Ich staune immer, wenn mal wieder der Aufruf nach Mut erschallt. Kaum ein Begriff scheint mir so offensichtlich als reines Lippenbekenntnis daher zu kommen. Wie irgendwelche Krieger sollen nun auch die Angestellten Mut zeigen. Dann ist Mut keine Tugend mehr, sondern ein Befehl. Und dieser wird – ganz im militärischen Sinne – von Vorgesetzten erteilt.
Nun ist Mut grundsätzlich positiv belegt, wird aber nicht selten mit Draufgängertum oder Wagemut verwechselt. Mut ist ein unentbehrlicher Bestandteil für Fortschritt, wenn man ihn als Gegenpol zu Zögerlichkeit, Verzagtheit oder ängstlichem Verharren versteht.
Werfen wir einen Blick auf ein typisches Beispiel. Sehr viele Menschen in Deutschland erlernen als junge Erwachsene das Führen eines Autos. Ihnen einfach den Schlüssel in die Hand zu drücken und sie in den normalen Verkehr zu lassen wäre sicher fahrlässig. Also gibt es Fahrschulen mit Lehrern und Fahrstunden. Wobei der Fahrschüler das Auto lenkt, der Fahrlehrer aber eingreifen kann und für Notfälle eine komplette Pedalerie zur Verfügung hat.
Der Neuling wird also nicht alleine gelassen, es wird ihm zugetraut, das Fahrzeug zu lenken. Aber sicherheitshalber gibt es einen aufmerksamen Begleiter, der ihn vor Unfällen bewahrt.
Mut zu Veränderung, das bewusste, wenn auch kontrollierte Eingehen von Risiken ist wie gesagt eine wichtige Zutat für Entwicklung. Dauerhafte Angst vor Misserfolg hemmt jeden Fortschritt in Abteilungen oder Unternehmen. Sicherheit schafft in diesem Fall ein erfahrener Begleiter (analog zum Fahrlehrer), der die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges deutlich dämpft. Mal über einen Bordstein zu fahren ist in Ordnung, aber vor dem Crash mit einem Baum sollte man schon bewahrt werden.
Ein anderes Beispiel ist die Projektleitung. Spielraum in der Ausgestaltung und Ausprobieren müssen erlaubt sein. Auch hier kann man kleine Fehler verzeihen, große muss man aber durch kompetente Führung verhindern. Fehlerkultur heißt nicht, dass man freie Hand gibt, jeder noch so grobe Schnitzer ohne Folgen bleibt. Sondern das kontrollierte Zulassen kleiner Ungeschicklichkeiten und das gezielte Lernen daraus.
Noch mal zur Fahrstunde. Wenn ein Schüler auch nach zahlreichen Übungsstunden über den Bordstein hoppelt, Stoppschilder ignoriert und mit dem Befahren einer Landstraße überfordert ist sollte er nahegelegt bekommen auf das Autofahren zu verzichten. Analog sollte ein Mitarbeiter andere Aufgaben übertragen bekommen, wenn er zu der zugewiesenen Tätigkeit nicht geeignet ist, auch wenn er sie vielleicht gerne ausüben möchte.
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