nicht wundern, wenn er bestenfalls Potential verschwendet, schlimmstenfalls aber sogar Missernten einfährt.

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