Bei mir im Badezimmer steht eine Wetterstation, die mir auch die Luftfeuchtigkeit anzeigt. Und daneben im Moment noch ein kleines Hygrometer, das ich gerne mal in den Koffer packe, um auch am Urlaubsort die Feuchtigkeit ablesen zu können. Beide haben also derzeit dieselbe Position und müssten deshalb grundsätzlich auch gleiche Werte anzeigen. Doch das ist nicht der Fall. Tatsächlich weichen die Messwerte deutlich voneinander ab. Welcher stimmt denn jetzt?
Schauen wir mal genauer hin, was sich aus den unterschiedlichen Ergebnissen ableiten lässt. Halten wir zunächst fest, dass die Luftfeuchtigkeit nur einen bestimmten Wert haben kann, also keiner Auslegung oder Diskussion unterworfen ist.
Fall 1: Eines der Messinstrumente zeigt den richtigen Wert an. Nur: Welches? Ist es die Wetterstation oder die mobile Variante?
Fall 2: Beide streuen um den richtigen Wert, dann könnte man sich diesem durch Mittelwertbildung nähern.
Fall 3: Beide zeigen (nahezu) identische Werte, aber dieser stimmt nicht.
Fall 4: Beide zeigen (nahezu) identische Werte und stimmen mit dem tatsächlichen Wert überein.
Fall 5: Wir nehmen ein weiteres Messinstrument dazu, dessen Anzeige z. B. der Wetterstation entspricht. Das heißt aber nicht, dass dieser Wert stimmt (siehe Fall 3)
Schon dieses simple Beispiel zeigt, wie schwierig es ist, die "Wahrheit" herauszufinden. Dass man aus einer Informationsquelle nur in recht speziellen Fällen (bei Messinstrumenten würde man es als Eichung bezeichnen) die Realität herausbekommt, liegt auf der Hand. Aber selbst eine zweite Quelle als Ergänzung hilft nicht unbedingt weiter. Immer noch befinden wir uns bei den gerade beschriebenen Fällen. Menschlich nutzen wir in Fall 1 Argumente wie Verlässlichkeit oder Vertrauen, aber das sind eher gefühlte als belastbare Faktoren. Besonders trügerisch ist Fall 3, denn hier urteilen wir aus einer Art Demokratieverständnis grundlegend falsch.
Nun sind wir im täglichen Leben - insbesondere bei Nachrichten - mit sehr vielen Informationsquellen konfrontiert. Und aus diesen vielen Quellen die eine (oder wenige) richtige gemäß Fall 1 herauszufinden ist nahezu unmöglich. Wie zu erwarten setzen wir auf Fall 2, fordern Beweise für die präsentierte Darstellung und führen im Kopf eine Art Durchschnittsbestimmung aus. Aber nur weil eine Mehrheit eine bestimmte Meinung vertritt muss sie ja nicht richtig sein. Und zusätzlich bilden wir uns eine Meinung ohne zu erkennen, dass sie von der Konstruktion her auf einer Statistik beruht; die von Natur aus eine Verteilungsfunktion ist und damit durchaus auch Aussagen links und rechts vom Maximum der Verteilungskurve kennt.
Heißt: Wenn es schon schwierig ist, die tatsächliche Luftfeuchtigkeit in meinem Badezimmer zu bestimmen, wie soll man dann in den Gemengelagen der Nachrichtenportale eine belastbare Aussage treffen? Hier fließen neben den berichteten Fakten noch ganz wichtig Themen wie Vertrauen, wenn irgendwie möglich Belege und schließlich möglichst viele Perspektiven eine Rolle.
Und noch weiter: Erweitern wir den Blick von Nachrichten auf Informationen im Privat- oder Berufsleben, die wir als Basis für Entscheidungen nutzen. Auch hier sind die Messmöglichkeiten (Einschätzung der Fachleute) ähnlich schwierig zu verwenden wie im Falle der Luftfeuchtigkeit. Wir müssen damit leben, dass wir in der Praxis nur höchst selten Fall 4 (korrekte Anzeige / Beratung) bekommen.
Diese Erkenntnis ist sicher unbefriedigend, entspricht aber der Realität. Die Forderung nach „richtigen“ Nachrichten und zutreffenden Bewertungen ist unrealistisch. Wir können die Datenbasis nur bedingt verbessern und müssen zwingend mit der diskutierten Unsicherheit leben.
[Weitere Blogs: Dienstliche Glossen, Feingeistiges]
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