Dienstag, 28. März 2023

Selbst-Vertrauen

„Ich bin immer so unsicher, ich habe gar kein Selbstvertrauen.“ – Diesen Satz höre ich immer mal wieder, ein wenig mitleidheischend, aber meist als Aufforderung, das mangelnde Selbstbewusstsein zu stärken. Sei es durch Lob, gutes Zureden oder Negieren.

Dabei ist das in jedem Fall ein Irrweg. Der Name drückt ja schon aus, dass es bei Selbstvertrauen um Vertrauen geht, das man sich selbst gibt. Wie soll ich denn von außen etwas beeinflussen, was nur von innen bereitgestellt wird. Natürlich kann ich meine wohlwollende Beobachtung vorstellen, die Qualität einer Handlung oder einer Fähigkeit thematisieren. Aber das führt nur sehr bedingt zu einer Veränderung des Selbstvertrauens.

Ansetzen muss man hier nämlich über die innere Bewertung seiner selbst. Vertrauen heißt grundsätzlich, dass etwas in der Vergangenheit gut gegangen ist und man davon ausgeht, dass es auch in Zukunft wieder gut wird. Also eine Projektion vergangener Perioden auf die Situationen, die vor einem liegen.

Ich habe mal im Supermarkt meine Geldbörse im Einkaufswagen gelassen, während ich an der Tiefkühltheke irgendwas gesucht habe. Als ich zum Wagen zurückkam, war das Portemonnaie noch da, kein Mensch hatte es entwendet. Auch beim nächsten und übernächsten Mal passierte nichts, mein Geld blieb unberührt. Nach einiger Zeit bildete ich mir ein, dass das nun immer so bleiben müsste, weil die Menschheit ehrlich ist. Mit der Zeit hatte ich ein unspezifisches Vertrauen aufgebaut.

Nun gibt es einerseits die Möglichkeit, dass man dieses Vertrauen immer weiter in sich verankert, nach einiger Zeit auch gar nicht mehr darüber nachdenkt und es überhaupt nicht gefährlich findet, seine Börse unbeaufsichtigt im Einkaufswagen zu lassen. Vielleicht denkt man auch darüber nach, dass dieses Verhalten zu dieser Zeit und in diesem Supermarkt unkritisch ist. Oder man stuft es entgegen der bislang gemachten Erfahrungen als kritisch ein und nimmt das Geld wieder in einen sicheren Ort auf.

Zurück zum Selbst-Vertrauen. Mit ähnlichem Blick kann ich durch die Welt gehen. Sie tut mir nichts, das Feedback ist weitgehend positiv und mit der Zeit gehe ich in meiner Einschätzung davon aus, dass das der Normalfall ist. Ich werde vielleicht sogar ein wenig mutiger und lote aus, wie mein Umfeld auf dies oder das reagiert. Und schon in diesem Moment stelle ich mein in mich selbst gesetztes Vertrauen auf den Prüfstand. Ob ich mich wie bei den fortwährenden Ehrlichkeits-Erlebnissen im Supermarkt einlullen lasse oder trotz durchweg positiver Erfahrung skeptisch bleibe – das ist jedenfalls eine Bewertung, die in mir und nur in mir und nur durch mich vorgenommen wird.

Wie ausgeprägt mein Selbstvertrauen ist, hängt also nur zu einem Bruchteil von den Aussagen meiner Freunde ab. Einzuklagen, sie mögen doch bitte meine Zweifel oder mein unterentwickeltes Selbstbewusstsein heilen ist damit abwegig. Das muss ich schon selbst machen, wenn ich Defizite feststelle.

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Mittwoch, 22. März 2023

The future's not ours to see

„Papa, wie lange fahren wir noch?“ Eine Frage, die jeder Vater früher oder später schon mal gehört hat. Heute ist die Frage ja recht leicht zu beantworten, ein Blick auf das Navi und schon kann man auf die Minute genau Auskunft geben. Egal, ob das Kind etwas mit der Antwort anfangen kann, denn das Zeitgefühl entwickelt sich erst im Laufe der Jahre.

