Mittwoch, 27. August 2025

Aufs falsche Pferd gesetzt

Bei dem Entwurf einer Strategie hat man es nicht leicht. Über merklichen Zeithorizont in die Zukunft zu schauen oder sich Gedanken über die langfristige Entwicklung zu machen, ist ein ziemlich wackliges Konstrukt. Nicht allein, dass niemand in die Zukunft schauen kann, manchmal kommen noch unplanbare Unstetigkeiten hinzu.

Aufs falsche Pferd gesetzt

Ob man in den nächsten Jahren einige Prozentpunkte mehr Telefonbücher drucken muss, kann man abschätzen und daraus einen eventuell notwendigen Ausbau der Produktionsstraßen ableiten. Diese Planung ist ungenau, aber mit dem notwendigen Datenmaterial (aus der Vergangenheit) und einer sorgfältigen Abschätzung der Zukunft einigermaßen belastbar.

Tja, und dann kommt das Internet. Erst langsam, dann immer schneller und auf einmal braucht kein Mensch mehr ein Telefonbuch. Die Produktion geht nicht zurück, sie bricht komplett weg. Man kann bestenfalls die Druckstraßen für andere Erzeugnisse verwenden, aber selbst das könnte schwierig werden. Nicht nur ein bestimmtes Produkt, eine ganze Branche fällt einer eruptiven Entwicklung zum Opfer.

Dies früh genug abzusehen und die Tragweite eines World-wide-web abzuschätzen ist nahezu unmöglich. Wieviele Trends und Hype-Themen werden zwar lautstark propagiert, verschwinden aber nach kurzer Zeit doch in der Versenkung.

Aber es gibt auch Entwicklungen, bei denen die Verläufe in der Zukunft gar nicht so überraschend sind und die trotzdem nicht ernst genommen werden. Irgendwas zwischen arrogant und überheblich hat die deutsche Autoindustrie bezüglich E-Autos und Tesla in unerschütterlicher Starre verharrt. Nein, da waren sie sich sicher, Tesla mag ja ein bisschen mit Computern umgehen können, aber ein anständiges Auto zu bauen, das wird diesen Anfängern nicht gelingen. Da fehlt es einfach an der jahrzehntelangen Erfahrung deutscher Ingenieurskunst.

Nun kämpft Tesla sicher an der einen oder anderen Stelle mit Qualitätsproblem im Bereich Chassis und Mechanik, aber der Trend, dass ein Auto kein Gehäuse um einen Motor, sondern ein rollendes Rechenzentrum ist, der ist unaufhaltsam und wurde gehörig unterschätzt, wie die Zulassungszahlen der Tesla-Modelle beweisen.

Eine ganz andere Branche (Hersteller von Fotoapparaten) hat auch den Zug der Zeit – die zunehmende Computerisierung und die zentrale Rolle eines leistungsfähigen Rechenkerns – verpasst. Es steht außer Zweifel, dass die Platzhirsche auf dem Kameramarkt großartige Fotoapparate bauen. Insbesondere die Optiken sind phantastisch, verzerrungsarm, lichtstark, chromatisch korrigiert und so weiter.

Doch was ist passiert? Da kommen diese Anbieter von Smartphones, bauen eine unbeschreiblich kleine und leistungsschwache Kamera ein und korrigieren die ganzen Abbildungsfehler einfach per Software. Schwachlicht und sekundenlange Belichtungen verlieren ihren Schrecken, weil ein pfiffiges Computerprogramm die verwackelten Einzelaufnahmen geschickt wieder zusammensetzt.

Damit sind keine bewegten Objektive (Canon) mehr notwendig oder Chips, die dem Verwackeln mühsam per Mechanik folgen (Sony). Weg mit dem Kram, ein Handy tut es auch und Millionen von Menschen trennen sich von ihren schweren Spiegelreflexkameras, weil sie ihr Handy sowieso in der Tasche haben und in vielen Fällen mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Und was passiert auf der Anbieterseite? Zögerlich reagieren die Premiummarken, steigen sehr langsam von ihrem hohen Ross und passen ihre Produkte an. Und auf einmal sind sie in der Situation der Verfolger, müssen die fehlende Erfahrung aufholen. Wobei wir prominent an Nokia denken können, das vom Marktführer für Handys in der Nische verschwunden ist.

Man darf sich auf ausgiebiger Erfahrung, Marktführerschaft oder bisherigen Erfolgen nicht ausruhen. Denn ausgesprochen viele Produkte sind direkt oder indirekt an Technik gekoppelt. Hier lohnt es sich allein schon darüber nachzudenken, welche Änderungen ein sprunghafter Fortschritt der Technik auslösen könnte. Anwaltliche Beratung oder Übersetzungsbüros bekommen mit ChatGPT einen unerwarteten Konkurrenten, Automechaniker teilweise werden von Elektronikern abgelöst.

Am Ende ist es wie beim Pferderennen. Informieren und dann wetten. Was nicht bedeuten muss, dass man zu den Gewinnern gehört.



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Mittwoch, 20. August 2025

Kunde, Kunde, Kunde

 
Kunde, Kunde, Kunde

Manchenorts heißt es "der Kunde ist König", im angelsächsischen dreht sich alles um den Customer und seine Customer Experience. Doch da müssen wir ein wenig genauer hinschauen. Bei den Kunden gibt es nämlich verschiedene Typen, die je nach Verhältnis deutlich unterschiedliche Beziehungen aufbauen.

Typ 1: Kommt vorbei

Er bummelt lässig über die Fußgängerzone, ist mehr oder weniger kaufwillig, aber ohne konkretes Ziel. Ich kann mit geeigneten Mitteln sein Interesse wecken, meine Produkte anbieten und vielleicht an ihn verkaufen. Als Anbieter könnte man sich einen Marktschreier vorstellen.

Typ 2: Mit Einkaufsliste

Er kommt mit leerem Einkaufswagen in den Supermarkt, kramt in der Tasche nach der Einkaufsliste und beginnt, die vorgesehenen Artikel zu laden. Er agiert im Wesentlichen selbständig, möchte bei der Abarbeitung seiner Liste auch nicht gestört werden. Wenn er etwas nicht findet, es eine Produktalternative gibt oder er schlicht nichts mit der Notiz auf dem Einkaufszettel seiner Frau anfangen kann, braucht er Beratung.
Der Verkäufer tritt nur sehr bedingt in Erscheinung, muss kompetent das Produktportfolio kennen und überzeugend beraten können.

Typ 3: Ist da und vertraglich gebunden

Er ist Abnehmer einer Ware oder Dienstleistung, weil er sich vertraglich dazu verpflichtet hat. Grundsätzlich steht es ihm frei, das bezahlte Angebot zu nutzen oder auch nicht, im Idealfall nutzt er statistisch eher weniger als angeboten und finanziert dadurch andere Abnehmer mit. Ihn als Kunde zu behalten, eventuelle Unzufriedenheit und Kündigungsszenarien im Auge zu behalten ist Aufgabe des Anbieters. Je nach Situation kann man versuchen, die Vertragslaufzeit aktiv zu verlängern, ansonsten lässt man ihn in Ruhe.

Typ 4: Hat gar keine Alternative

Er sitzt vor seinem Dienst-Computer und ist darauf angewiesen, dass dieser funktioniert. Aus Sicht der für die Wartung zuständigen Abteilung ist er zwar der Empfänger der Dienstleistung, andererseits aber nicht wirklich Kunde, sondern eher Kollege. Und er hat keine Möglichkeit, seinen PC von einem anderen Provider in Ordnung halten oder bringen zu lassen. Wie in einer Ehe hat er gar keine Alternative und muss sich mit der Situation arrangieren.

*

Muss ich also erst mal auf Kundenfang gehen, ihn mehr oder weniger ausführlich betreuen, nur bei der Stange halten oder lediglich so weit zufrieden stellen, dass er sich nicht zu deutlich beschwert - das ist eine Frage des Kundentyps. Und das hat natürlich Auswirkungen auf die Anbieterseite und die notwendige Mindestqualität des Kunden-Beziehungs-Managements. Wobei sich die Beziehung auch im Lauf der Phasen ändern kann. Ist der Kunde erst mal mit überzeugenden Worten, bunten Flyern und kleinen Aufmerksamkeiten gewonnen, dann kann man übergehen zu einer regulären Betreuung, bei der der Kunde auch schon mal in der Warteschlange einer sogenannten Hotline versauert.

Was dann je nach Fixierung des eingegangenen Vertrages übergeht in das (verdeckte) Aufkündigen der Kommunikation. Der Kunde wird von der Hotline zur Servicestelle geschickt, die dem Kunden nach ausführlicher Verzögerung jede Lust nimmt, sich noch mal freiwillig mit dem Anbieter in Verbindung zu setzen. Und das kann ja durchaus das Ziel einer Kundenbeziehung der Typen 3 und 4 sein. Ideale Randbedingungen ergeben sich hier, wenn es entweder keine Ausweichmöglichkeiten gibt (z. B. bei Behörden) oder die anderen Anbieter mit ähnlichem Antritt unterwegs sind (z. B. Telefon-Provider).

Bleibt festzuhalten, dass man als Kunde nicht immer König ist, oder wenn, dann nur ein Monarch, der immer mal auf den Balkon gebeten wird, um seinen Anbietern zuzuwinken.

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Mittwoch, 13. August 2025

Glasfaser nehmen wir persönlich

Da lag dieser Tage ein Flyer in meinem Briefkasten: „Glasfaser nehmen wir persönlich…“ Nun ja, die übliche Werbung, der Versuch, mich doch noch zu einem Anschluss zu bewegen und mich zum Thema Anschluss und Installation zu beraten.

Glasfaser nehmen wir persönlich

Grundsätzlich gut, wäre da nicht die entsprechende Vorgeschichte. Unsere Siedlung ist nämlich vor ein paar Wochen von mehreren Bautrupps überfallen worden, die ohne lange Vorankündigung Straßen sperrten, Bürgersteige aufrissen, Straßenquerungen frästen und damit den Verkehr mehr oder weniger lahmlegten. Unglücklicherweise auch meine eigene Baustelle, zu der keine Lieferung mehr durchdringen konnte.

Der Versuch, hierauf als Betroffener in irgendeiner Form Einfluss zu nehmen scheiterte kläglich. Die vor Ort herumlaufenden Bauarbeiter sprachen kein Deutsch, die Bauhotline war durch lange Wartezeiten gekennzeichnet. Hatte ich endlich einen Menschen am Telefon, gab er mir die Telefonnummer des Vertragspartners, der sich allerdings als telefonisch unerreichbar herausstellte. Wieder bei der Bauhotline wurde mir die Darstellung meines Anliegens über ein Kontaktformular ans Herz gelegt. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen, nichts passierte. Auch die angeblich vorhandene Kontaktmöglichkeit über WhatsApp funktionierte nicht, da ich ja kein Kunde bin und entsprechend auch keine Kundennummer habe.

Meine Pre-Customer Experience war also niederschmetternd. Nichts funktionierte, die Bautrupps zogen ihre Bauarbeiten durch, meine eigene Baustelle machte eine teure Zwangspause. Keine Chance, dies irgendwie zu beeinflussen, Kommunikation auf dem Niveau Schulnote 6 (ungenügend).

Und jetzt also der warmherzige Antritt, mich zum Kunden zu machen? Ich kann mir schon vorstellen, wie ein geschniegelter Vertreter vor der Haustür steht, mich verbal einseift und mir die rosige Zukunft der Glasfaser ausmalt. Die bei mir aber eher mit ruppigen Handwerkern, unbeeinflussbaren Abläufen und nichtfunktionierenden Lösungen assoziiert ist.

Wir haben es hier mit einer recht typischen Diskrepanz der beteiligten Einheiten zu tun. Tatsächlich sind es Ein-heiten, also in sich gekapselte Teams, die nur eingeschränkt miteinander reden. Was der Vertriebler mühsam akquiriert, wird vom Ausführer mit ein paar ungeschickten Maßnahmen kaputt gemacht. Ist der Vertrag erst mal unterschrieben, ist die Bahn frei, Kundenorientierung ade.

Egal ob Glasfaser, Versicherer, Stromanbieter oder andere Provider. In fast allen Unternehmen scheint die Trennung zwischen Akquise- und Bestandskunden wie die Trennung zwischen der Fassade und dem darunter verborgenen Plattenbau mit maroden Strukturen und einem muffeligen Hausmeister. Und hier wie da mag es im Alltag klappen, aber im Problemfall ist man leider auf den unwilligen Hausmeister angewiesen.

Da denke ich an den Ehrbaren Kaufmann und natürlich an die heute oft zitierte Nachhaltigkeit im Geschäftsumfeld. Den schnellen Euro zu machen kann auch die Glasfaser Deutschland, aber dauerhaft zufriedene Kunden kann ich mir nach meinen bisherigen Erfahrungen leider nicht vorstellen. 

Wie ungeschickt, denke ich mir, dass man durch diese organisatorischen und vor allen Dingen kommunikativen Mängel nicht nur Kunden, sondern auch noch potentielle Kunden abschreckt. Entsprechend kann ich Unternehmen nur ans Herz legen, nicht nur die Vertriebseinheiten zu fördern und zu feiern (weil sie ja Geschäft und damit Geld einbringen), sondern genauso ein wachsames Auge auf die Einheiten zu halten, die für die vielen anderen Prozessschritte zuständig sind.


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Mittwoch, 6. August 2025

Gefühle oder Fakten?

Mir gegenüber die junge Frau, schulterlange Haare, blondiert, Mittelscheitel. Darunter ein zartes Gesicht, kein Makeup, naturschön eben. Sie erinnert mich an meine Kommilitonin Sabine aus der Studentenzeit und mir wird warm ums Herz. Nicht, dass sie so schön wäre, auch nicht, dass ich damals irgendwas für Sabine empfunden hätte. Es ist viel mehr die Verbindung zu einer Zeit, einer Lebensphase, einem Gefühl damals.

Gefühle oder Fakten
In den letzten Tagen erlebe ich das immer mal wieder, freue mich mal über eine Szene, einen Geruch manchmal, eine bestimmte Musik. Was ich dann unbewusst in den Kontext irgendeiner Erfahrung oder Erinnerung gestellt bekomme.

Wie Pizza: Manchmal ist es weniger der besondere Gaumenschmaus, vielmehr irgendetwas zwischen Lebensgefühl, dolce vita, Urlaub, schönen Stunden, Rotwein und Entspannung im Trubel eines italienischen Restaurants.

Der Frühling, das aufknospende Grün. Das ist nicht einfach nur schön, es ist die Aussicht auf den Sommer, auf das beginnende Vegetationsjahr, auf Saft und Wachstum. So wie wir staunend vor Kindern stehen, ihnen beim Wachsen zuschauen und uns fragen, ob wir jemals auch so klein waren. Und sie trotz ihrer Unbeholfenheit darum beneiden.

Da bleibt gar nicht so viel Faktenwissen übrig, ist das Leben doch deutlich stärker geprägt von Gefühlen. Vielleicht Lust, vielleicht Schmerz, aber selbst sehr nüchterne Menschen verbinden Szenen mit Eindrücken wie Wärme, Kälte und Gerüchen, Enge oder Lichtverhältnissen. Und die kommen wieder, rufen Erinnerungen auf.

Die junge Frau steht auf, richtet sich darauf ein, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Nein, mache ich mir klar, sie sieht nicht aus wie Sabine, hat auch nicht ganz ihre etwas mürrische Art, aber die Haare waren einen Moment lang die Brücke in meine Studentenzeit.

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Mittwoch, 30. Juli 2025

Fühlst du was?

Wenn ich mich im Fitnessstudio umschaue, gibt es dort zahlreiche Personen, die sehr engagiert Sport betreiben. Manche versuchen ihre Figur in Form zu bekommen, ihre Muskulatur vor dem Abbau zu bewahren oder sich mit ein paar Bekannten gemeinsam zu bewegen.

Und daneben gibt es die Männer und Frauen, die nicht nur engagiert, sondern geradezu fanatisch an den Geräten hocken, auf den Fahrrädern strampeln oder beim Tabata ihr Letztes geben. Das hat dann nichts mehr mit Gesunderhaltung zu tun, sondern mit einem Kampf gegen den eigenen Körper. Sport ist eine Herausforderung, die Steigerung der Gewichte ein Elementarziel.

Sport wird erlebbar, als Schweiß bei der Anstrengung, als brennende Muskulatur, als tagelange Nachwehen des Trainings. Auch die gelegentlichen Stürze bei den Ausfahrten beim Downhill gehören dazu, die kaputten Bänder nach den Abfahrten auf den Schwarzen Pisten und die Verletzungen nach dem Bungeejumping.

Feinere Bewegungsformen, Koordination der kleinen Muskulatur, Achtsamkeit und innerer Weg sind zu leise, um beim Körper oder gar bei dessen Menschen anzukommen.

Fühlst du was
Und so geht es natürlich nicht nur beim Sport. Auch im Umgang mit sich selbst, den Mitmenschen, Partnern und dem Job müssen die Reize schon ziemlich stark sein, damit sie überhaupt wahrgenommen werden.

Durch diesen Mangel an (Fein-) Gefühl ist der Umgang miteinander für beide Seiten erschwert. Wer nur starke Erregung seines Gegenübers erkennt, wird natürlich keine feinen Schwingungen im Bereich der Beziehungsebene bemerken können. Wer sich von diesen Personen verletzt fühlt, muss das schon sehr deutlich zum Ausdruck bringen. 

Andererseits geht es ihnen aber auch wie Gehörlosen. Da diese sich auch nicht selbst hören können, können sie nicht einschätzen, wie laut sie reden. Und sie hören ihren eigenen Tonfall nicht. So auch bei Gefühls-Losen. Nicht selten erleben wir theatralische Gesten, deutliche Übertreibungen mit tränenreichen Szenen und umfassender Betonung der eigenen Gefühlswelt.

Aber um im Bild zu bleiben: Sie hören die Gefühle ihres Gegenübers nicht. Mit viel Anstrengung versuchen sie teilweise, diesen Mangel durch Interpretation von (sachlichen) Symptomen auszugleichen. Mimik, Gestik und Körpersprache überhaupt wird als Ergänzung zu den Inhalten einer Konversation für die Gefühlsinterpretation hinzugezogen.

Herzenswärme und Sensibilität sind im Wesentlichen angeborene Eigenschaften. Diese können wir nicht bei uns und schon gar nicht bei unseren Mitmenschen verändern. Von daher kann man zurückkommend auf den Sport nur schauen, ob man vielleicht in einen anderen Kurs geht oder sich beim halsbrecherischen Mountainbiking nicht anschließt.

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Mittwoch, 23. Juli 2025

Der ist aber Geschäfts-tüchtig

Ein Freund von mir ist Vorstand in einem Unternehmen, das verschiedene Spiel-Bausteine und sonstiges Material für kreative Entfaltung herstellt. Im ersten Moment würde man vermuten, dass er ein schöpferischer Mensch ist, vielleicht sogar selbst ein wenig verspielt und kindlichen Basteleien zugeneigt.

Das ist aber absolut unzutreffend. Und ein Blick auf seine Vita verrät, dass er vorher schon führende Positionen in verschiedenen anderen Unternehmen, IT-Anbietern oder in der Glasprodukte-Herstellung bekleidet hat. In den seltensten Fällen steht hier Kreativität im Mittelpunkt, vielmehr geht es um das Management von Unternehmen oder Abläufen.

Geschäftstüchtig
Und genau das ist seine starke Seite. Er ist Geschäfts-tüchtig. Ganz wörtlich zu verstehen, nämlich als eine Person, die Geschäfte oder Potential entdeckt, sie genauer betrachtet und dann an die Umsetzung geht. Oder gehen lässt.

Jeden Tag bringt er neue Geschäfts-Ideen mit. Nur ein paar Schritte vor die Tür und schon stellt er sich die Frage, wie man mit einer Maschine den Bürgersteig automatisiert reinigen kann, ob es hierfür einen Markt gibt und ob man damit ein profitables Geschäft aufmachen kann.

Selbst wenn sich einer der zahlreichen Ansätze nicht weiterverfolgen lässt, bereits realisiert ist oder erwartbar dann doch keinen Gewinn abwirft – macht nichts, die nächste Idee kommt bestimmt. Gerade dieser Einfallsreichtum ist also sein zentraler Wert, anwendbar in allen Branchen, nutzbringend bei Up- und Cross-Selling.

Das funktioniert allerdings nur unter gewissen Randbedingungen. Naheliegend muss man einkalkulieren, dass ein merklicher Teil der Ansätze nicht zum Fliegen kommt. Ebenso ist es unabdingbar, einen gewissen Mut an den Tag zu legen. Wer Vakuumformer aus der Automobilindustrie plötzlich für die Produktion von stylischen Parfumflakons verwenden möchte, macht sich nicht gerade zum Liebling der Männer am Band.

Schließlich darf man solche Perlen auch nicht mit Zahlenmaterial und Berechnungen von Return-on-Investment bremsen. Das müssen dann andere Personen übernehmen, Controlling behindert im Entstehungsablauf neuer Ansätze. An dieser Stelle der Verweis auf Walt Disney, der die Entwicklung neuer Produkte in Phasen unterteilt hat, die jeweils von unterschiedlichen Rollen begleitet werden.

Wer also fortlaufend neue Impulse gibt, in jedem Ding ein Geschäft sieht und seine Mitmenschen mit immer neuen Ansätzen traktiert, der ist nicht unbedingt geldgierig, sondern sollte eher als eine Art Trüffelschwein verstanden werden.

Und bekanntlich gibt es außer Trüffeln noch andere Bodenschätze, die es zu entdecken und auszugraben gilt.

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Mittwoch, 16. Juli 2025

Das war anders geplant

Da steht es nun, in sorgfältiger Projektierung und Umsetzung entstanden, ein repräsentatives Gebäude mit modernem Eingangsbereich und funktionaler Ausstattung. Geschickt ist das Foyer mit einem Empfang ausgestattet, sind die Flure auch Besucherströmen gewachsen und die Büroetagen so variabel wie möglich gestaltet.

Eine breit dimensionierte Treppe lädt Mitarbeiter und Gäste ein, aus der Eingangshalle in den ersten Stock und dort in den Konferenzbereich oder auch in die Kantine zu gelangen. Soweit die Gedanken des Architektenteams, wie ich vermute. Denn an dieser Stelle entwickeln sich die Menschenströme ganz anders als erwartet. Nicht die Haupttreppe wird als Verbindung ins Obergeschoß genutzt, sondern eine kleine Nebentreppe, über die sich täglich nahezu alle Mitarbeiter des Hauses zum Mittagessen bewegen.

Das war anders geplant
Diese kleine Nebentreppe liegt besser und erfordert - im Gegensatz zur repräsentativen Gebilde im Foyer - kein Aus- und Einchecken. Wer diese nutzt scheut entweder den Rummel im kleinen Treppenhaus, will sich die Füße vertreten oder hat einen anderen recht speziellen Grund, diesen Weg zu wählen.

Der Plan der Konstrukteure scheitert also hier an der Wirklichkeit. Was wir ja auch an anderen Stellen erleben, bei denen mehr oder weniger offensichtlich die spätere Nutzung nicht richtig eingeschätzt wurde. Mal schätzt man seine eigenen Bedarfe falsch ein und kauft ein Auto, das zwar schick, aber für Wocheneinkäufe höchst ungeeignet ist. Ein anderes Mal erlebt man Fehlkonstruktionen wie unpraktisch platzierte Schalter oder in der heutigen Zeit immer wieder, dass häufig genutzte Steuerungen sich in den Tiefen von Menübäumen verstecken.

Als Abnehmer kann man da nicht viel machen, es sei denn, man kann die Umsetzung beeinflussen. Aber als Planer ist doch einiges Potential beim Entwurf und Vorabtest der Entwicklung. Gerade durch die Ausbreitung Künstlicher Intelligenz werden Simulationen immer einfacher, aber auch die klassische Befragung, vielleicht Pilotierungsphasen oder schlicht der Vergleich mit Lösungen anderer Anbieter oder Kunden können wichtige Informationen liefern.

Übrigens kann man gelegentlich auch Analogien nutzen und mathematisch handhabbare Modelle bemühen. Im Zusammenhang mit dem Treppenhaus könnte ein Physiker recht einfach zeigen, welchen Weg eine Sammlung von Gasteilchen nehmen würde. Und damit zuverlässig prognostizieren, ob die Mitarbeiter später die Hollywood-Treppe oder die Alpen-Stiege nehmen werden. Man muss sie (die Soziophysiker) nur fragen.

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Donnerstag, 10. Juli 2025

Sechs Seelen wohnen ach in meiner Brust

Vor einiger Zeit kam ich in den Genuss, eines dieser modernen Autos zu fahren, die mit allerlei intelligenten Helferlein ausgestattet sind. Da gibt es neben Lichtautomatik auch Sensoren für die Scheibenwischer, permanente Überprüfung des Reifendrucks und der Innenraumtemperatur.

Doch nicht nur die vorbeugende Diagnose von potentiellen Ausfällen, auch die Beratung mit Tendenz zur Bevormundung spielen eine wichtige Rolle. Erkennt ein Fühler eine Belastung des Sitzes, besteht er auf der Verwendung des Sicherheitsgurtes, auch wenn dort keine Person, sondern ein Umzugskarton Platz bekommen hat. Wer der anfänglich penetrant-piepsenden Ermahnung zum Schließen des Gurtes nicht nachkommt, wird durch einen Nothalt zur Aktion gezwungen.

Sechs Seelen wohnen ach in meiner Brust

Diese ganzen Assistenzsysteme wurden für die Verbesserung von Sicherheit und Fahrkomfort entworfen und dem Auto als Kombination aus zahlreichen Messgebern, Computern und Software mitgegeben. Und wie im menschlichen Leben muss dieser Hofstaat natürlich als Ganzes gesteuert und koordiniert werden.

An dieser Stelle wird es dann amüsant, weil sich die Systeme nicht in jedem Fall ergänzen, sondern sich auch mal gegenseitig widersprechen. Nach Aktivierung des Tempomats mit Erkennung der Verkehrszeichen weiß das Auto zwar, wie schnell es fahren darf, wird aber gleichzeitig von einem anderen Assistenten (Geschwindigkeitskontrolle) ermahnt, wenn es zum Beispiel bergab ein wenig über der anzustrebenden Geschwindigkeit liegt. Einfacher wäre es vielleicht, wenn der Kontrolleur direkt mit dem Tempomat spricht und eine sanfte Bremsung veranlasst, statt dass die beiden Assistenzen sich wie balgende Kinder bei mir als Fahrer beschweren.

Doch damit nicht genug. Vorausschauend weiß irgendein kluger Assistent auch, dass in absehbarer Entfernung eine neue Geschwindigkeitsbegrenzung gilt und lässt das Auto schon mal langsamer werden. Damit wiederum kann der Tempomat nicht umgehen und stellt sich weit vor der Beschilderung schon auf die neue Geschwindigkeit ein – sehr zur Freude der Hintermänner.

Irgendwo zwischen aktuellem Tempolimit, vorausschauendem neuem Tempolimit und Einstellung des Tempomaten landet dann die tatsächliche Geschwindigkeit. Sicher nicht zufällig, aber auch nicht so ganz deterministisch.

„Zwei Seelen, wohnen ach in meiner Brust.“ – Ach, möchte ich ergänzen, wenn es doch nur zwei Seelen wären. Und hatte Faust auch schon einen Audi A6?

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Mittwoch, 2. Juli 2025

Jetzt mache ich es mir mal leicht

 Ein Hohelied auf die tapferen Menschen, die unermüdlich versuchen, ihre Arbeit auch gegen Widerstände zu erledigen. Sich zwischen Auftrag und zur Verfügung stehenden Mitteln aufreiben. Und auf deren Grabstein vielleicht steht, dass sie sich im Namen der Gemeinschaft zu Tode geschafft haben. Eine bewundernswerte Fraktion der Menschen, die sich aufopfert, die alles möglich zu machen versucht und sich dabei am Ende doch nur verschleißt.

Jetzt mache ich es mir mal leicht

Wie viel schlauer agieren die Menschen, die auf sich achten, die einen Job machen und wenn er nicht getan ist trotzdem entspannt in den Feierabend wechseln. Die Work und Life nicht balancieren, sondern bei sich anfangen und das was nach der Selbstbedienung übrigbleibt laut tönend als Arbeitskraft anbieten, für die sie eine angemessene Entlohnung erwarten. Wobei sie selbst definieren, was sie unter „angemessen“ verstehen.

Neulich auf dem Bahnhof wieder ein Zugausfall nach dem anderen. Grund: Kurzfristiger Personalausfall. Eine bunte Mischung aus Zutaten ist notwendig, um es hierzu kommen zu lassen. Im ersten Moment fällt einem eine zu geringe Personalausstattung ein. Dann die Moral der Personen, die zur Verfügung stehen. Mehr als früher kommt es zu Krankmeldungen, die Vermutung eines leichtfertigen Umgangs mit angeblicher Arbeitsunfähigkeit liegt nahe. Dann die Organisatoren, die dies ohne erkennbare Gegenmaßnahmen hinnehmen. Wie viel leichter ist es, die Reisenden stehen zu lassen, als den Missstand abzustellen.

Die Kombination aus Konsequenzlosigkeit und innerer Unverbindlichkeit macht dieses Ergebnis erst möglich. Bei hoher Arbeitslast fühle ich das Recht, nicht mehr ans Telefon gehen zu müssen. Wer etwas von mir will, wird noch mal anrufen. Gar nicht der Anspruch, die Arbeit gut zu machen oder Kunden ein gutes Produkt anzubieten. Kunden, Arbeit, Aufträge sind nur Faktoren, die mich in dem mir zustehenden Leben stören.

