Mittwoch, 30. August 2023

Maria, Laundry-Managerin

Maria Laundry-Managerin
Gerade hat Maria ihren Bachelor in Laundrymanagement abgeschlossen. Demnächst wird sie noch eine Masterarbeit schreiben, das Thema wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Reinigung von Seidenblusen sein. Maria ist Teil eines Exzellenz-Clusters der Hochschule, das die Zusammenarbeit von Stoffdesignern und Chemikern fördert. Im Kern geht es um die Vernetzung von technischen Stoffeigenschaften und chemischen Vorgängen bei der Reinigung. Daneben spielt aber auch die Verarbeitung eine wichtige Rolle, so dass Maria bei verschiedenen Schneidereien im Ausland Vorträge hält.

Neu ist die Erforschung zum erweiterten Einsatz von Computern. Schon lange werden Rechner für die Steuerung von Waschvorgängen eingesetzt. Auch die Zahl der Sensoren ist im Laufe der Jahre sprunghaft angestiegen. Nicht nur Drehzahl und Temperatur, auch Durchflussgeschwindigkeit, Wassermenge, Vibration und viele weitere Indikatoren werden technisch beobachtet. Da liegt es nahe, mit KI nach geeigneter Wahl dieser Parameter zu suchen.

Maria hat also im Grunde gar nichts mit Bekleidung und deren Reinigung zu tun. Sie organisiert Treffen mit Computerfachleuten, vermittelt Gespräche mit Ingenieuren und informiert sich bei Vertretern der chemischen Industrie über neue Tenside. Keines der Themen ist ihre Kernkompetenz, fragt man sie nach der Entfernung eines Kirschflecks auf der Jeans muss sie passen. In seltenen Momenten des täglichen Lebens wird sich Maria unsicher, ob sie vielleicht den Bodenkontakt verloren hat. Die Beschäftigung mit Laundrymanagement kommt ihr seltsam fremd vor, aber dann sagt sie sich immer, dass sie Treiberin des Fortschritts ist, dass KI die Zukunft gehört und dass ausgerechnet sie daran mitwirkt.

Und doch: Kein physischer Kontakt, kein Anfassen von Stoff, kein Geruch oder Gefühl verbindet sie mit ihrer Tätigkeit. Die Tortendiagramme und Excel-Tabellen auf dem Computer sprechen nicht zu ihr, eher ist es tote Materie, zu der ihr die Beziehung fehlt. Ist das in den ersten Jahren der Karriere noch nicht so recht erkennbar gewesen, empfindet Maria dies zunehmend als Leere. In Kombination mit den hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden mutiert ihre Tagesarbeit zunehmend zur Bewegung im Hamsterrad.

Emotionale Bindung an die eigene Berufsarbeit, sinngebende Bestandteile im Aufgabenportfolio und bleibende Werte bei der Wahl der beruflichen Weiterentwicklung gehören zu den Kernelementen für nachhaltigen Einsatz von Arbeitskräften. Ebenso spielt auch die persönliche Nähe, im Idealfall sogar die Anfassbarkeit des Produktes eine große Rolle. Ideen, Theorien oder Prozesse sind zwar wichtig, aber letztlich oft austauschbar. Nur die individuelle Beziehung zwischen Mensch und bearbeitetem Objekt schafft hier auf Dauer Zufriedenheit.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen