Mittwoch, 5. Juni 2024

Dann merk ich mir halt irgendwas anderes

Ich sitze im Wartezimmer einer Arztpraxis, in der Ecke ein paar Holzspielsachen auf einem abgenutzten Teppich, das ist wohl das Angebot für Kinder, die Zeit totzuschlagen, die man hier verbringen muss. Für Erwachsene ist nicht gesorgt, vielleicht ist das auch nicht mehr zeitgemäß, weil sich jeder seine Unterhaltung auf dem Handy mitbringt. Mein Gehirn hat Leerlauf, es gibt nichts irgendwie Bewegendes oder Bemerkenswertes.

Da fällt mein Blick auf ein Plakat an der Wand mir gegenüber. In etwas sperriger Formulierung wird für ein Diagnoseverfahren geworben. Ich lese etwas über die verwendete Technik und die erzielbaren Erkenntnisse sowie die leider notwendige Zuzahlung als individuelle Gesundheitsleistung. Obwohl für mich irrelevant studiere ich den Aushang bis ins letzte Detail, sehe noch ganz klein unten links die Druckerei mit ihren Kontaktdaten.

Merk ich mir irgendwas
Gerade habe ich eine Reihe überflüssiger Informationen aufgenommen, mein Speicher hat sich mal wieder selbständig gemacht und da sonst nichts zu merken war das Erstbeste zumindest bis in das kurzzeitige Gedächtnis aufgenommen. Wie schade, denke ich, da lasse ich mein Gehirn mal einen Moment ohne Aufsicht, schon macht es was es will. Mit ein bisschen Führung hätte ich meditieren, etwas wiederholen oder einen bis dahin nicht abgeschlossenen Gedankengang weiterverfolgen können.

Unsere Sinne, besonders Ohren und Augen, liefern uns pausenlos irgendwelche Informationen. Ob wir sie verwenden, abwehren oder verwerfen ist der nachgelagerten Verarbeitung überlassen. Und die können wir (bis zu einem gewissen Grad) beeinflussen. Nur weil ein Plakat vor meiner Nase hängt muss ich es nicht eingehend studieren. Dabei ist es andererseits eine normale Reaktion, dass wir ein neues Umfeld erst mal sorgfältig betrachten - das Reptil in uns lässt grüßen.

Interessant ist die Aufmerksamkeit, die wir unseren Gedanken widmen. Nicht nur den Inhalten, auch der Themenwahl und den hieraus abgeleiteten Reaktionen, Überlegungen und Gefühlen sind wir ja nicht schutzlos ausgeliefert. Vielmehr ist Führungsstärke gefragt. Ähnlich einem guten Sekretär oder einem Mitarbeiter muss ich schon Instruktionen erteilen, was ich will. Sonst kommt irgendwas heraus (was ich mir merke).

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