Fahrertür auf, einsteigen, Motor starten. Und wo soll die Reise diesmal hingehen? Ich bin in einem kleinen Ort im Taunus und möchte gerne zu einem Ort in der Nähe von Fulda. Grundsätzlich kein Problem, aber die optimale Route ist doch einen Gedanken wert.
Würde ich zu Fuß nach Eiterfeld gehen, könnte ich den direkten Weg nehmen. Über Stock und Stein, mal abgesehen von irgendwelchen Hindernissen im Wesentlichen immer geradeaus. Das ist nicht gerade meine bevorzugte Fortbewegung, 129 km wären zu bewältigen, da wäre ich ohne Pause wohl mehr als einen ganzen Tag unterwegs.
Alternativ könnte ich diese Route wählen, allerdings mit einem Panzer zurücklegen. Der schert sich nicht um Hindernisse, ähnlich wie der Fußmarsch immer geradeaus, nur viel schneller. So zwischen zwei und drei Stunden Tour, aber eine Schneise der Verwüstung hinterlassend.
Oder ein Flugzeug. Das könnte auch den direkten Weg wählen, aber am Boden würde nichts kaputt gehen. Reisezeit nur noch knapp eine Stunde. Aber wer hat schon ein Flugzeug.
Also doch mit dem Auto. Ich muss einen recht großen Bogen fahren, weil ich die vorhandenen Straßen nutzen muss, querfeldein geht natürlich nicht. Hierdurch komme ich auf 190 km und brauche wieder rund zwei Stunden wie bei der Panzerfahrt, habe aber nichts kaputtgemacht.
Schließlich und am aufwändigsten wäre der Bau einer neuen Autotrasse für den Weg von A nach B. Das könnte sich sogar lohnen, wenn es genügend andere Interessenten für diesen Weg gäbe, ich die notwendige Vorlaufzeit akzeptiere und sich der neue Autoweg gut in das Verkehrswegenetz integrieren ließe.
Nun möchte ich den Blick auf Projektplanung werfen, also die Organisation und Planung von individuellen und einmaligen Vorgängen, bei denen ich wie bei dem Ortswechsel eine Ausgangsposition und eine Zielposition habe.
Und da fällt mir auf, dass manche Projektleiter agieren wie Fußgänger oder Panzer oder der Meinung sind, dass sie ein Flugzeug hätten. Oder erst den Weg asphaltieren, den sie dann aber nur ein einziges Mal befahren.
Eine viel bessere Alternative ist die Nutzung der bereits bestehenden Möglichkeiten. Das mag im Einzelfall komplizierter erscheinen, hat aber den Charme eines etablierten Verkehrswegenetzes. Ich nutze hierfür in meinem Projekt die vorhandenen Prozesse, nur dass ich sie individuell für meine Bedarfe anpasse und – das ist das Ungewohnte – Umwege bewusst in Kauf nehme.
Die gewünschte Datenleitung existiert nicht: Dann route ich meine Daten erst mal über die bestehenden Leitungen, möglicherweise mit Zwischenstationen. Die angepeilte Organisationsstruktur ist nicht vorhanden: Dann nutze ich die bestehenden Organisationseinheiten, passe die Aufgaben an und ziehe die endgültigen Änderungen bei Bedarf später nach. Oder ich nutze eingeführte Software für meine Zwecke, auch wenn die Anforderungen von ihr nicht vollumfänglich abgedeckt werden.
Manchmal spricht man davon, dass man „um die Ecke denken“ müsse. Das ist ein schönes Bild, das eben auch für Projektplanung zutrifft. Den direkten Weg zu gehen und ungeachtet der aktuellen Randbedingungen zu planen entspricht in Etwa der Panzerfahrt. Recht schnell am Ziel, aber mit vielen Kollateralschäden. Um das zu vermeiden kann man sein Projekt tatsächlich mal als Landkarte darstellen, die betroffenen Prozesse, Tools, Datenströme und Ressourcen aufmalen und dann im Sinne einer Navigationssoftware die kürzeste oder wirtschaftlichste Route zwischen die Anfangs- und Endpunkten bestimmen.
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