Der easy way of living hat also heute sein ganz eigenes Gesicht. Ohne es auszusprechen, läuft der Dienst nur nach Vorschrift, Schwerpunkt liegt auf einem pünktlichen Feierabend, Störungen des Wohlbefindens werden einfallsreich umgangen. Die Erkenntnis der Unterbezahlung, des undankbaren Arbeitgebers und der lästigen Kunden wird zum Mittelpunkt der Lebensplanung erhoben.

Und das macht natürlich beim Berufsleben noch nicht Schluss. Auch in der Partnerschaft steht stets die Frage nach dem eigenen Vorteil und dem Min-Max-Prinzip im Raum. Was habe ich davon, bin ich insgesamt der Nutznießer und ist es auch insgesamt nicht zu anstrengend?

Doch Oweh, leider hat auch diese Medaille zwei Seiten. Sensible Menschen merken vielleicht, dass es ihnen nur vorübergehend gut geht und sich danach eine gewisse Leere breitmacht. Die Entspannung von der Entspannung ist langweilig. Es fehlen Inhalte, Antrieb und Ziel, die „leuchtenden Augen“ für irgendeinen Menschen oder irgendeine Sache. Diese leuchtenden Augen zu entwickeln, zu pflegen und zu erhalten ist eine mühsame Aufgabe, gar nicht leicht, die sich allerdings in Form einer inneren Zufriedenheit mit Tendenz zum Glücklichsein auszahlt.

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Mittwoch, 25. Juni 2025

Wo seid ihr denn alle?

Da war die Welt recht einfach. Im Dorf lebten ein paar hundert Menschen, erwachsene Männer, Frauen, aber auch Kinder und Greise. Ohne genau hinschauen zu müssen konnte man die Tätigkeiten erkennen, für die Metallarbeiten gab es den Schmied, für das Backwerk den Bäcker und für die Landwirtschaft den Bauern. Etcetera. Dazu Gesellen, Helfer, Handlanger. Da man diesen kleinen Kosmos in seinem Leben kaum verlies war die Entwicklung begrenzt, bestenfalls wurde ein besonders gutes Schulkind vom Lehrer oder dem Pfarrer gefördert. Die anderen waren als Knechte und Mägde geboren und wurden auch als solche beerdigt.

Einfache Arbeit, ein Leben lang, dazwischen die Gründung einer Ehe und das Gebären von Kindern.

Wo seid ihr denn alle

In folgenden Jahrzehnten wurde die Welt größer, Arbeit wurde nicht nur im eignen Dorf vollbracht, sondern auch in im Nachbardorf, der nächstgelegenen Stadt sogar. Die Auswahl an Tätigkeiten nahm zu, die Anzahl potentieller Partner, aber auch der Anspruch an die Qualifikation. Ein wenig Einkommen sicherte nicht nur das eigene Überleben, es konnte auch hier und da ein wenig Komfort hervorbringen.

Doch hierfür reichte es nicht mehr, eine Harke in die Hand nehmen zu können oder einen Eimer unter das Euter der Kuh zu stellen. Zunehmend wurden auch Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben erwartet, je nach Tätigkeit auch einfache handwerkliche oder geistige Fähigkeiten.

Und so ging es weiter. Heute sind wir auf dem Niveau, dass selbst scheinbar einfache Arbeiten ein gerütteltes Maß an Intellekt und technisches Verständnis erfordern. Eine Putzkraft muss die unterschiedlichen Putzmittel verstehen und diverse Geräte bedienen können. Und das, obwohl sich die Maschinen wie auch die Chemie im Laufe der Jahre immer wieder ändern und anders zu handhaben sind. Noch stärker betroffen sind manche Sachbearbeiter, von denen erhebliches Computerverständnis erwartet wird, obwohl sie im Grund nur einfache Vorgänge bearbeiten müssen.

Wo sind sie denn, die Knechte und Mägde, die für eine einfache Tätigkeit ihr Auskommen hatten? Die aber diese Tätigkeiten auch ausführen konnten und nicht permanent überlastet waren? Was machen wir im modernen Arbeitsleben mit Personen, die nicht mit Künstlicher Intelligenz groß geworden sind?

Es gibt sie ja immer noch. Menschlich, charakterlich, geistig wie vor hundert Jahren. Aber nicht nur die Arbeitswelt hat sich geändert, auch die Ansprüche sind gewachsen. Für täglich anstrengende Arbeit auf dem Acker oder auf dem Bau wird niemand mehr mit dem finanziellen Überleben der Familie Vorlieb nehmen. Allerlei soziale Sicherungen und Unterstützungen greifen, um eine moderne Grundversorgung sicher zu stellen, die je nach Perspektive schon recht komfortabel erscheint.

Und so verzerrt sich der Markt auch an dieser Stelle vollends, wird aus sozialen Gesichtspunkten eine Leistung bereitgestellt, die nicht der angebotenen Arbeit entspricht.

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Mittwoch, 18. Juni 2025

Prozesse sind auch so eine Art Schachspiel

Prozesse sind auch so eine Art Schachspiel
Da stehen die Figuren auf dem Spielfeld. Es sind Berater, Vertriebsmitarbeiter, Software-Entwickler, Business-Analysten, Fachspezialisten und noch eine ganze Reihe weiterer Rollen. Jede hat ihre Eigenschaften, kann bestimmte Bewegungen auf dem Feld machen, auf den Kunden eingehen oder bestimmte Konstellationen ermöglichen.

Ziel ist es, den König Kunde so einzukreisen, dass er gar nicht mehr anders kann, als das angebotene Produkt zu kaufen. Dabei kann sich der König aber durchaus auch bewegen und wird beraten von allerlei anderen Figuren, allen voran von der Königin. Es gilt also, die Züge der Kundenseite entweder einzuschränken oder in anderer Form darauf zu reagieren.

Rollen und Beschreibungen in den Regelwerken der Spiele haben viele Parallelen. Darf der einfache Pfleger im Krankenhaus nur eine Infusion austauschen, darf der Assistenzarzt auch die Braunüle setzen. Jedem seinen Zuständigkeitsbereich, jedem seine Verantwortung, aber auch jedem die ihm zugetraute Arbeit.

Und das hat dann natürlich Auswirkungen auf die Prozesse. Wie einfach wäre es, wenn der Pfleger den Patienten komplett mit seiner Kochsalzlösung versorgen könnte. Handwerklich wäre das denkbar, medizinisch durchaus akzeptabel. Doch um beim Schach zu bleiben darf ein Springer sich nun mal nicht bewegen wie ein Läufer, wenn diese Spielregeln abgeschafft würden, wäre Schach deutlich weniger komplex und damit als Spiel weniger attraktiv.

Aber sollen Prozesse denn im Sinne eines Spieles attraktiv oder gar spannend sein? 

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Mittwoch, 11. Juni 2025

Wir müssen an unserer Fehlerkultur arbeiten

Modethema: Fehlerkultur. Der Begriff kommt erst mal ein wenig schwammig daher, ist aber massiv emotional aufgeladen. Es ist ganz wichtig, Fehler zu machen oder auch nicht zu machen, sie anzusprechen oder auch nicht, aus ihnen zu lernen oder auch nicht... Jedenfalls sind Fehler a priori nichts Schlechtes, besser sollte man sie nicht allzu deutlich thematisieren, um seine Mitmenschen nicht zu verletzen.

Wir müssen an unserer Fehlerkultur arbeiten
Lippenbekenntnisse sind das, denn wenn wirklich mal etwas so richtig schief läuft, ein Projekt gegen die Wand fährt, ein erheblicher Betrag verloren geht oder ein wichtiges Geschäft nicht zu Stande kommt - dann ist nach wie vor die Hölle los.

Aber auch in der anderen Richtung ist der zärtliche Umgang mit Fehlern selten hilfreich. Sorglos drauflos gearbeitet, schlampig gewurschtelt, Risiko eingegangen und dann schiefgegangen. Macht nichts, das kann jedem passieren und aus Fehlern lernt man und er hat es ja nicht absichtlich gemacht und so weiter...

Auch nicht viel besser. Wir ermuntern die Mitmenschen damit zu wenig sorgfältiger Arbeit, schlimmstenfalls sogar zu draufgängerischem Verhalten, bei dem man im Grunde nur gewinnen kann. Geht es gut, hat man gegenüber den Zauderern und Pedanten die Nase vorn; Fliegt es einem um die Ohren, verweist man darauf, dass es ja jedem passieren kann und man aus Fehlern lernt. Fertig, und weiter geht es.

Natürlich kann man sich Jesus Christus anschließen, dass nur der sündenfreie Mensch mit Steinen werfen darf. Aber das würde ja jede Kritik im Keim ersticken. Und es ist unbestritten, dass sich die Fehlerwahrscheinlichkeit schon deutlich beeinflussen lässt.

Gerne werden in diesem Zusammenhang kleine Kinder erwähnt, die Laufen lernen. Nach jedem Hinfallen stehen sie wieder auf, bis es mit dem Herumwackeln auf zwei Beinen immer besser und stabiler funktioniert. Allerdings lernt der kindliche Körper auch tatsächlich aus jedem Gehversuch, korrigiert unbewusst mal diese Muskelanspannung, ändert mal dort das Timing, bis es klappt. Der Körper lernt aus seinen Fehlern, er wiederholt nicht immer dasselbe Setting.

Aber wir können etwas anderes von den Kindern lernen: Draufgänger können nicht früher laufen, sie fallen bloß heftiger auf die Nase. In der Praxis sind es die intelligenten und möglichst auch sensiblen Kinder, nicht zu ängstlich, die als erste auf eigenen Füßen stehen. Und genau so sollten wir auch als Erwachsene durch das Leben gehen.

