Mittwoch, 29. Dezember 2021

A Fool With a Tool Is Still a Fool

Bevor ich etwas kaufe schaue ich mich gerne im Internet um. Da gibt es zu vielen Themen Plattformen, Bewertungsportale, Benutzerforen. Erst mal werfe ich einen Blick auf die Gesamtnote bei ausreichender Anzahl der Bewertungen. Dann klicke ich mich durch die Einzelbewertungen, wobei die positiven Stimmen meist weniger interessant sind. Die ganz schlechten sind meist Ausreißer, vielleicht hat ein Kunde Pech gehabt oder selbst einen schlechten Tag. Also die nächstbessere Kategorie. Hier tummeln sich potentiell die ernstzunehmenden Probleme.

In dieser Rubrik las ich dieser Tage eine sehr kritische Beurteilung über eine Flachdübelfräse, die ich selbst seit vielen Jahren im Einsatz habe. Nun ist das ein Werkzeug, das bei Tischlern üblich ist, bei Amateuren aber eher zur erweiterten Werkstattausstattung gehört. Entsprechend ist diese Käufergruppe meist nicht routiniert in der Bedienung und weiß nicht, auf was es bei der Handhabung ankommt (und auf was nicht).
Mit sehr deutlichen Worten wurde die Präzision bemängelt und wortreich dargestellt, dass mit dieser Maschine keine passgenauen Verbindungen herzustellen seien. Als Profi kann ich dazu sagen, dass dies bauartbedingt nicht stimmt und insofern ein Bedienungsfehler vorliegt. Bemerkenswert für mich, dass jemand nicht nur zu ungeschickt ist, um die Fräse nutzbringend zu verwenden, sondern seine eigene Unfähigkeit auf die Maschine schiebt und dies zur Krönung auch noch im Internet posaunt.

Ach, dachte ich mir, jedes Werkzeug ist nur so gut wie die Person, die es benutzt. Oder wie das angelsächsische Sprichwort sagt: „A Fool With a Tool Is Still a Fool“. Da ist schon was dran, und in Zeiten von allerlei Social Media ist es leider eben nicht nur ein Narr, sondern auch noch ein potentieller Beeinflusser mit großer Reichweite. Wer sich nicht auskennt – und das dürften die meisten sein, die Bewertungsportale aufsuchen – der glaubt ja erst mal, was er da liest.

Und natürlich muss ich mich auch selbst fragen, ob die Meinung, die ich gerade zu einem Thema oder einer Sache äußere, ob diese Meinung nicht auch die Sicht eines Fools ist. Möglicherweise merke ich gerade nicht, dass ich selbst die bemängelte Eigenschaft verursache oder ein Fehler oder eine Fehlbedienung meinerseits vorliegt.

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Dienstag, 21. Dezember 2021

Software-Upgrade im Kopf

Da sitzen dann die ganzen Fachleute zusammen. Grübeln und diskutieren neue Funktionalitäten. Sowohl fachliche Aspekte als auch technische Überlegungen fließen ein. Am Ende entsteht die neue Version einer vorhandenen Software.
Wir ziehen eine Station weiter und schauen nun den Projektleitern über die Schulter. Wieviel Aufwand wird in der Neukonzeption stecken, welche Personen werden gebraucht. Natürlich auch Fragen zur Dauer, zu den Kosten.
Dann die Architekten. Sie vertiefen sich in die Einbindung in die Software-Landschaft, Datenquellen und –abnehmer spielen eine Rolle. Wie könnte die Migration vorhandener Entitäten vorgenommen werden, was passiert mit den alten Daten.
Die Entwickler schließlich, die die Vorstellungen und Anforderungen in Computersprache übersetzen. Module werden programmiert, zusammengefügt und getestet. Vom Papier auf den Bildschirm.

Alles soweit bekannt. Jetzt der neue Aspekt. Ersetzen wir doch mal in der Beschreibung das Zielsystem Computer durch das Zielsystem Mensch.
Die Projektleiter berücksichtigen, wie die neue Version der Software bei den Anwendern ankommt. Wieviel Aufwand entsteht in der Umprogrammierung der Menschen, die vor dem Bildschirm sitzen. Wie lange dauert es, bis sie sich an die neue Bedienung gewöhnt haben. Was kostet die Umstellung, neben Trainings auch die verringerte Benutzungsgeschwindigkeit.
Im Sinne der Architektur müssen die Assoziationen im Gehirn angepasst werden, der bisherige Ablauf muss geändert werden.
Als Veränderungs-Paradigma schlage ich auch hier agiles Vorgehen mit Fortschritten in Sprints vor. Wobei parallel zu den Sprints in der Computer-Software auch Sprints mit Reviews auf Seiten der Anwender vorgenommen werden.

Beim Upgrade einer App ist also nicht allein der Aufwand auf technischer Seite wichtig. Auch die Kalkulation von Schulungsaufwand geht noch nicht weit genug. Nein, es braucht einen parallel laufenden Entwicklungsstrang, der sich mit dem Upgrade der Gehirn-Software beschäftigt. Er muss geplant und analog zur Computer-Seite durch ein professionelles Projektmanagement gesteurt werden. Was Controller freuen dürfte: Man kann diesen Change mit Zahlen und Kosten unterlegen, ihn also budgetär planbar machen.

Wie bei technisch komplexen Systemen gilt aber auch hier der Grundsatz „never change a running system (unless it is absolutely necessary)“.

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Mittwoch, 15. Dezember 2021

Nach fest kommt lose

Erfahrung jedes Handwerkers: Man kann eine Schraube anziehen, und weiter anziehen und noch mal ein Ruck… dann ist das Gewinde perdu. Ab diesem Punkt  wird es mühsam, größere oder längere Schraube suchen, Gewinde neu schneiden, kitten, schweißen, dübeln.
Diese alltägliche Szene kann man in Richtung Persönlichkeit, aber auch in Richtung Prozessoptimierung übertragen.

Jeder Mensch hat seinen Charakter, ein paar gute und ein paar schlechte Eigenschaften. Das eine oder andere kann man beeinflussen, daran „herumschrauben“. Doch weder das fortwährende Herumschrauben tut gut (um im Bild zu bleiben: dann leiert das Gewinde irgendwann aus) noch sollte man zu fest anziehen. Man kann es leicht übertreiben. In der Mechanik würde ich einen Drehmomentschlüssel empfehlen, bei der eigenen Weiterentwicklung ist der behutsame und aufmerksame Umgang mit sich selbst bei Veränderungen ratsam.

Und bei Unternehmen. Ähnlicher Fall, Abläufe verbessern und Hindernisse entfernen ist positiv zu bewerten, auch die Straffung von Einheiten kann je nach Situation sinnvoll sein. Aber wenn man den Bogen überspannt und zum Beispiel Einheiten dauerhaft überlastet, kann das ganze System darunter leiden. Wie beim Handwerker kann man auch eine fehlende Schraube nur selten dadurch kompensieren, dass man die verbleibenden Schrauben fester anzieht. Wenn also Teile der Wertschöpfungskette zu schwach dimensioniert sind, dann ist das nicht durch Erhöhung des Arbeitstaktes zu kompensieren.

Jedenfalls kommt nach Ansporn der Umsetzer und Steigerung der Produktivität ein Punkt, an dem die Gesamtleistung trotz weiterer Erhöhung des Druckes wieder abnimmt. Nicht nur dass, sie kann sogar kollabieren (Im Bild: Das Gewinde ist zerstört). Das notwendige Regenieren und Zurückführen der Organisation in einen arbeitsfähigen Zustand ist ein überraschend schwieriger und teurer Prozess, den es unbedingt zu vermeiden gilt.

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Mittwoch, 8. Dezember 2021

Wasser kann man nicht aufhalten

Als Bub war ich manchmal bei meinem Onkel; Die Wiese zum Wald hin war leicht abschüssig in Richtung Haus, darauf ein paar Gräben, die sich nach kräftigen Regenfällen mit Wasser füllten und es seitlich am Haus vorbeiführten.
Ich liebte es, mit Gummistiefeln in den Bächlein und Rinnsalen herumzulaufen, mal hier und mal dort einen Staudamm zu bauen und so dem Wasser Einhalt zu gebieten. Doch egal, wie ich es anstellte und auch mit zunehmendem Alter gelang es mir nicht, das Wasser komplett aufzuhalten. Es kam in kleinen Mengen, aber unermüdlich den Hügel heruntergelaufen, sammelte sich auf der Wiese und höchstens mit einem ausgewachsenen Becken hätte ich hier etwas ausrichten können.
Sitze ich heute im Büro, dann denke ich gerne an diese Tage im Nieselregen zurück. Konnte ich doch herrlich spielen, obwohl das Wetter aus der Sicht von Erwachsenen gar nicht attraktiv war. Und mehr noch denke ich daran, was ich da gelernt habe: Dass ich Wasser nicht oder nur mit großer Mühe aufhalten kann. Ich kann es nur umleiten, zum Beispiel um das Haus herum. Und andererseits steckt auch viel Kraft in solch einer Wassermasse, die das Haus beschädigen, andererseits aber auch Strom liefern kann.

Wir erleben dieses Phänomen täglich, wenn sich Menschen etwas in den Kopf gesetzt haben, gemeinsam einer Sache nachgehen. Wie leicht kann aus solch einer Bewegung eine gefährliche Lawine werden, die man sicher nicht aufhalten kann. Entweder geht man in Deckung und zieht sich – im Bild bleibend – Gummistiefel an, oder es gelingt, die enorme Kraft zu lenken.

In kleineren Gemeinschaften, Gruppen oder Unternehmen gilt dieser Grundsatz aber ebenso.

Auch (aus Sicht der Gesellschaft) Kriminelle wie zum Beispiel Bankräuber haben teilweise bewundernswerte Qualitäten in Organisation, Beobachtung, Feinplanung und Umsetzung; eigentlich sind sie so eine Art Projektleiter. Man kann ihre Energie nicht aufhalten, aber im Idealfall umlenken. Im Allgemeinsinn nützliche Dinge organisieren, dabei Improvisation und Detailplanung nutzen.

Und ganz allgemein die Schaffenskraft fördern, gleichzeitig aber auch überlegen, wo man die vorhandene Energie für beide Seiten besonders wertschöpfend einsetzen kann. Soviel zum Grundgedanken des Managements, aber wer beherrscht das schon?

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Mittwoch, 1. Dezember 2021

Leben im Kleeblatt (2)

Vor zwei Wochen habe ich etwas zu meinem Leben im menschlichen Kleeblatt geschrieben. Umgeben von dem, was ich „normal“ finde, was also in meinem Umfeld gängig ist. Und dafür geworben, mal einen Blick in die Nachbar-Kleeblätter zu werfen.


Aber es gibt einen weiteren Aspekt, den man sich durch den Kopf gehen lassen kann. Lebe ich überhaupt in dem für mich richtigen Kleeblatt? Nehmen wir mal an, ich wäre durchschnittlich verdienender Angestellter und würde aus irgendwelchen Gründen in die High Society geraten. Dann säße ich auf einer Yacht in Saint-Tropez, bekäme den ganzen Tag Cocktails und würde mit Geschichten über Privatjets und Oldtimer-Sammlungen unterhalten. Das fühlt sich ganz schön fremd an, ein paar Tage im Sinne von Urlaub wären sicherlich schön, aber dann kommen Langeweile und Minderwertigkeitsgedanken. Es ist eine ganz eigene Gesellschaft, in die ich nicht hineinpasse.

Andersherum natürlich genauso, wenn ich von der oben skizzierten Ausgangssituation in die Szene der Obdachlosen wechselte. Übernachten auf der Straße, arbeitsloses Abhängen mit Kumpels und mein billiger Rotwein wären die Tageselemente. Für begrenzte Zeit kann man sich auch hier einen Besuch in der Parallelgesellschaft vorstellen, aber auch dort bin ich nicht zu Hause.

Beide dargestellten Richtungen sind natürlich eher extreme Beispiele, aber auch schon kleine Veränderungen, ein Umzug in ein anderes Viertel mit anderen Nachbarn, eine andere Arbeitsstelle oder innere (charakterliche) Entwicklungen können eine mehr oder weniger umfassende Wandlung  hervorrufen. Und plötzlich lebt man im falschen Kleeblatt, was im Laufe der Zeit zu Unzufriedenheit führt.
Da heißt es nachjustieren, immer wieder zu fragen, ob mein Umfeld adäquat ist und nach einer ehrlichen Analyse bei Bedarf auch Konsequenzen zu ziehen.

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