Normalerweise geht das ganz gut, aber manchmal kommen unvorhergesehene, ja sogar unvorhersehbare Situationen dazwischen. Ein Unfall mit nachfolgender Vollsperrung der Autobahn, ein umgestürzter Baum, ein Defekt des eigenen Fahrzeugs oder eine Zwangspause, weil das Kind über Übelkeit klagt.

„Herr CEO, wie wird sich das Geschäft im kommenden Jahr entwickeln?“ Ja, bin ich denn von Kindern umgeben? Selbst wenn man einen Blick in die Geschäftszahlen und Kenngrößen wirft, kann man die Frage kaum mit einem einzelnen Satz beantworten. Da wird eine Zahl angegeben, dabei aber der Hinweis, dass es neue Geschäftsfelder gibt, dass die neuen Produkte in der Hochlaufkurve sind und überhaupt das Nearshoring. Immerhin ist mit einer sorgfältigen Analyse der Entwicklungen eine halbwegs belastbare Antwort möglich.

The future is not ours to see

Aber wir können nun mal nicht in die Zukunft schauen. Was bislang immer zutraf muss sich nicht in die Zeit fortsetzen, die vor uns liegt. Das ist die große Krux mit Hochrechnungen und allen Formen von Prognosen. Ursache hiervon ist die Komplexität unserer Welt, kleine Auslöser können den Markt durchrütteln oder sogar ein einzelnes Virus unser menschliches Leben in seinen Grundfesten erschüttern.

Konkurrenzprodukte, neue Technologien, Reputationsschäden oder Überraschungen wie das Auftreten einer Pandemie führen eine Vorhersage leicht ad absurdum. Und auf einmal schwenkt die Aufgabe der Unternehmensführung von kompliziert zu komplex. Bewährte wenn-dann-Mechanismen greifen nicht mehr, Experten (das sind die Beherrscher komplizierter Systeme) sind angesichts der nie dagewesenen Nebenbedingungen ratlos.

Und auf einmal sind Vorstände oder in anderem Zusammenhang Politiker in der Vaterrolle. Alle schauen sie erwartungsvoll an, verlangen eine Antwort. Mein Vater, der Held, der Mensch, der immer weiß, wo es lang geht. Aber er weiß es nicht, er muss – ob er will oder nicht – eine komplexe Situation handhaben. Berücksichtigung aller verfügbarer Informationen, Betrachtung der Handlungsalternativen, dann aber auch beherztes Handeln sind angesagt. Und immer wieder sorgfältige Beobachtung der Entwicklung, gerade auch der Nachbargebiete; Kurzfristige Lösungen sollten nicht zu mittelfristigen Problemen führen. Alle Kraft muss sich in diesem Moment darauf konzentrieren, die Reaktion des ganzen Systems aus Menschen, Gruppen, Markt und so weiter im Auge zu behalten und ohne Zögern gegenzusteuern, wenn man sich (gesamtheitlich) vom anvisierten Ergebnis entfernt.

Doch es gibt auch Trost: Nach jeder (im mathematischen Sinne) chaotischen Phase folgt grundsätzlich wieder eine deterministische, also vorherbestimmbare Phase. Die Steuerer – seien es Führungskräfte, Politiker oder Eltern – rühmen sich dann, die Situation in den Griff bekommen zu haben. Nun ja, aus meiner Sicht wäre die Formulierung des geschickten Überstehens in den meisten Fällen passender.

Mittwoch, 15. März 2023

Digitalisierung: Eine Bestandsaufnahme

Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal das Wort „Digitalisierung“ gehört habe fragte ich mich, was unter diesem Begriff zu verstehen sei. Im ersten Moment dachte ich Bits und Bytes, sozusagen das Alphabet der Computer, merkte aber schnell, dass es weiter zu fassen ist. Vor einigen Jahrzehnten sprach man von EDV (Elektronischer Daten Verarbeitung) und kam damit sprachlich dem neuen Trend schon recht nahe.
Also sollen Vorgänge, die bislang noch nicht von oder mit Computern bearbeitet wurden, nun auch dieser maschinellen Prozessierung zugänglich gemacht werden. Erster Schritt auf dem Weg dahin ist die Überführung vorhandener Informationen in ein Format, mit dem Computer etwas anfangen können. Beispielsweise muss eine handgeschriebene Seite in Zeichen in einem Textverarbeitungsprogramm übertragen werden.
Habe ich erst mal die Daten auf einem Speichermedium, kann ich sie strukturieren, zusammenführen oder auseinanderziehen, durchsuchbar machen. Und natürlich weiterreichen, kontrolliert verändern lassen, neu zusammenstellen oder veröffentlichen.