Fehler sind für eine Entwicklung mehr oder weniger unausweichlich. Aber man muss sie wie Risiken behandeln und entsprechend managen. Ein ungebremstes Drauflos-Arbeiten ist jedenfalls nicht der richtige Ansatz. Und ein Schulterzucken mit dem Hinweis auf "no risk, no fun" reicht im unternehmerischen Kontext sicher auch nicht.

Es gilt eine Balance zwischen Mut und Wagemut, zwischen gezieltem Experiment und Herumprobieren zu finden.

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Mittwoch, 4. Juni 2025

Wenn du es glaubst... ist es zu spät

Gerade wehren wir uns wieder gegen eine massive Preissteigerung, die uns ein amerikanischer Lieferant aufzudrücken versucht. Das Schema ist dabei immer gleich. Nach Jahren einer gewissen Stabilität und damit einem Vorgang, den ich als "Einnisten" bezeichnen möchte, kommt ein Angebot für eine neue Produktzusammenstellung, die unter Wegfall der alten und notwendigen Produkte nun völlig unnötige Komponenten enthält, dabei aber auch um ein Vielfaches teurer ist.

Wenn du es glaubst, ist es zu spät
Grundsätzlich kein schöner, aber ein etablierter und möglicher Ansatz, mit seinen Kunden umzugehen. Nach reiflicher Überlegung wird dann geprüft, ob man die Leistung auch auf anderem Weg oder von einem anderen Anbieter bekommen kann. Ist die neue Situation zwar ärgerlich, aber insgesamt noch erträglich, dann diskutiert man noch ein wenig, versucht das Beste daraus zu machen und zahlt die erhöhte Gebühr.

Aber es gibt natürlich eine Schmerzgrenze. Sei es, dass man den Preis nicht bezahlen kann oder will, sei es, dass man mit dem Geschäftsgebaren als solchem hadert. Oder schon vorher einen gewissen Wechselwillen hatte. Unabhängig von der Begründung laufen die Verhandlungen dann ganz anders. Ohne Hehl wird auf das absehbare Ende der Geschäftsbeziehung hingewiesen. Wird dargestellt, dass nur ein komplettes Einlenken eventuell noch retten kann, was zu retten ist.

Nun ist das aber für die Gegenseite nicht unbedingt zuverlässig bewertbar. Wird hier gepokert, ein wenig Gegendruck aufgebaut oder ist vielleicht doch ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit und Wechselwillen vorhanden? Je nach Mentalität wird dann dagegengehalten, die Wichtigkeit des Geschäftes abgeschätzt und ebenfalls geblöfft und gepokert, was das Zeug hält. Doch was soll ich sagen: Wer schon innerlich gekündigt, den Markt gesichtet und eine Entscheidung getroffen hat, der ist als Kunde verloren.

Und wenn die Anbieter dies endlich realisieren und noch mit einem Friedensangebot kommen, ist es zu spät.

Ich weiß, das ist die Natur von Poker. Und dieses Spiel wird nicht nur im Spielcasino gespielt. Nur darf man sich nicht wundern, wenn man hier wie da verliert, weil man eben doch nicht das Blatt hat, das zum Gewinnen reicht.

Obendrein stellt sich für mich immer mal wieder die Frage, ob Pokern wirklich der richtige Ansatz ist, wenn man über (Geschäfts-) Beziehungen spricht. Denn selbst wenn es gut läuft und man vorübergehend gewinnt, bleibt am Ende ein bitterer Nachgeschmack, der sich auch in die Zukunft auswirkt und das vielbeschworene Vertrauensverhältnis mehr oder weniger nachhaltig beschädigt.

Mittwoch, 28. Mai 2025

Endlich gibt es Citizen Development

Geradezu altmodisch wirken Einrichtungen wie Betriebliches Vorschlagswesen, Ideenbörsen, Innovationsworkshops und Kreativitätskampagnen. Selbst wenn diese Ansätze grundsätzlich gut funktionieren, haben sie doch alle einen verbindenden Nachteil. Man steht nach Abschluss der Generierung vor einem Berg von potentiellen Verbesserungen, die weiterbearbeitet, in die Praxis überführt und dort integriert werden müssen. Nicht alleine die Fragen nach dem Business Impact, dem Aufwand und natürlich dem Return of Investment müssen beantwortet werden. Schon die Suche nach einem kompetenten Ansprechpartner kann sich ziemlich schwierig gestalten.

Und als ob das nicht mühsam genug wäre, verlangt der Impulsgeber, Einreicher, Kreativkopf dann auch noch eine Belohnung, eine Prämie, vielleicht sogar eine Beteiligung am Gewinn oder der realisierten Einsparung.

Endlich gibt es Citizen Development

Doch auch die Empfängerseite ist natürlich einfallsreich. Weg mit diesen verstaubten Prozessen, Gutachten, Gremien und gegebenenfalls Gratifikationen. Wer Optimierungen erkennt, der bekommt Hammer und Nägel ausgeliehen und kann selbst zum Zimmermann werden; ob er das nun kann oder nicht. Es macht doch schließlich Spaß, sich mit IT zu beschäftigen, mit sogenannten No-Code-Low-Code-Anwendungen seinen Bedarf selbst abzubilden. Und nachher das gute Gefühl, sein Arbeitsumfeld verbessert zu haben, im Idealfall sein Werk präsentieren oder Kollegen zur weiteren Benutzung bereitzustellen.

Nur mit der Prämie, naja, da wollen wir mal nicht so genau drüber reden. Und die erforderliche Beschäftigung mit tätigkeitsfremden Technologien und die Lösung der nahezu zwangsläufig auftretenden kleinen und großen Probleme sollte idealerweise neben der Hauptberufung, besser noch in der Freizeit, stattfinden. Zudem lehrt die Praxis, dass der schnell in der MS Power Platform zusammengeklickte Workflow im Laufe der Zeit dann eben doch einen spezialisierten IT-Fachmann erfordert. Von Dokumentation, Wissenstransfer und Revisionssicherheit mal ganz zu schweigen.

So entpuppt sich dieses moderne Instrument als Mogelpackung. Nicht alleine das Versprechen der einfachen und intuitiven Bedienung ist bis auf sehr simple Fälle eine glatte Lüge. Auch beim Ernten der Früchte ist die Bilanz für die Aktiven absolut unbefriedigend. Und im Sinne von Nachhaltigkeit, Professionalität, Standardisierung, Wissensmonopolen muss man insgesamt betrachtet eher ein rotes Label an die Produkte hängen.

Als Trost lässt sich nur festhalten, dass sicher in ein paar Jahren ein findiges Beratungshaus ein spezielles Angebot für die Migration solcher Entwicklungen in reguläre Applikationen macht oder die interne IT-Abteilung mit dem Aufräumen des Kinderzimmers beauftragt wird.

Mittwoch, 21. Mai 2025

DNA und Kernkompetenz

Vorwerk, so habe ich mir erzählen lassen, ist als Hersteller von Teppichen und Teppichböden gestartet. Im Laufe der Unternehmensgeschichte wurde dann die Sparte Staubsauger gegründet und heute beruht ein merklicher Teil der Umsätze auf einer heizenden Küchenmaschine. Was haben diese Produkte aus Kundensicht miteinander zu tun, fragt man sich. Kann man von der Auslegeware vielleicht noch auf deren Pflege kommen und so das Portfolio ergänzen, fällt der gedankliche Wechsel in die Küche schön deutlich schwerer.

Und doch ist es ein Unternehmen, werden die Produkte aus demselben Haus verkauft und müssen also eine gewisse Verbindung haben. Wer jemals einen Kobold (klassischer Bodenstaubsauger) gewartet hat, der bekommt leuchtende Augen. Einheitliche Schrauben, erreichbare Klemmen, leicht verständliche Grundtechnik mit wenigen Handgriffen aus- und umtauschbar. Schon von der Konstruktion her ein Produkt, das einen ein Leben lang begleiten kann, auch wenn es zwischendurch mal einen ernsten Defekt hat. In der Funktionalität simpel und für die Kunden spontan überzeugend, was ursprünglich zu den berühmten Vorwerk-Vertretern geführt hat.

DNA und Kernkompetenz

Nun also ein Thermomix. In der aktuellen Generation auch wieder herausstechend zwischen Konkurrenzprodukten, für die Kunden überzeugend, macht er sowohl in der Bedienung als auch in den Ergebnissen einer weltweiten Community viel Spaß. Mit Rezeptclubs, Apps und Kochpartys kommt auch ein Hauch von Tupper-Feeling hinein.

Fast bin ich neugierig, welcher Coup diesem Unternehmen als nächstes gelingt. Offensichtlich hat es ein paar Grundqualitäten, die es über die Zeit und auch über die verschiedenen Produkt- und Zielgruppen hinweg beibehält. Fast wie die DNA eines lebendigen Organismus scheint es Abwandlungen zu geben, ohne dass es deshalb zu einer ganz neuen Spezies kommt. Diese DNA geht weit über den oft benutzten Begriff der Kernkompetenz hinaus.

Verständnis für Stoffe, technisches Knowhow beim Weben von Fasern, Produktionsstraßen für Teppichbahnen und Vermarktungskanäle. Das war der Ausgangspunkt für die Entwicklung. Für einen Thermomix brauche ich nichts davon, und das, was vielleicht wiederverwendbar wäre (die Vermarktungskanäle), hat sich über die Zeit massiv verändert. Ist es die Praxistauglichkeit, die Kundenorientierung, die Langlebigkeit oder die fast schon eingebaute Weiterempfehlung der Kunden durch Mundpropaganda? Irgendwas jenseits der Kernkompetenz - die auch von Mitbewerbern am Markt angeboten wird - macht Vorwerk einzigartig. Wie eine DNA eben.

Nun finde ich dieses Beispiel deshalb bemerkenswert, weil es sehr schön die Entkopplung von Unternehmen und Produkten zeigt. Neben einer evolutionären Weiterentwicklung seiner Produkte kommen auch revolutionäre Antritte in Frage, aber eine stabile Erfolgsstory bleibt es nur, wenn man sich der inneren Werte bewusst ist und diese fortführt. Schätzen Kunden etwa den konservativ-vertrauenswürdigen Auftritt, dann hänge ich sie mit einem hippen Ansatz und coolen Werbebotschaftern ab - umgekehrt natürlich auch.

Wie in jeder Beziehung: Wer bin ich, was kann ich (Kompetenz) und raus auf den Markt, flirten was das Zeug hält. Eine längerfristige Verbindung wird es aber nur, wenn die inneren Werte (DNA) zusammenpassen und die hieraus abgeleiteten Erwartungen auch erfüllt werden können.

Mittwoch, 14. Mai 2025

Das Fermatsche Prinzip

Das Fermatsche Prinzip
Eingängig formuliert besagt das Fermatsche Prinzip, dass Licht nicht den kürzesten, sondern den schnellsten Weg wählt. Das hat Auswirkung auf Phänomene wie Lichtbrechung und auch Glaslinsen würden nicht funktionieren, wenn es dieses Prinzip nicht gäbe. Doch auch im Alltag holt es uns immer wieder ein. Ziemlich naheliegend kennen wir es vom Navigationsgerät, das im Standardfall die schnellste Route vorschlägt und nicht den kürzesten Weg wählt.

Ebenfalls noch recht offensichtlich erfahren wir das Prinzip beim Fahren auf schneeglatter Fahrbahn. Das Überholen unseres langsam fahrenden Vordermanns will wohl überlegt sein, denn möglicherweise müssen wir auf der freien, aber schneebedeckten Überholspur langsamer fahren als das Fahrzeug vor uns. Analog auch beim Fußweg über asphaltierte Bahn versus matschiger Seitenstreifen.

Doch auch Prozesse kennen dieses Phänomen. Nimmt man den kürzesten Weg, ist eventuell eine Prüfstelle eingeschaltet, die für Verzögerungen sorgt. Oder es fehlt die Fürsprache von einem Unbeteiligten, der für eine ansonsten mühsam anzufordernde Freigabe sorgt. Ähnlich zu einer Umgehungsroute der Autobahn kann man eine Staustelle umgehen. Sind die Berater für Bestandskunden überlastet, ist in manchen Fällen ein Vertriebsmitarbeiter für Neukunden hilfreich.

Viele Wege führen, wie man so sagt, ans Ziel. Und bei der Auswahl sollte man nicht nur den naheliegendsten (weil "normalen") Weg in Betracht ziehen, sondern auch mögliche Umwege, die aber im Endeffekt schneller ans Ziel führen.

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Mittwoch, 7. Mai 2025

Es geht nichts über klingeln

Ein Arbeitskollege von mir ist ein fleißiger Geselle, der so manches Problem gelöst bekommt. Das nicht nur in geradezu aufopferndem Einsatz, sondern auch durch unermüdliches Herumprobieren und Erforschen aller Möglichkeiten.

Etwas weniger positiv formuliert könnte man natürlich auch sagen er durchblickt das System nur teilweise und fummelt mehr oder weniger unstrukturiert daran herum. Dabei bindet er diverse andere Kollegen ein, die mal dies, mal das anpassen und in nicht wenigen Fällen dann auch wieder rückgängig machen müssen.

Wie auch immer man diese Eigenschaften in Worte fasst, jedenfalls ist er am Ende seiner Machenschaften der strahlende Held, der die Situation gerettet und das System wieder ans Laufen bekommen hat.

Es geht nichts über klingeln
Ziemlich langweilig dagegen ein anderer Mitstreiter. Ihm vorgelegte Probleme werden in aller Ruhe analysiert, es kann sein, dass er selbst in größter Not einige Zeit nicht ans Telefon geht. Aber dann hat er eine Annahme über die Ursache, spricht gezielt den richtigen Fachmann an, löst das Problem und das war’s. Keine hektischen Änderungen an diversen Stellen, keine Emergency-Backups, ruhiger Schritt, geräuschlos.

Aber wer bekommt am Ende des Jahres den Orden für die größten Erfolge, für die wichtigsten Reparaturen, die spektakulärsten Aktionen? Leider eben nicht der Genosse, der die Problem behebt bevor man sie bemerkt, sondern der, der mit viel Wirbel über Wochen hinweg über seine engagierten, aber nun mal erfolglosen Rettungsversuche berichtet.

Tue Gutes und berichte darüber ist das mindeste, was man den stillen Zeitgenossen raten kann. Für sehr nüchterne Typen ist auch das Führen einer Erfolgsliste ein Option oder auch mal die Situation behutsam abwarten, damit man seine Leistung nicht allzu voreilig verschwendet.

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Mittwoch, 30. April 2025

Was habe ich eigentlich davon?

Was habe ich eigentlich davon?
Bei vielen Arbeiten, angefangen beim Lernen, handwerklichen Tätigkeiten, körperlicher Anstrengung oder langweiligen Aufgaben höre ich oft die Frage nach dem eigenen Vorteil. "Was habe ich davon?", heißt es dann und ich muss eine Begründung abliefern, um die gewünschte Aktion erledigt zu bekommen. Oft und recht einfach lässt sich die Frage mit dem Hinweis auf Vergütung beantworten, es kann auch ein Schritt auf der Karriereleiter sein oder die Erreichung eines erwünschten Ziels, zum Beispiel körperlicher Fitness.

In diesen mehr oder weniger offen angesprochenen Szenarien steht also bewusst die Motivation im Mittelpunkt, wird wahrgenommen und thematisiert. Ob etwas ausgeführt oder weitergemacht wird, ist von guten Argumenten abhängig. Wenn das Gegenüber keinen Sinn erkennen kann oder will, wird es schwierig.

Wieviel leichter und besser läuft es, wenn ein Mensch innerlich motiviert ist. Er möchte intrinsisch motiviert sein Ding machen, etwas entstehen lassen oder weiterbetreiben. Eine enorme Energie, Schaffenskraft und Einsatzbereitschaft steckt in jedem einzelnen Schritt. Da muss nichts mühsam begründet, erbeten, angeregt oder unter Druck gefordert werden. Es flutscht einfach von alleine.

Doch auch diese Seite hat ihre Nachteile. Denn diese von innen kommenden Ziele sind manchmal gar nicht so wünschenswert. Da wird gekämpft, um der Partnerin zu zeigen, wer letztlich am längeren Hebel sitzt. Dem treulosen Freund mal so richtig ein Bein gestellt. Oder ein Gerichtsverfahren angestrengt, um jemand einen Denkzettel zu verpassen. Das kann sich im Einzelfall bis zur sorgsam geplanten Straftat auswachsen.

Und in diesen Fällen - Überraschung - fragt kaum jemand nach dem Sinn und dem eigenen Vorteil. Ist es denn ein erstrebenswertes Ziel, seine Macht zu demonstrieren, ist es über eine kurzzeitige Genugtuung hinaus wertvoll, einen Mitmenschen zu demütigen? Und selbst wenn es das ist, wieviel Aufwand stecke ich selbst hinein, welche Langzeiteffekte sind absehbar, wen will ich eigentlich mit meinen Aktivitäten treffen?

Hier und da steckt die Ursache nämlich in einem selbst, ein Vorwurf, den man sich heimlich macht und den man auf einen Mitmenschen projiziert. Oder der sinnlose Versuch etwas nachzuholen, was durch Ereignisse wie Trennung oder Tod nicht mehr nachzuholen ist.

Hier auf die Meta-Ebene zu wechseln, sich selbst zu beobachten und viel mehr als seinen Mitmenschen die Frage nach Ziel und Sinn zu stellen hilft Energie sparen, gute Laune zurückzubekommen und manchmal sich selbst und die äußeren Umstände nicht übertrieben ernst zu nehmen.

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Mittwoch, 23. April 2025

Das kommt auf den Kontext an

Sind 85 Euro eigentlich viel Geld? Da fallen mir gleich mal zwei Gegenfragen ein: Für wen? Und wofür? Dieser Betrag mag für manche Mitmenschen ein kleiner Reichtum sein, den sie als Wegzehrung für die ganze Woche brauchen. Andere werfen mit diesem Betrag um sich, geben ihn vielleicht nebenher als Trinkgeld. Und dann natürlich die Frage wofür. Für einen Snack in der Fußgängerzone ist es unerhört teuer, für ein technisches Gerät vielleicht ein absolutes Schnäppchen.

Das kommt auf den Kontext an
Was am Beispiel Geld noch recht einleuchtend ist, wird bei Messwerten - gerade in der Medizin - wesentlich intransparenter. Ist ein Soundso-Index von 20 gut oder schlecht? Was liegt ihm denn überhaupt zu Grunde? Meist werden zwar Grenzwerte angegeben ("im Normalfall unter 30"), aber was da genau unter welchen Randbedingungen gemessen und miteinander verknüpft wird, das wissen die beteiligten Fachleute oft selbst nicht.

Sicher ist es manchmal gar nicht notwendig die Messanordnung zu kennen, die chemischen Zusammenhänge zu verstehen oder die Wirkungsmechanismen zu durchdringen. Aber ohne dieses Wissen ist eine Interpretation bestenfalls fragwürdig. Was noch dadurch verschlimmert wird, dass das Bewusstsein für diesen Blindflug im Laufe der Jahre immer mehr abnimmt. "Denn sie wissen nicht, was sie tun" scheint hier der Leitspruch zu sein, eventuell noch zu ergänzen durch ein "aber sie setzen es durch".

Vorsicht also bei allen Zahlen. Der Kontext ist wichtig, die Herkunft spielt eine Rolle, die Randbedingungen und je nach Situation auch so eine Art "Normalwert". Wer das nicht je nach Fall recht sorgfältig berücksichtigt, muss sich über Fehleinschätzungen nicht wundern. Und alleine schon wachsam zu bleiben und auch bei vermeintlich bekannten Kenngrößen nachzufragen ist immer wieder eine Quelle seine Entscheidungskompetenz zu erhöhen.

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Mittwoch, 16. April 2025

Mit wem spreche ich, bitte?

Morgens vor dem Spiegel wird klar, dass meine Architektur in den letzten Jahren ein wenig gelitten hat, insbesondere im Bereich des Oberbauches. Der Beschluss, hier Abhilfe zu schaffen liegt nahe und ich mache mich auf den Weg, um mich von Fachleuten beraten zu lassen.

Mein erster Weg führt zur Ernährungsberatung. Ganz klar, weniger Zucker, weniger Kalorien, eine ausgewogenere Auswahl an Lebensmitteln und die Sorge um die gesunden Inhaltsstoffe. Eine ausführliche Aufnahme meiner Ernährungsgewohnheiten und der konsumierten Mahlzeiten bringt Licht ins Dunkel und mir einen ausführlichen Plan für das weitere Vorgehen.

Einige Stunden später stehe ich am Empfang im Fitnessstudio. Der Trainer ist sehr nett, lässt sich ausführlich meine körperliche Aktivität erläutern und erkennt deutlich den Mangel an Bewegung und gezielten Übungen für die Verbesserung meiner Muskulatur und des entsprechenden Aussehens. Mit Trainingsplan und Aufnahmeantrag schickt er mich nach Hause.

Wo ich allerdings nicht ankomme, weil ich noch einen Termin beim Schönheitschirurgen habe. „Natürlich“, stimmt er mir zu, „können Sie mit Ernährung und Sport viel für Ihren Körper tun. Aber dieses kleine Röllchen da unten... mal ganz ehrlich: das werden Sie dadurch nicht los.“ Gerne würde er mir aber mit einer kleinen Operation helfen, ein wenig Fett absaugen, die Haut straffen und die Optik wieder herstellen.

So könnte ich auch noch die Ansätze von Heilpraktikern oder der Traditionelle Chinesischen Medizin eruieren. Und vermutlich wäre auch die therapeutische Unterstützung durch einen Psychologen hilfreich.

Das alles sind gezielte Ansprechpartner, jeder in seinem Fachgebiet zu Hause und dort fachkundig. In Einzelfällen können sie auch über den Tellerrand hinausschauen und beurteilen, dass sie nur ein Teil des Lösungskonzeptes sind. Sport alleine hilft nicht, Ernährungsumstellung ohne körperliche Begleitung aber auch nicht. Und so weiter.

Was mich zu der Frage führt, welche dieser Fachrichtungen eigentlich antwortet, wenn ich mit einer guten Freundin über mein Problem spreche. Eine mehr oder weniger unauflösbare Mischung der verschiedensten Aspekte, dazu noch priorisiert nach ihren Erfahrungen. Das kann interessante Impulse liefern, kann aber auch völlig unbrauchbar in die falsche Richtung weisen.

Mit wem spreche ich bitte

Da kommt mir unser allwissender Bot in den Sinn. Ja, unser ChatGPT wird mir auch diverse gute Ratschläge geben, aber woher er die hat, welcher (vermeintliche) Fachmann mir da irgendetwas ans Herz legt und in welcher Mischung die Antwort daherkommt: Das alles liegt (systembedingt) im Dunkeln.

So ganz kommt man auch im technischen Umfeld nicht aus dem Dilemma heraus. Wie immer hilft es, sich des Problems bewusst zu sein, im Einzelfall erst mal sondierend nach möglichen beteiligten Fachbereichen zu fragen und dann die konkrete Recherche in diese Richtung zu lenken (z. B. dem Assistenten erklären, in welche Rolle er schlüpfen soll).

Wer nur allgemein fragt, bekommt auch nur eine allgemeine Antwort, nach bestem Wissen des Computers ausgewogen. Aber deshalb nicht unbedingt mit dem für mich richtigen Schwerpunkt. Und am Ende liegt es an mir, sowohl die verschiedenen Sichten zusammenzuführen als auch die geeignete Gewichtung zu wählen.

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Mittwoch, 9. April 2025

Fortschritt ist nur eine Zahl

Gerade gibt es mal wieder ein Update am Computer. Was früher eine große Aktion war, vielleicht einmal im Jahr, ist inzwischen fast schon tägliche Routine. Irgendeine Software muss neue Funktionen erhalten, die der Hersteller als Rechtfertigung für die ständig steigenden Lizenzkosten eingebaut hat. Ein anderes Programm wird von Fehlern befreit und die Datenbankverbindung auf einen neuen Sicherheitsstand gebracht.

Fortschritt ist nur eine Zahl

All das läuft ab, ohne dass ich es explizit angefordert hätte. Von fremder Hand programmiert, durchläuft mein Computer seinen Morgenparcour, lädt das eine, installiert das andere. Und hält mich während dieser Zeit komplett von der Arbeit ab. Poppt mal ein Fenster auf, das ein Ende seiner verborgenen Machenschaften ankündigt, ist schnell ein weiteres auf dem Bildschirm, das den Start einer weiteren Routine ankündigt. Und so weiter. Also der Fortschrittsbalken zum Gesamtfortschritt.

Und da wird es dann endgültig nebulös. Warum die ersten 19 Prozent in einem Fingerschnips durchlaufen werden und dann erst mal eine Pause ist? Nach einer Weile geht es dann weiter, jeder Prozentpunkt wird erarbeitet, 20, 21, 22. Dann wieder schwupps ein Sprung bis 30, man kann kaum folgen wie sich alles überschlägt. Doch oh weh, die nächste längere Pause wartet schon. Erfahrungsgemäß und unabhängig vom Inhalt des Wartungslaufes ist eine Zwischenstation bei 88. Kaffeepause, vielleicht nicht nur für den genervten Anwender, sondern auch für die pausenbedürftige CPU.

Viel Zeit jetzt, darüber nachzudenken, woher die Zahlen für den Fortschrittsbalken eigentlich kommen. Sind das die aus dem Speicher geladenen Bits und Bytes? Oder der Versuch, die Zeit abzuschätzen? Vielleicht eine von einem klugen Algorithmus bestimmte Zufallszahl, um dem Betrachter hektische Aktivität vorzugaukeln? Oder von einem weniger klugen Algorithmus tranchierte Ladeprozedur, deren Abarbeitung als Quotient dargestellt wird?

Ich weiß es nicht. Nur, dass es offensichtlich ist, dass alle mir bekannten Installationsroutinen an dieser Stelle den gleichen Unsinn verzapfen. Es scheint weltweit keinen Entwickler zu geben, der sich dieses Phänomens annimmt, der bestmöglich verlässliche Daten bereitstellt, die dem Anwender eine gewisse Planbarkeit der nächsten Minuten ermöglicht. Das ist nicht gerade die Kernaufgabe eines Computerprogramms, aber einmal am Tag würde man dann sicher in Demut und großer Dankbarkeit an die Herren der Wartung denken.

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Mittwoch, 2. April 2025

Der Wert der Dinge

In meinem Badezimmer stehen verschiedene Fläschchen mit allerlei Parfüms und Düften. Da sind die hochwertigen Flacons vom weihnachtlichen Gabentisch neben den einfachen Familienpackungen mit parfümiertem Deodorant für den Alltag. Manche duften nach Orange, andere verbreiten das Aroma von Mittelmeer und Urlaub. Erfrischen tun sie alle, ein mehr oder weniger angenehmes Hauterlebnis inbegriffen.

Der Wert der Dinge
Doch sie unterscheiden sich deutlich in der Packungsgröße und im Preis. Steht erst mal der Name einer exklusiven Parfummarke darauf, wird es teuer. Und das bei einer recht kleinen Menge. Ehrfürchtig betrachte ich sie, merke sie für das besondere Erlebnis am Samstagabend vor. Eine kleine Portion muss genügen, ich genieße sie vom Öffnen der Flasche bis zum Duschen am nächsten Morgen.

Die Verknappung (kleine Verpackungseinheit) oder der hohe Preis führen also zu einem anderen Umgang mit der Ware. Das beobachtet man auch bei anderen Situationen im Alltag. Ist das teure Obst a priori besser als das billige? Und warum genießen wir nicht auch diejenigen Lebensmittel als etwas Besonderes, die inzwischen zur Massenware geworden sind: Stichwort Südfrüchte.

Klein und teuer ist also wertvoll und erzeugt bei mir unwillkürlich eine erhöhte Wertschätzung. Dabei ist das im einen oder anderen Fall gar nicht zutreffend, sei es, dass die Seifengrundlage des Premiumproduktes gar nicht so gut ist, sei es andererseits, dass ein preisgünstiges Produkt aus dem Drogeriemarkt hervorragende Dienste leistet.

Marketingstrategen kennen das. Man adressiert über den Preis auch eine bestimmte Käufergruppe, schließt explizit die Schnäppchenjäger aus oder wendet sich bewusst an einen Massenmarkt. Einen guten Preis zu setzen, der von der Zielgruppe akzeptiert wird und von dieser nicht nur bezahlt, sondern auch als Gruppendefinition verstanden wird, ist eine Kunst für sich. Wer den Sommer im Club Robinson Urlaub verbringt, möchte nicht nur einen hochwertigen Urlaub erleben, sondern auch von Seinesgleichen umgeben sein.

Fazit: Die Preisgestaltung (bzw. Wertschätzung) ist bei allen Dingen - von Produkten bis zu den eigenen Fähigkeiten - ein Schlüsselfaktor. Da kann man leicht mal unter Wert verkaufen und damit seine Leistung verramschen. Oder allzu hoch pokern und den Marktwert überhöht einstellen. Dann dürfte es schwer werden Interessenten zu finden.

Und als zweite Folgerung aus dem Bild von den Parfümfläschchen kann man sich immer mal wieder die Frage stellen, ob die individuelle Wertschätzung nicht von außen gesteuert wurde. Das gilt natürlich nicht nur für Produkte, sondern auch für Gestaltung, Arrangement, Aussehen und nicht zuletzt für die Liebe in all ihren Ausprägungen.

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Donnerstag, 27. März 2025

Wurm, Fisch, Angler und IT

Eine kleine Weisheit besagt, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss, nicht dem Angler. Dieses Bild enthält einige Aspekte, die man sich mal im Detail anschauen kann. Ergänzt um weitere Perspektiven ergibt sich:
  1. Nicht jeden Fisch kann ich mit jedem Köder erfreuen. Wie ich die Zielgruppe optimal erreiche, kann sehr unterschiedlich sein. Das richtige Schlagwort, die richtige Emotion oder das Betonen einer bestimmten Eigenschaft können höchst verschieden sein.
  2. Was aus meiner Sicht gut und wichtig ist, kann für meine Mitmenschen total nebensächlich sein. Wenn ich jemand für mich oder meine Sache gewinnen möchte, dann muss ich seine Wünsche antizipieren.
  3. Je besser ich von meiner Sicht abweichend zur Sicht der Zielgruppe wechseln kann, desto besser schaffe ich die Verbindung. Nicht meine Sicht der Dinge ist entscheidend, sondern die der Gegenseite.
  4. Ich bin der Angler. Ziel ist es, aus dem großen Teich die gewünschten Fische zu ziehen. Es besteht die Gefahr des Beifangs, dass also Fische an die Angel gehen, die ich gar nicht haben wollte.
    Das ist schwierig, weil um die begehrten Fische noch ganz viel Wasser ist, die Treffwahrscheinlichkeit also relativ gering ist.
  5. Ich bin auf der Suche nach Fischen, also Wesen, die ein eigenes Leben und einen eigenen Willen haben. Standard-Köder erwischen auch nur Standard-Fische.
Wurm, Fisch, Angler und IT


Und hier ein paar Beispiele, warum das Bild vom Wurm und dem Fisch auch in der IT angewendet werden kann:
  1. Software-Entwicklung: Benutzeroberfläche und Funktionen sollten sich an den Bedürfnissen der Benutzer orientieren.
  2. IT-Sicherheit: Vorgaben und Maßnahmen sollten so gestaltet sein, dass die Anwender sie auch verwenden wollen und können.
  3. Software-Funktionalität: Eine einfach zu bedienende Oberfläche mit den für Standard-Anwender relevanten Optionen ist wichtiger als eine unübersehbare Vielfalt, die jeden Sonderfall abdeckt.
  4. IT-Support: Kommunikation in der Begriffswelt der Anwender und Erläuterung für technisch weniger versierte Menschen sollte selbstverständlich sein.
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Dienstag, 11. März 2025

Lügen haben kurze Beine

Meine Hände werden langsam kalt. Mit Elan war ich heute Morgen aus dem Bett, ins Bad, die Küche, zum Auto gelaufen und hatte einen guten Parkplatz am Bahnhof erwischt. Der Tag war mein Freund, alles bestens. Dass der geplante Zug ausfiel und der nachfolgende Zug Verspätung haben sollte konnte meine Laune nicht wirklich herunterreißen. Es war auch noch erträglich, als der nachfolgende Zug anstelle der Verspätung abgesagt wurde: Störung am Triebkopf.

Lügen haben kurze Beine
Die zweite Alternative fiel dann auch aus, mittlerweile saß ich eine halbe Stunde am Bahnhof. Immerhin hatte ich einen der wenigen Sitzplätze im zugigen Wartehäuschen ergattert. Einsetzender Nieselregen trieb die anderen Wartenden ebenfalls in das Häuschen, hier konnten wir der Absage des nächsten Zuges lauschen. Und so ging es weiter. Züge, die eben noch als pünktlich angezeigt wurden hatten erst mal Verspätung, verschwanden dann komplett von der Anzeigetafel oder wurden als Verbindungsausfall aufgeführt.

Salamitaktik mit phantasievollen Begründungen für den lahmgelegten Verkehr. Inzwischen hat der Bahnhof seit knapp anderthalb Stunden keinen Zug mehr gesehen. Und jetzt das Highlight für das frierende menschliche Transportgut: "Verspätung aus vorausgehender Fahrt." Welche vorausgehende Fahrt kann denn gemeint sein? Hier fährt nichts, was den Ablauf stören könnte. Wer wirft denn die Kugel ins Ausreden-Roulette?

Vermutlich hat die Bahn Geld dafür ausgegeben, sich von einer teuren Beratungsfirma Tipps für den Umgang mit Verspätungssituationen geben zu lassen. Ganz oben an der Oberfläche schlagen die Verspätungen und Zugausfälle zu den Reisenden durch. Das ist sozusagen der Husten, der uns in der Erkältungswelle erfasst. Da kann man dann sagen "Husten Sie bitte in eine andere Richtung." Die Bahn bietet Durchsagen mit Begründungen aus einem Pool verschiedener Formulierungen.

Jetzt könnte man natürlich auch Hustenstiller oder -löser nehmen. Also etwas gegen die Symptome machen. Die Verspätung wird damit zwar nicht geändert, aber immerhin kann man das Warten erträglicher machen. Heiße Getränke, ein zugfreier und beheizter Wartebereich könnte die Situation ein wenig entspannen. Oder man bekämpft die Erkältung, so dass der Husten verschwindet, an die Stelle einer Symptombekämpfung tritt die Ursachenbearbeitung.

Ein Ersatzzug, Ersatzverkehr, Zusatzangebote und Umleitungen haben das Potential, eine auftretende Störung für die Reisenden unsichtbar zu machen. Während der Körper sich regeneriert, werden die wesentlichen Funktionen aufrechterhalten. Wir fühlen uns ein wenig angeschlagen, aber eigentlich geht es uns noch ganz gut.

Und schließlich die Königsdisziplin: Vorbeugen. Was dem Körper sein Saunabesuch, seine gesunder Ernährung und die Wahl geeigneter Kleidung ist, das könnten bei der Bahn ausreichende Reserven, Notfallpläne und die Bereithaltung von Alternativen sein. Und so wie ein Körper von Natur aus auf Infektionen bis zu einem gewissen Grad gerüstet ist, so müssen auch hier der Fahrplan und damit zusammenhängende Prozesse resilient gestaltet werden. Pannen und Störungen gehören zum Alltag und müssen aus der Rubrik "Ausnahmezustand" in die Rubrik "Alternativzustand" überführt werden.

Das erfordert ein wenig Phantasie, aber der Körper macht es uns vor. Elemente wie ein Immunsystem, ausgefuchste Reparaturmechanismen und eine beeindruckende Vielfalt von Backupsystemen sind ein Vorbild für alle technischen Abläufe und Prozesse. Damit es nicht bei gutgemeinten Fahrgastberuhigungsansagen bleiben muss.

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Mittwoch, 26. Februar 2025

Vergleichen und verglichen werden

Wer Sport betreibt, ist fast immer von anderen Menschen umgeben, die sich auch in irgendeiner Form mit Sport beschäftigen. Und an dieser Stelle beginnt der mehr oder weniger offenkundige Wettkampf. Eine Fußballmannschaft spielt gegen eine andere Mannschaft und will gewinnen. Ein Kugelstoßer versucht die Kugel weiter fliegen zu lassen als sein Nachbar. Im Freihantelbereich zählt die Anzahl der Gewichtsplatten, die man gehoben bekommt. Und so weiter.

Viel Platz also, seine eigene Leistung mit der Leistung von Mitsportlern (oder anderen Mannschaften) zu vergleichen.

Alternativ gibt es Sportler, die das gar nicht wollen, den Wettkampf vermeiden und sich nur auf sich selbst konzentrieren. Die Beobachtung der eigenen Entwicklung und der erreichte Fortschritt sind für sie die Motivation für ihre Anstrengung. Sie vergleichen sich nicht auf dem Fußballplatz, meiden Wertungsrichter und schauen lieber in den Spiegel.

Doch Vorsicht, auch hier gibt es mehr Vergleich, als man vielleicht denkt. Denn auch wenn man selbst nicht vergleicht, wird man verglichen. Heimlich wird man beobachtet, geschaut, wie gut die Grätsche gelingt, wird beiläufig gefragt, wie lange man für die Joggingrunde durch den Wald braucht. Ob man will oder nicht, ob man es merkt oder nicht: Auch hier lauert Wettkampf, Vergleich, Bewunderung oder Neid.

Und dann passieren ganz unerwartete Dinge. Das heimlich gebildete Urteil der Mitmenschen äußert sich in verschiedenen Aktionen. Die Freude am Waldlauf wird mit Hinweis auf aggressive Wildschweine relativiert. Nachbarn betonen, dass sie gar kein neues Auto haben wollen und so weiter. Überhaupt wird gerne alles madig gemacht, was von den hauptberuflichen Vergleichern nicht erreicht wird, wo sie also das Gefühl haben, einen (imaginären) Wettkampf verloren zu haben. 

Hineingezogen werden in einen Wettbewerb. Und darauf hingewiesen werden, dass man ein Ziel verfehlt hat, welches man bis dahin gar nicht angepeilt hat. Für dieses Gefühl des Gewinnens nehmen die Wettkämpfer nicht nur hartes Training in Kauf, sondern auch die Verletzung der Gegner. Solange nämlich ein Gegner auch nur ansatzweise ernst zu nehmen ist, wird er wie in der Tierwelt gebissen und bekämpft. Kneifen gilt nicht, sie erwarten ein klares Eingeständnis, dass man verloren hat, der Underdog ist. Für Win-win ist da natürlich kein Platz, nein, es gibt nur Gewinner oder Verlierer; Auf dem Siegerpodest ist kein Platz für mehr als eine Person.

Eine Arena ist schlichtweg überall, nicht nur im Sport. Materielle und immaterielle Güter, Verhalten, Aussehen, Fähigkeiten: Alles lässt sich vergleichen, betonen oder kritisieren und schlecht machen. Wer von Natur aus Wettkämpfer ist, wählt seine Bühne sehr sorgfältig aus und stellt sich nur, wenn er die Chance auf einen Gewinn hat. Und wer kein Wettkämpfer ist, der versucht dem Verglichen-werden auszuweichen und führt seine Mitmenschen zu einem Ring, in dem sie sich an anderen Personen abarbeiten können.

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