Mittwoch, 28. Juni 2023

Im Quartett

Heute ausgestorben haben wir als Kinder voller Begeisterung Quartett gespielt, besonders an den Regentagen oder wenn wir vom Herumtollen langsam müde wurden. Die Spielkarten gab es in großer Auswahl, besonders erinnere ich mich an ein Quartett mit Schiffen und eines mit Automobilen. Bei letzterem waren verrückte Sportwagen von Lamborghini dabei, „Repräsentationslimousinen“ wie Mercedes-Benz Pullmann, aber eben auch Kleinwagen von Ford, Opel und – nicht zu vergessen – Volkswagen. Der Käfer also, in diesem typischen Orange der 70er Jahre, mit technischen Daten, bei denen man nur verlieren konnte. Nein, da war kaum etwas, womit man einen Stich machen konnte, höchstens vielleicht gegen einen Fiat 500.

Ein Jahrzehnt später sah die Welt anders aus. Ich war stolzer Besitzer eines altersschwachen VW 1200, mit seinen 34 PS, Front- und Heckspoiler war er zwar nicht gerade ein Rennwagen der ersten Stunde, aber er war Freiheit. Raus aus dem Haus, da stand er in himmelblauem Lack vor der Tür, wartete auf mich und sprang mit für ihn eigenem Sound schon beim Berühren des Zündschlüssels an. Für die Fahrt zur Freundin in den Nachbarort, zur Disko oder ins Kino brauchte ich nicht mehr zu fragen oder zu organisieren.

Die ungeliebte Karte im Quartett war einer geliebten Vergrößerung meiner Reichweite gewichen. Und es war wirklich Liebe, die sich von der Pflege über die tägliche Beschäftigung bis zum Tuning durchzog.

Im Quartett

Was ist denn die Botschaft, könnte man sich fragen. Nun, wenn wir unsere Mitmenschen mal auf Karten drucken, bei jedem ausgewählte Eigenschaften bewerten und dann Quartett damit spielen… was würde dabei herauskommen? Und wie würde es sich in einem Jahrzehnt anfühlen? Der ungeliebte Mitmensch, der bei Pünktlichkeit zwar 10 Punkte, bei Partyspaß aber nur auf 3 Punkte kommt – ist der nicht beim Erreichen eines gemeinsamen Zieles plötzlich ein zentral wichtiger Zeitgenosse?

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