Mein ganzes Leben verbringe ich im Potentialtopf, mag sich mancher Physiker denken. Um mich herum mehr oder weniger steile Hänge, die ich selbst unter Hinzufügen von Energie kaum überwinden kann. Oder vielleicht eben doch. Was mag jenseits dieser Hügel sein, gerate ich nach ausreichend Aktivierungsenergie stabil in einen neuen Gleichgewichtszustand? Und überhaupt: Was heißt denn Gleichgewichtszustand?
Hier unten in der Kuhle meines Potentialtopfes geht es mir gut. Selbst wenn ich von außen angestoßen werde bewege ich mich nur ein wenig hin und her, um nach Abklingen der Erregung wieder in meine Ruhelage zurückzukehren. Das geschieht abhängig von der Dämpfung mehr oder weniger schnell. Und schon fühle ich mich wieder ausgeglichen und ruhig.
Auch außerhalb der Physik ist das ziemlich spannend, werfen wir mal einen Blick auf dieses Modell und seine Übertragung auf mein Leben. Ein Verharren in der Kuhle einer Potentiallandschaft symbolisiert ein sehr gemütliches, aber auch langweiliges Leben. Hier passiert rein gar nichts auf- oder erregendes, was oft als Komfortzone bezeichnet wird. Gelegentlich muss ich diese Zone auf äußeren Druck hin verlassen, zum Beispiel durch einen Umzug, eine Kündigung oder ein geändertes Umfeld einschließlich Veränderungen in der Partnerschaft. Dann werde ich aus meinem energetischen Minimum herausgedrängt und muss mich organisatorisch und / oder innerlich bewegen. Nach einiger Zeit gewöhne ich mich an die neuen Umstände und bin in einer neuen Potentialsenke, erkennbar am seelischen Gleichgewicht und der Option, meine Energie wieder für Wirkleistung einsetzen zu können.
Richtig eklatante Umstellungen im Leben, entsprechend deutlich größerer Energiezufuhr führen zu einer größeren Auslenkung. Dabei kann der neue Zustand ein höheres oder niedrigeres Ruhepotential haben, also zu einer seelischen Weiterentwicklung oder eben auch inneren Verarmung führen.
Als dritten Aspekt möchte ich die Stabilität der Ruhelage betrachten. Im psychologischen Sinne kann man es als Ausgeglichenheit oder innere Festigkeit bezeichnen. Choleriker verlassen zwar sehr leicht und deutlich erkennbar ihre Ruhelage, aber sie verlassen nicht ihre Potentialsenke. Das wilde Hin-und-her endet letztlich wieder an derselben Stelle wie vor dem Ausbruch. Im physikalischen Sinne ist der Boden der Senke sehr flach, die Hügel aber relativ hoch.
Souveräne Menschen wiederum sind nicht leicht aus der Ruhe zu bringen, das Potentialgebirge ist gekennzeichnet durch steile Wände, die aber nicht unbedingt hoch sein müssen. Denn diese Höhe ist im Modell ein Maß für die notwendige Aktivierung, um Neues zu er-leben.
Philosophisch besteht also die Aufgabe darin, die Lebensenergie nicht für Kleinigkeiten zu verschwenden. Je weniger Bewegung ich in meiner (steilen) Senke machen muss, desto mehr Energie kann ich für die Überwindung der Hügel sammeln und damit die Chance nutzen, einen höheren Zustand zu erreichen. Übrigens verwenden viele Religionen ähnliche aus der Physik entlehnte Begriffe, um Menschen zu leiten und zu aktivieren.
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