Warum treibe ich diesen Aufwand? Im Endeffekt soll die Bearbeitung billiger werden. Viele Aspekte sind zu berücksichtigen, um dies zu erreichen:
Überführung der ursprünglichen Daten in ein elektronisches Format
Normalisierung der Daten
Definition eines Prozesses zum Umgang mit den Daten
Computer-Anwendung(en) zur Darstellung und Veränderung der Daten
Weiterleitung (Workflow) in einem Bearbeitungsablauf
Bereitstellung des Ergebnis
Datenschutz

Wann lohnt sich das? Zunächst ein paar Aspekte der Ausgabenseite:
Kosten für die Anschaffung von Hardware und Software
Betriebskosten der Hard- und Software
Fixkosten für Wartung, Weiterentwicklung, Aktualisierung
Projekt- oder Umsetzungskosten für Wartung etc.
Summe aller Personalkosten für die Schulung und Bedienung der Software

Dieser Ausgabenseite steht die Einsparung in Form von Mitarbeiterabbau gegenüber.

Oft werden auch noch verschiedene Argumente vorgebracht, die nur bedingt quantifizierbar sind:
Höhere Kundenzufriedenheit
Kürzere Durchlaufzeit
Zukunftssicherheit
Wettbewerbsfähigkeit
Leichtere Delegation (bis hin zum Outsourcing)
Besserer Austausch mit anderen Unternehmen (z. B. Zulieferern)

An welchen Stellen menschliche Interaktion erforderlich ist, hängt stark vom Prozess, aber auch von Randbedingungen wie zum Beispiel den Vorgaben einer Aufsichtsbehörde ab. Daneben ist auch relevant, wie weit man den Informationslieferanten in die Digitalisierung einbinden kann. Das kann auch im Laufe der Entwicklungszeit über mehrere Schritte verlaufen:
Daten werden als (handgeschriebener) Text in Papierform bereitgestellt
Daten kommen unstrukturiert, aber in elektronischer Form (z. B. als E-Mail)
Dateneingabe in ein (vorgegebenes) Formular

In Summe ergibt sich ein Bild, das gar nicht so einfach zu erfassen ist. Im Einzelfall kann es durchaus sinnvoll sein, auf Digitalisierung zu verzichten. Eine rigorose Umstellung aller Prozesse ist kaum möglich und meist auch gar nicht sinnvoll.


Mittwoch, 8. März 2023

Ziel, Ergebnis und Der kleine Prinz

Mit der Regelmäßigkeit der Jahreszeiten gibt es jedes Jahr wieder die Verabredung von beruflichen Zielen für das Geschäftsjahr. Da wird dann überlegt, formuliert und dokumentiert, was in den nächsten Monaten passieren soll. Das klingt im ersten Moment ganz plausibel, aber bei genauerer Betrachtung geht es gar nicht um Ziele oder sagen wir lieber: Das Ziel besteht immer darin, für das Unternehmen möglichst viel für das gezahlte Gehalt zu bekommen.

Nein, hier werden zu erreichende Ergebnisse beschrieben. Dieses oder jenes Projekt ist abgeschlossen, irgendein Werk geschaffen, ein Produkt auf den Markt gebracht.

Nehmen wir mal an, ich möchte mich körperlich mehr betätigen, mein Ziel ist also die Erhöhung des Bewegungsanteils am Tag. Da kommt mir Rasenmähen ganz gelegen und ich nehme mir vor, die Halme wöchentlich zu kürzen.
Alternativ kann mein Ziel darin bestehen, dass ich den Rasenmäher nicht einrosten lasse, wofür er einmal pro Woche betrieben werden muss.
Auch die Einhaltung der Verabredung mit meinen Nachbarn (wir mähen alle am Freitag) lässt sich als Ziel formulieren.
Das Ergebnis ist jedenfalls – unabhängig von der Motivation und dem hieraus abgeleiteten Ziel – ein geschnittener Rasen.

Im Unternehmenskontext zählt das Ergebnis. Wie der Weg dorthin verlaufen ist oder welche Tätigkeiten notwendig waren, ist nebensächlich. Genau so wenig interessiert es, welche Faktoren zum (gewünschten) Endzustand geführt haben oder welche Ziele der Mitarbeiter (für sich) damit erfüllt hat.

Als Fazit ergibt sich, dass das Ziel von vornherein klar ist, die Ergebnisse beschrieben und dann individuell motiviert werden müssen. So kommt am Ende vielleicht dann doch das dabei heraus, was als Sinn dieser Vereinbarungen genannt wird: Dass der Mitarbeiter geführt zum Unternehmenserfolg beiträgt.

Und noch eine ganz zentrale Erkenntnis leitet sich aus dieser Betrachtung ab. Wenn ich durch den Mitarbeiter ein Ergebnis erarbeitet bekommen möchte, ist seine Motivation entscheidend. Das Beispiel vom Rasenmähen bietet drei Motivationsknöpfe, die je nach Gegenüber zu drücken sind: Du bist nachher fitter, dein Rasenmäher rostet nicht, dein Versprechen gegenüber den Nachbarn ist erfüllt.

Etwas poetischer, aber mit gleicher Schlagrichtung kann man das Zitat aus „Der kleine Prinz“ lesen:

„Wenn du ein Schiff bauen willst, beginne nicht damit, Holz zusammenzusuchen, Bretter zu schneiden und die Arbeit zu verteilen, sondern erwecke in den Herzen der Menschen die Sehnsucht nach dem grossen und schönen Meer.“



Mittwoch, 1. März 2023

Richtgeschwindigkeit in Abläufen

Immer wieder kommt die Diskussion auf, was durch eine Tempobegrenzung auf deutschen Autobahnen erreicht werden kann. Unstrittig ist, dass sich zahlreiche Bürger ziemlich schlecht mit dem Gedanken anfreunden können, dass die Höchstgeschwindigkeit beschränkt wird. Als Vorteile eines generellen Limits werden angeführt:

Richtgeschwindigkeit in Abläufen
1. Verringerung des Energieverbrauchs (der Kraftfahrzeuge)
2. Reduzierte Abgase (und damit weniger Schadstoffe)
3. Mehr Sicherheit (weniger Unfälle, Verletzte und Verkehrstote)
4. Weniger Staus
5. Entspannung

Unter der Annahme, dass die Vorgabe auch (weitgehend) eingehalten wird, sind die Punkte 1 und 2 sicher, Punkt 3 sehr wahrscheinlich, Punkt 4 möglich und Punkt 5 denkbar. Das ist zumindest eine grundsätzlich positive Bilanz. Nimmt man noch hinzu, dass der Zeitverlust im Durchschnitt sehr gering sein dürfte, ist der Ansatz also durchaus verfolgenswert.

Wie sieht das Pendant in einem Unternehmen aus? Betrachten wir die Prozesse eines Unternehmens als Netz von Autobahnen, haben wir eine gute Analogie. Kann jeder so schnell operieren wie es seine Aufgabe hergibt, dann ist das spätestens an den Übergabepunkten (Autobahnkreuzen) ein Problem. Man darf die Abläufe nun mal nicht isoliert betrachten.

Und die einzelnen Prozesse gehorchen tatsächlich ähnlichen Gesetzen wie die Autobahnfahrt. Verringerung der Taktung führt ohne nennenswerten Verlust der Produktivität zu erheblich geringerer Last der Mitarbeiter (Energieverbrauch / Verschleiß). Der Prozessfluss ist aber auch resistenter gegen Störungen, es kommt zu weniger Problemen und Staus im Workflow.

Möglicherweise ist die Forderung nach Abgleich aller Prozesse zu weitreichend, aber schon bei Einführung einer Richtgeschwindigkeit sind deutliche Effekte erkennbar. Insbesondere kann man mit einem Rückgang von Burn-out genauso rechnen wie mit einer erhöhten Produktionsstabilität. Und das ist doch schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.