Mittwoch, 16. August 2023

Maria, Wäschefrau

Maria ist Spezialistin für die Reinigung von Wäsche. Sie ist die Hüterin der Tröge, kennt sich mit der Befeuerung aus und hat ein gutes Gefühl für die Dosierung der Seife. Und durch ihre Erfahrung ist sie im Detail über alle möglichen Kleinigkeiten im Bilde. Angesprochen auf das Thema Verbesserung denkt sie an bestimmte Hölzer für die Waschbretter und empfiehlt dringend die Montage von Thermometern an den Waschbütten.

Ein Jahrzehnt später sieht die Welt anders aus. Es ist inzwischen gelungen, die Wassererwärmung von Kohle auf elektrische Beheizung umzustellen. Die Steuerung übernimmt ein Thermostat, so dass kein zu kontrollierendes Thermometer mehr erforderlich ist. Die Tröge sind in diesem Zusammenhang von offenen Bottichen zu geschlossenen Trommeln mit Antrieb umgestellt worden. Da diese aus Metall sind stellt sich auch nicht mehr die Frage nach der Holzsorte für Waschbretter. Maria hat die Umstellung mit großer Skepsis mitverfolgt, es widerspricht schlicht ihrer Erfahrung, dass man Wäsche ohne manuelles Scheuern und Schrubben sauber bekommt. Am Anfang war schien sie auch Recht zu behalten, aber nach Weiterentwicklung der sogenannten Waschmaschinen gelang es zusehends, ausgesprochen respektable Ergebnisse zu erzielen.

Maria Wäschefrau
Inzwischen ist Maria auch mit diesen neuen Geräten vertraut, ihre Optimierungswünsche gehen in Richtung Steuerung der Umdrehungszahl für den Waschvorgang, Dosierungsmöglichkeit für die Zumischung des Waschmittels und Unterscheidung nach verschiedenen Wäschearten. Auch die leichte Entnahme der sehr feuchten Wäsche zur Trocknung liegt ihr am Herzen.

Wir springen gedanklich wieder ein paar Jahre. Die Waschmaschine hat eine Steuerung bekommen, der Bediener kann aus zahlreichen sogenannten Programmen wählen. Diese heizen unterschiedlich schnell auf, differenzieren in Vor- und Hauptwaschgang und kombinieren mit unterschiedlichen Drehzahlen der Trommel. Sogar das Schleudern von Wäsche zur weitgehenden Trocknung ist möglich. In dieser Phase denkt die professionelle Wäschefrau an ruhigeren Lauf der Trommel (gerade beim Schleudern) und einfachere Bedienbarkeit.

Und so geht es weiter. In jeder Entwicklungsphase ergeben sich andere Verbesserungsaspekte, solange noch ein Kupferkessel über Kohle erwärmt und die Wäsche auf dem Waschbrett geschrubbt wird kann man nicht über Internetanbindung und Smart Home nachdenken. Die Produkte entwickeln sich oft evolutionär, vielleicht in Stufen (durch technischen Fortschritt), aber nur selten revolutionär. Und wenn man Fachleute fragt, dann bekommt man meist zum einen evolutionäre Verbesserungen zu hören, zum anderen schlägt einem viel Skepsis entgegen. Sei es, weil der eigene Arbeitsplatz in Gefahr gerät, man sich umstellen muss oder weil die Zukunftslösung nicht mit der bisherigen Erfahrung in Einklang ist.

Wer seine Prozesse und Produkte weiterentwickeln will oder muss, der sollte zwar mit Maria sprechen, die Aussagen aber nicht uneingeschränkt übernehmen. Ein sehr schwieriges Feld, da man Neues wagen muss ohne die Expertise der bisherigen Fachleute zu ignorieren oder sie vor den Kopf zu stoßen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen