Versetzen wir uns mal ein paar Jahre zurück. Da hatten wir kreuz und quer durch Deutschland gute Feldwege, manche davon sogar mit Kopfsteinpflaster befestigt. Man konnte problemlos von A nach B gelangen, einige Strecken wurden mit Postkutschen befahren. Wer nicht mit dem Pferd oder der Kutsche unterwegs war, der musste halt zu Fuß gehen, aber das war ja auch nur selten nötig, da man ohnehin im eigenen Ort arbeitete und lebte.
Alle waren versorgt, eine Verbesserung offensichtlich gar nicht notwendig. Und da kam dann jemand auf die Idee, diese Infrastruktur zu ändern, ja sogar zu revolutionieren. Ich meine nicht den Ausbau der Strecken, auch nicht die Einführung von Asphalt oder anderen Straßenbelägen. Nein, ein Verrückter war der Meinung, dass man Stahlprofile auf den Untergrund legen und darauf Fahrzeuge entlangrollen sollte. Eisenbahn nannte er das. So ein Unsinn. Weder gab es einen Bedarf dafür, noch war diese neumodische Erfindung so flexibel wie zuvor. Nur eine definierte Route konnte befahren werden, nur an festgelegten Haltepunkten konnte man zu- und aussteigen, man brauchte Wagons, Lokomotiven, Bahnhöfe, Kohleversorgung, Personal für das alles und noch viel mehr.
Sinnvoller Business Case? Fehlanzeige. Nur Kosten, ein Produkt, das niemand brauchte und damit eine absehbare Totgeburt. Nein, jeder realistisch denkende Mensch musste diesen Schnickschnack schon aus Sicherheitsgründen ablehnen, von der Wirtschaftlichkeit ganz zu schweigen.
Und dann kam sie eben doch. Trassen wurden erstellt, Schienennetze gebaut, große und kleine Bahnhöfe entstanden und dazu ein umfassendes Beiwerk ins Leben gerufen. Die Menschen waren begeistert, Jubelfeiern zur Einweihung neuer Strecken und Bahnhöfe, die im Übrigen ein Schmuck für den Ort und der Stolz des Bahnhofvorstehers waren. Das neue Angebot wuchs schnell über sich selbst hinaus, nicht nur täglicher Menschen- und Gütertransport wurden zu wichtigen Aufgaben, sondern auch die erweiterten Möglichkeiten bei der Arbeitsplatzwahl. Die Eisenbahn als Reichweitenvergrößerung im soziologischen Sinne.
Ich bin sicher, dass wir bezüglich der Einführung heute wieder genauso reagieren würden, vielleicht würde die Idee einer Eisenbahn genauso belächelt und von den Fachleuten als unsinniges Hirngespinst abgetan. Und dann feiern wir die Menschen als Visionäre, die solche Projekte gegen die Bedenken der Mitmenschen durchsetzen und damit Erfolg haben. Zugegeben scheitern auch viele solcher Ansätze, nicht jede quergedachte Neuerung ist so cool, wie es sich der Initiator ausgemalt hat.
Dennoch sind es oft gerade die auf den ersten Blick im wörtlichen Sinne ab-wegigen Ideen, die nicht nur behutsam weiterentwickeln, sondern alles Gewohnte auf den Kopf stellen. Ob es Blödsinn ist oder erfolgreiche Impulse setzt, das kann man definitiv nicht absehen - das geben selbst erfahrene Investoren hinter vorgehaltener Hand zu. Aber bis es nachweislich feststeht, dass der Ansatz nicht erfolgreich weiterverfolgt werden kann, sollte man ihn mutig und in aller Ernsthaftigkeit verfolgen.
Und auch das hören wir aus dem Mund der professionellen Förderer: Man muss das Risiko des Scheiterns eingehen und hat eine ziemlich kleine Erfolgsquote von echten Highlights. Die (zum Teil überraschenden) Volltreffer müssen dann die Fehlversuche mit finanzieren.
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