Im weithin bekannten Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun werden die vier Seiten einer Nachricht in den Mittelpunkt gestellt. Da geht es neben dem Sachinhalt und der Selbstoffenbarung auch um die Beziehungshinweise und den Appell.
Schaue ich in der alltäglichen Praxis auf die Äußerungen meiner Mitmenschen, stellt sich für mich oft die Frage, was sie mir eigentlich sagen wollten. Oder mit welchem Ziel sie mir genau diese Sache erzählen. Verdeckt vom Sachinhalt bleibt unklar, was sie von mir erwarten, ob und wenn ja welche Handlungsaufforderung enthalten ist oder welche Reaktion sie in mir provozieren möchten.
Denn die vier Seiten des Kommunikationsmodells bearbeiten nur die oberste Ebene, sagen wir mal die offensichtlichen Gesichtspunkte. Etwas verborgener sind beispielsweise auch Aspekte der Nachrichtenentstehung von Interesse. Wer hat denn die gerade gehörte Aussage ursprünglich in die Welt gesetzt?
Für Menschen, die wenig naiv sind, stellt sich zudem die Frage, was der Sender mit seiner Mitteilung (und ihrer Formulierung) bei ihnen erreichen will. Mit tiefer gehender Betrachtung kann man versuchen, dem Manipulationsversuch auf die Schliche zu kommen. Wenn jemand mir von dem beeindruckend gepflegten Garten seines Nachbarn erzählt, will er mich vielleicht neidisch machen, möglicherweise aber auch die Qualität meiner gärtnerischen Leistung herabsetzen. Oder schlichtweg neugierig machen, wie denn dieses Kleinod in Grün aussehen mag.
Diese Erweiterung des Vier-Seiten-Modells erzwingt einerseits die Beschäftigung mit dem Sender, andererseits impliziert sie auch die Etablierung eines Vielfältigkeits-Prinzips. Jede Einzelaussage kann ich erst mal nur zur Kenntnis nehmen, da ich weder den Wahrheitsgehalt noch den Grad der Verfärbung durch mein Gegenüber einschätzen kann. Erst durch Ergänzung mit verschiedenen Informanten („da musst du dir auch mal die andere Seite anhören“) wird das Bild sukzessive verlässlicher und die daraus gezogenen Schlüsse werden angemessener.
Ein wenig ist das wie in der Mathematik bei der Bearbeitung von Gleichungen mit mehreren Unbekannten. Damit man im mathematischen Sinne eine eindeutige Lösung angeben kann, sind im Normalfall so viele Gleichungen wie Unbekannte notwendig. Ähnlich verhält es sich hier auch. Je unübersichtlicher eine Situation ist, desto mehr Meinungen muss ich dazu hören. Und mich bei jeder fragen, ob mein Gegenüber mir wissentlich oder unwissentlich etwas unterschiebt, um bei mir eine bestimmte Einstellung zu bewirken.
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