Mittwoch, 26. Februar 2025

Vergleichen und verglichen werden

Wer Sport betreibt, ist fast immer von anderen Menschen umgeben, die sich auch in irgendeiner Form mit Sport beschäftigen. Und an dieser Stelle beginnt der mehr oder weniger offenkundige Wettkampf. Eine Fußballmannschaft spielt gegen eine andere Mannschaft und will gewinnen. Ein Kugelstoßer versucht die Kugel weiter fliegen zu lassen als sein Nachbar. Im Freihantelbereich zählt die Anzahl der Gewichtsplatten, die man gehoben bekommt. Und so weiter.

Viel Platz also, seine eigene Leistung mit der Leistung von Mitsportlern (oder anderen Mannschaften) zu vergleichen.

Alternativ gibt es Sportler, die das gar nicht wollen, den Wettkampf vermeiden und sich nur auf sich selbst konzentrieren. Die Beobachtung der eigenen Entwicklung und der erreichte Fortschritt sind für sie die Motivation für ihre Anstrengung. Sie vergleichen sich nicht auf dem Fußballplatz, meiden Wertungsrichter und schauen lieber in den Spiegel.

Doch Vorsicht, auch hier gibt es mehr Vergleich, als man vielleicht denkt. Denn auch wenn man selbst nicht vergleicht, wird man verglichen. Heimlich wird man beobachtet, geschaut, wie gut die Grätsche gelingt, wird beiläufig gefragt, wie lange man für die Joggingrunde durch den Wald braucht. Ob man will oder nicht, ob man es merkt oder nicht: Auch hier lauert Wettkampf, Vergleich, Bewunderung oder Neid.

Und dann passieren ganz unerwartete Dinge. Das heimlich gebildete Urteil der Mitmenschen äußert sich in verschiedenen Aktionen. Die Freude am Waldlauf wird mit Hinweis auf aggressive Wildschweine relativiert. Nachbarn betonen, dass sie gar kein neues Auto haben wollen und so weiter. Überhaupt wird gerne alles madig gemacht, was von den hauptberuflichen Vergleichern nicht erreicht wird, wo sie also das Gefühl haben, einen (imaginären) Wettkampf verloren zu haben. 

Hineingezogen werden in einen Wettbewerb. Und darauf hingewiesen werden, dass man ein Ziel verfehlt hat, welches man bis dahin gar nicht angepeilt hat. Für dieses Gefühl des Gewinnens nehmen die Wettkämpfer nicht nur hartes Training in Kauf, sondern auch die Verletzung der Gegner. Solange nämlich ein Gegner auch nur ansatzweise ernst zu nehmen ist, wird er wie in der Tierwelt gebissen und bekämpft. Kneifen gilt nicht, sie erwarten ein klares Eingeständnis, dass man verloren hat, der Underdog ist. Für Win-win ist da natürlich kein Platz, nein, es gibt nur Gewinner oder Verlierer; Auf dem Siegerpodest ist kein Platz für mehr als eine Person.

Eine Arena ist schlichtweg überall, nicht nur im Sport. Materielle und immaterielle Güter, Verhalten, Aussehen, Fähigkeiten: Alles lässt sich vergleichen, betonen oder kritisieren und schlecht machen. Wer von Natur aus Wettkämpfer ist, wählt seine Bühne sehr sorgfältig aus und stellt sich nur, wenn er die Chance auf einen Gewinn hat. Und wer kein Wettkämpfer ist, der versucht dem Verglichen-werden auszuweichen und führt seine Mitmenschen zu einem Ring, in dem sie sich an anderen Personen abarbeiten können.

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Mittwoch, 19. Februar 2025

Herden und deren Geruch

Herden und deren Geruch
Wer jemals getanzt hat und das entsprechende Magazin "Der Tanzspiegel" kennt, der hat sie schon tausendfach gesehen. Die jungen Tänzer, in Pose geworfen, mit einem grimassenhaften Lächeln im Gesicht. Es gehört einfach zum guten Stil, dass man wie ein Schauspieler eine Art Freudenausdruck zur Schau bringt. Das Tanzen selbst ist eher Nebensache. In etwas abgespeckter Form erlebt man das auch in der Tanzschule. Was man ab dem Bronzekurs zu sehen bekommt, ist vielleicht noch keine hochwertige Tanzshow, aber jedenfalls breite Arme, selbstbewusste Gesten und voller Überzeugung dargebotene Figuren.

Was passiert da gerade? Diese Nachwachsenden signalisieren noch vor Erreichen einer gewissen Kompetenz, dass sie zu der Herde gehören wollen. Sie ahmen das Verhalten nach, das Auftreten, die Kleidung, auch die Sprache. Einfach alles, was sich an Äußerlichkeiten mehr oder weniger leicht adaptieren lässt. Und erarbeiten sich damit schon frühzeitig einen gewissen Stallgeruch, der sie einerseits zu einem Teil dieser Gesellschaft macht, andererseits aber auch ihren Herdentrieb signalisiert.

Was für das Tanzen gilt, können wir auch in anderen Feldern wahrnehmen. Sei es die Affinität zu einer gewissen politischen Ausrichtung, die mit hennagefärbten Haaren und Jutebeuteln nach außen getragen wird, sei es ein Vorstandsanspruch, der sich in Form der Kleidung, Golfspielen und Gesprächsthemen wie Börsennotierungen zeigt. Wie auch immer, was diese Beispiele verbindet, ist das Voraneilen der Äußerlichkeiten gegenüber dem Aufbau der eigentlichen Teamkongruenz. Oder anders formuliert dem Antritt, zur Herde zu gehören. Dabei kann diese Zugehörigkeit ein Mitlaufen sein, aber durchaus auch mit einem Führungsanspruch gekoppelt sein.

In Abgrenzung dazu gibt es Menschen, die auf Herdenzugehörigkeit gar keinen Wert legen. Sie sind deshalb nicht unbedingt Einzelgänger, können auch je nach Rolle Teil einer Gemeinschaft sein. Aber sie sind in ihrer Grundstruktur Selbstständige. In vielen Fällen füllen sie diese charakterliche Ausprägung auch im Beruf aus, machen ein eigenes Geschäft auf, gehen ihren Weg durch das (Berufs-)Leben ohne Rücksicht auf andere. Mitarbeiter sind willkommen, sind aber nicht wirklich Teil des Rudels und können nur beratend, nicht aber steuernd mitmachen.

Ein besonderes Spannungsfeld kann man in Familienbetrieben beobachten. Typischerweise hat der Senior den Betrieb (als Selbstständiger) gegründet und entwickelt. Und nun rückt ihm eines seiner Kinder nach. Vom Erbgut, dem erlebten Leben und der Erziehung her ist dieses Kind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch vom Typ Selbstständiger, muss sich aber jetzt zur Zusammenarbeit mit den Eltern in eine Art Herde begeben. Und damit gibt es einen vorprogrammierten inneren (Rollen-)Konflikt.

Und auch in vielen Alltagssituationen wirkt sich dieser grundlegend unterschiedliche Charakter aus. Wer zu einer Gruppe dazugehören will, nimmt ja nicht nur deren Rituale an, redet in deren Sprache und sucht bestimmte Orte auf. Er ordnet bei Bedarf seine eigenen Bedürfnisse und manchmal auch die Bedürfnisse der Umgebung seinem Ziel unter. Da gibt es keine Diskussion, dass die Freundin auch mit zu einer politischen Versammlung, einem Sportevent oder einem Galadinner geht.

Das kann mit dem Selbstständigen auch passieren, allerdings aus ganz anderen Gründen. Er hat das in seiner Welt entschieden, hält es für die einzig richtige Lösung und setzt diese notfalls auch gegen den Willen seiner Mitmenschen durch. Die Herde spielt für ihn nun mal keine Rolle, wer mit ihm geht ist willkommen, wer nicht mitgeht lässt es halt.

Unter dem Strich ist es jedenfalls hilfreich, sich selbst, seine Partner und Familienangehörige, Mitarbeiter und alle möglichen anderen Wegbegleiter in dieser Hinsicht richtig einzuschätzen. Denn es macht wie in den Beispielen gezeigt bestimmtes Verhalten vorhersehbar.

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Mittwoch, 12. Februar 2025

Gefühltes Recht

Mein Arbeitsplatz liegt an einer stark befahrenen Straßenkreuzung in Frankfurt. Abgesehen von meiner morgendlichen Überquerung dieses Verkehrsknotens kann ich auch in der Pause mal einen Blick auf die Straße werfen. Da kommen von allen Richtungen in ununterbrochenem Strom Autos, Fahrräder, Fußgänger und Straßenbahnen an und passieren nach mehr oder weniger langer Wartezeit diese Stelle.

Gefühltes Recht
Gerade durch die hohe Auslastung ist die Kreuzung praktisch immer gefüllt, zu Stoßzeiten dauert es eine Weile, bis die Autos weiterfahren können, zwischen den Autoschlangen schieben sich Straßenbahnen hindurch. Und obendrein bahnen sich auch noch Fußgänger ihren Weg zwischen den Fahrzeugen. Ein Gewimmel und Gewusel, das jeder so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Das führt bei den Autofahrern dazu, dass sie sich über die Fahrzeuge ärgern, die in der Kreuzung stehen und sie am Überqueren hindern. Wütend über die lästige Verstopfung und das gehinderte Einfahren in die Kreuzung hupen sie und gestikulieren wild mit den Händen.

Sie sind der festen Überzeugung, dass sie ein Recht auf den Eintritt in die durch die Anderen vollstehende Kreuzung haben und diese ihnen unberechtigt im Weg stehen. Das ist aber laut Straßenverkehrsordnung falsch. Tatsächlich ist eine Kreuzung grundsätzlich freizuhalten. Weder darf man noch schnell bei gelb hineinschlüpfen, obwohl absehbar ist, dass man sie nicht zügig verlassen kann. Noch darf man in eine vollstehende Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel grün zeigt. So ärgerlich es ist, da muss man warten, bis der Weg frei ist und man davon ausgehen kann, dass man die Kreuzung innerhalb der Grünphase auch wieder verlassen kann.

Ein typischer Fall, bei dem das gefühlte Recht von der tatsächlichen Gesetzesvorgabe abweicht. Ebenfalls aus dem Straßenverkehrsrecht eine häufige Fehleinschätzung: Vorfahrtsregelung auf Parkplätzen. Die meisten Autofahrer denken, auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt gelte rechts-vor-links. Bestärkt durch ein Schild "Hier gilt die Straßenverkehrsordnung" sind sie der Meinung, dass ein von links kommendes Auto von vornherein zu warten hätte. Falsch. Denn die Flächen zwischen den Haltebuchten sind keine Fahrbahnen, sondern Rangierflächen. Und damit gilt hier die Vorgabe der gegenseitigen Verständigung. Sinnvollerweise kann man nicht global festlegen, wer zuerst fährt, das ergibt sich im jeweiligen Fall je nach Platzverhältnissen und Verkehrssituation.

Auch hier ist es weder zulässig noch rechtens, sich hupend, schimpfend oder durch ruppige Fahrweise seine vermeintliche Vorfahrt zu erkämpfen. Abgesehen davon, dass man nicht jedes Recht in Anspruch nehmen muss, vielleicht auch in einer großzügigen Geste auf seinen eigenen Vortritt verzichten kann. In jedem Fall aber Vorsicht, auch wenn man sich im Recht fühlt. Denn häufig ist das gar nicht der Fall.

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Mittwoch, 5. Februar 2025

Grundkurs Statistik

Grundkurs Statistik
Vor kurzem ist mal wieder ein TÜV-Report veröffentlicht worden. Die großen Marken lagen wie gewohnt auf den vorderen Plätzen, Premium-Modelle dominierten die Rangliste. Und weit abgeschlagen die kleinen Fahrzeuge, vorwiegend aus ausländischer Produktion. Natürlich, schießt einem da durch den Kopf, es geht eben nichts über deutsche Ingenieurskunst, das seit vielen Generationen verankerte Wissen und die hieraus abgeleitete Qualität. Im Grunde bestätigt die Statistik die Einstellung, die man schon vorher hatte.

Doch so einfach wie die Medien es suggerieren ist es nicht. Bei genauerer Betrachtung spielen neben der Produktionsqualität noch eine Reihe anderer Faktoren eine Rolle. Wer sich einen gebrauchten Kleinwagen eines unbekannten Herstellers kauft, der hat tendenziell kein Geld für regelmäßige Wartung. Der fährt bei der Hauptuntersuchung vor und hofft, dass er ungeschoren davonkommt. Eine Erneuerung der Reifen oder ein notwendiger Austausch des Scheinwerfers wurde aufgeschoben und führt nun zur Verweigerung der Plakette.

In die Statistik fließen also indirekt auch Kundenprofile ein. Die Interpretation der auf den ersten Blick plausiblen Zahlen ist also gar nicht so einfach. Wobei der TÜV-Report nur ein Beispiel dafür ist, dass man genau hinschauen muss. Das gilt ebenso für alle anderen Zahlenwerke, denn Statistik hat von Natur aus zwei typische Eigenschaften. Beruhen die Erkenntnisse auf wenigen Zahlen, dann stellt man sich die Frage, wie repräsentativ die Auswahl ist. Und daneben spielt auch die Einbettung, also der Kontext, eine Rolle. Dann drittens muss man sich mit Definitionen beschäftigen. Was versteht man denn im TÜV-Report unter "durchgefallen"? Sind es die völlig maroden Querlenker oder ist es der vorausschauend notwendige Ersatz einer Dichtungsmanschette?

Im Polizeibericht des Frankfurter Bahnhofsviertels wird eine hohe Kriminalität kolportiert. Muss man dort um Leib und Leben fürchten oder sind es die zahlreichen Drogendelikte, die die Zahlen in die Höhe treiben? Und in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob man die Messungen miteinander vergleichen kann. In Wiesbaden gibt es überdurchschnittlich viele Ordnungswidrigkeiten im Bereich des ruhenden Verkehrs. Das liegt aber weniger an dem Gemüt der Autofahrer, die in dieser Stadt besonders wild parken. Sondern daran, dass reguläres Parken erschwert und die Kontrollen verschärft sind.

Und am Ende die Vergleichswerte. Ist fünfundneunzig Prozent eine gute Trefferquote? Sind zwei Promille Fehlentscheidungen einer KI gut oder schlecht? Wie steht der Wert vom Frankfurter Bahnhofsviertel im Vergleich zu Downtown Manhattan?

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Mittwoch, 29. Januar 2025

Wieder und wieder Wiedervorlage

Heute war wieder Tag der Wiedervorlage. Eigentlich nicht nur heute, sondern auch gestern. Und vorgestern, vorvorgestern etc. Aus dem Modus, Anfragen, verschickte E-Mails, erteilte Aufträge gedanklich abzuhaken bin ich schon vor vielen Jahren ausgestiegen. Wenn mein Anliegen nicht ad hoc gelöst wird mache ich mir eine Notiz in einer Excel-Liste und halte diesen Vorgang in Erinnerung, bis er vollständig erledigt ist.

Wiedervorlage-Liste

Dabei ist die Vielzahl der Begründungen beeindruckend. Mal ist es die vorgeblich hohe Arbeitslast, mal ist ein Kollege krank, hat Urlaub, kann die Unterlagen nicht finden oder fühlt sich nicht zuständig. Oder noch viel einfacher: Antwortet einfach gar nicht. Geht nicht ans Telefon, reagiert nicht auf Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Erreicht man zufällig einen Kollegen berichtet dieser freudestrahlend, dass der gewünschte Gesprächspartner da ist, er könne ihn drüben am Platz sitzen sehen. Ja, warum geht er dann bei mir nicht ans Telefon?

Was bis vor Corona ein Einzelfall war, ist inzwischen gängige Praxis. In der Übergangszeit haben wir standardmäßig den Hinweis auf das alles lähmende Virus gehört, dann kam ein erhöhter (Langzeit-) Krankenstand, gefolgt vom anscheinend allgegenwärtigen Fachkräftemangel. Keine Hotline, die ausreichend besetzt ist, kein Arzt, der nicht Opfer einer löchrigen Personaldecke ist. Und bei der Gelegenheit sind wir behutsam an die neue Welt herangeführt worden, erwarten eigentlich gar nicht mehr, dass wir direkt den gewünschten Kontakt einleiten können oder unser Anliegen problemfrei bearbeitet bekommen.

Im Kern scheint also eine Kombination aus verschiedenen Ursachen verantwortlich zu sein. Basis sind die bereits erwähnten Randbedingungen wie Personalengpass oder Krankheiten. Hinzu kommt aber auch eine sukzessive veränderte Haltung zur Arbeit. In Deckung der faktischen Unkündbarkeit gibt es keinen Grund, sich für die Arbeit über die Pflicht hinaus zu engagieren. Aus Bequemlichkeit nicht ans Telefon zu gehen hat keine negativen Konsequenzen, wer trotzdem den Hörer abnimmt ist selbst schuld - schön blöd!

Und drittens fehlt oft die persönliche Seite des Arbeitsverhältnisses. So wie Ehen im Laufe der letzten Jahrzehnte verstärkt zu mehr oder weniger lockeren Beziehungen mit offener Laufzeit übergehen, so verschiebt sich eine innere Loyalität und intrinsische Bindung an einen Arbeitsplatz immer stärker in Richtung vorübergehender Job mit möglichst attraktivem Vorruhestandsmodell. Sowohl der private als auch der berufliche Schwenk findet seine Wurzel in einer verstärkten Fokussierung auf die eigenen Interessen. Verbindlichkeit hat etwas mit (selbstauferlegten) Pflichten zu tun, Work-Life-Balance ist eine Forderung an "Work", nicht an "Life".

Was tun? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Versucht man in diesem Umfeld selbst Zuverlässigkeit an den Tag zu legen, so wird man zum Reibeplätzchen zwischen eigenem Anspruch und Egal-Mentalität der erforderlichen Mitspieler. Uneingeschränkt mitmachen und sich der latenten Arbeits- oder Kommunikationsverweigerung anzuschließen ist aber auch keine Option. So spart man vielleicht hier und da ein wenig Nerven, aber voran kommt man deshalb noch lange nicht. Also doch geduldig weiter die Excel-Liste pflegen, noch-noch-nochmal anrufen, freundlich aber bestimmt seine Sache weiterverfolgen und hartnäckig dranbleiben.

Vielleicht hilft ein Blick zum Fußballspiel. Wenn das Ziel darin besteht, den Ball ins Tor zu bekommen, muss man ja auch am Torwart vorbeispielen. Und davor den einen oder anderen Spieler umgehen, der einem im Weg steht. Kein Mensch würde sich darüber aufregen, dass die Abwehrspieler es sich zur Aufgabe gemacht haben, die freie Schussbahn zu blockieren. Und so muss man sich ja nicht unbedingt über den Angestellten in der Behörde aufregen, der die Verhinderung des Fortschritts zwar nicht als Ziel definiert hat, aber vielleicht mehr oder weniger zufällig gerade im Weg steht. Da heißt es dribbeln und dran vorbeispielen oder den Ball an jemanden abgeben, der ein besseres Schussfeld hat.

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Mittwoch, 22. Januar 2025

Führungskraft gesucht

In den Stellenanzeigen kann man es oft lesen: "Führungskraft gesucht". Es scheint gar nicht um einen Menschen zu gehen, es geht um eine Kraft, nämlich die Kraft der Führung. Was mögen sich die Anfordernden darunter vorstellen, wenn man sie dazu befragt? In den meisten Fällen geht es darum, einer Person irgendwelche virtuellen Schulterklappen zu verpassen und ihnen ein paar Mitarbeiter unterzuordnen. Denen sie Anweisungen geben können und so ein Team zu einer bestimmten Leistung bringen.

Das muss nicht unbedingt in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Untergebenen (veralteter Begriff, aber im Grunde genommen zutreffend) sein. Vielmehr hat ja die Führungskraft die Kompetenz der Befehlsgewalt. Mal mehr, mal weniger deutlich ausgelebt. Und so verläuft Führung im schlechten Fall eher als durch die Gegend kommandieren und Anweisungen verteilen. Die Mitarbeiter machen mit, weil sie es müssen, nicht weil sie überzeugt sind und wollen.

Führungskraft gesucht
Und an dieser Stelle spaltet sich Führung von Macht ab. Im zweitgenannten Fall besteht das Ziel darin, möglichst viel dominieren und bestimmen zu können, verschiedene Mittel sind dabei zulässig. Eigentlich wird das Team nicht geführt, sondern beherrscht. Die Macht des Leitenden auszubauen steht für diesen im Mittelpunkt, Erfolg misst er in der Anzahl der Mitarbeiter, die seinen Vorgaben folgen müssen.

Echte Führungspersönlichkeiten leiten das Team durch die Aufgaben; Die Qualität der Erfüllung, die Optimierung der Besetzung und der Abläufe sind zentrale Indikatoren. Auch hier spielt die Anzahl der Mitarbeiter eine Rolle, aber mehr im Sinne der mit der Mannschaft erreichbaren Ziele.

Was auf den ersten Blick recht ähnlich aussieht, entpuppt sich in der Praxis als eklatant unterschiedlich. Machtmenschen haben kein Verständnis für Formen der Führung, die nicht explizit auf Machtausbau abzielen. Wer seine Ziele nicht mit Kraftaufwand verfolgt und dabei Kollateralschäden in Kauf nimmt, wird als Schwächling abgetan und nicht ernst genommen.

Andererseits haben die Guides ihre Not mit der Macht. Auf der Suche nach Win-win-Situationen und gesamtheitlichen Kompromissen kommen sie an der einen oder anderen Stelle nicht weiter. Nachhaltigkeit und Beziehungsaspekte zu berücksichtigen kostet auch Kraft und kann zu ungewollten Strategiewechseln führen. Denn im Grunde ist für Führung in ihrem Verständnis eine ausgeprägte Wendigkeit und Flexibilität erforderlich. Die sich Machtmenschen sparen und stattdessen rücksichtslos ihren Kurs verfolgen, notfalls mit Gewalt.

Diese Gegensätzlichkeit führt dazu, dass diese beiden Typen mangels gegenseitigem Verständnis nicht miteinander reden können. Hält der eine den anderen für ein Weichei, wirft der andere dem einen heimlich Brutalität vor. In gewissem Sinne haben beide Seiten Recht, dazu kommt die Frage, welcher Typus in welcher Situation die beste Besetzung ist.

Dabei – wichtig – gibt es kein grundsätzlich richtig oder falsch. Das kommt empfindlich auf die Randbedingungen an. Nur gegenseitigen Respekt kann man erwarten, und es muss klar sein, dass ohne deutlichen Machtanspruch der Weg bis in den Vorstand eines Unternehmens ausgesprochen schwer sein dürfte.

So stellt sich die Frage, ob man bei einer Bewerbung danach fragen muss, ob der Interessent Machtausübung oder Führungsherausforderungen sucht. Und die Antwort mit dem gesuchten Profil abgleicht. Oder bei den Führungskräften im Unternehmen schaut, ob ihr Typ in der jeweiligen Position oder Organisationseinheit geeignet eingesetzt ist. Was eventuell zu internen Umbesetzung führt, denn eine Änderung des Charakters ist nicht möglich.

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Mittwoch, 15. Januar 2025

Leberwurst für Vegetarier

Leberwurst für Vegetarier
Nach langen Versuchsreihen, endlosen Küchensessions und zahlreichen Tests ist es mir gelungen, eine ganz besondere Leberwurst zu kreieren. Sie hat ein kräftiges Aroma ohne aufdringlich zu sein, eine ganz feine Süße und zergeht wie eine Creme auf der Zunge. Ein Traum für alle Kunden, die Spaß an dieser besonderen Wurstware haben.

Aber das sind natürlich nicht alle. Vegetariern kann ich damit keine Freude machen. Dabei ist das Produkt zweifellos hochwertig zubereitet, enthält die besten Zutaten und ist in seiner Rezeptur schlichtweg einzigartig. Die Qualität ist es also nicht, die Vegetarier einen weiten Bogen um diese Köstlichkeit machen lässt.

Mit einem Feinkoststand vor der Fleischtheke im Supermarkt bin ich mit dem Angebot gut aufgestellt, die Schlange der Probierlustigen ist lang. Nehme ich meinen Stand und baue ihn vor dem Veganer-Markt auf, werden mich die Kunden bestenfalls abwertend anschauen, manche sogar mein Angebot kritisieren: Wie kann man nur fleischhaltige Lebensmittel herstellen und in aller Öffentlichkeit verkaufen?

Was für Leberwurst gilt, gilt auch für meine äußere Erscheinung und mein Auftreten als Mensch. Als zierliche Person schauen sich vielleicht Ballettliebhaber nach mir um, im Bodybuilding-Bereich des Fitnessstudios kann ich nicht punkten. Mit einer Draufgänger-Mentalität errege ich Aufmerksamkeit bei den handfesten Mitmenschen, filigrane Typen schrecke ich eher ab.

Was ich damit sagen will: Es ist durchaus sinnvoll und wünschenswert, ein Produkt zu optimieren. Das kann das Rezept für die Leberwurst genauso sein wie die äußere Erscheinung wie die persönliche Mentalität. Aber ab diesem Punkt ist es eine Frage der Gegenseite, des Marktes, wie die Resonanz ausfällt. Die Ablehnung der Leberwurst vor dem Veganer-Markt ist keine Frage der Qualität, sondern der Gesinnung. Und ob mich eine andere Person attraktiv findet, ist nicht nur eine Frage meines Aussehens, sondern auch der Vorlieben meines Gegenübers.

Insgesamt ergeben sich damit drei Stellschrauben, um Marketing zu betreiben. Das ist die Qualität, das ist die empathische Auswahl der Kundengruppe (und deren Ansprache) und schließlich das Erwartungsmanagement (beider Seiten). Nur wenn alle drei Zutaten stimmen, wird es für alle Beteiligten ein Genuss – so wie meine Kreation für Liebhaber der feinen Wurstküche.

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Dienstag, 7. Januar 2025

Such dir, was zu dir passt.

Vorne sitzt er in so einer Art Schneidersitz, die Beine wirken wie verknotet, aufrecht dabei, Augen geschlossen. Hinter ihm eine riesige Klangscheibe mit schönen Ornamenten, indirekt erhellt von einer nicht sichtbaren Glühbirne. Von meinem Platz auf der Matte aus sieht er aus wie ein Erleuchteter, umgeben von einer Gloriole.

Mit sanfter Stimme spricht er zu seinen Schülern, fast ein Flüstern, mit dem er in fließender Bewegung aus seiner Beinverknotung in den Stand kommt. Mehr oder weniger ungelenk folgen wir seinem Vorbild und nun stehen alle Kursteilnehmer.

 In fließenden Bewegungen geht es durch die Stunde, mit jedem Atemzug eine Aktion, keine Unterbrechung, die ganze Zeit ist der eigene Atem die Rhythmusmaschine. Hoch, tief, vorbeugen, durchstrecken, öffnen, schließen. Ohne einen Stopp, ohne eine Pause.

Such dir was zu dir passt
Vom Nebenraum höre ich die lautstarken Anweisungen der Trainerin. Kontrastprogramm: Dröhnend laute Musik, darüber das Geschrei der Instruktorin, sie feuert ihren Kurs an, wie ein Feldwebel fordert sie eine höhere Geschwindigkeit, mehr Wiederholungen, kraftvollere Ausführung.

Es läuft Tabata, in kurzen Wechseln zwischen Anspannung und Pause wird dem Körper Höchstleistung abverlangt. Wie in Trance eine schwitzende Masse, die sich richtig auspowert. Eine Stunde voller Maximalleistung, fliegendem Puls, brennenden Muskeln.

Es liegt auf der Hand, dass die Yogastunde eher der Entspannung, die HIIT-Stunde eher der Kräftigung dient. Was aber der Körper ganz anders sieht, er fühlt sich in beiden Fällen gleichermaßen trainiert und reagiert entsprechend. Objektive Messung des Trainingserfolgs zeigt keinen signifikanten Unterschied. Es kommt viel mehr auf den Trainer als auf die zu Grunde liegende Sportart an.

Zwei Erkenntnisse ergeben sich daraus: Die Annahme, dass Sport nur dann trainiert, wenn er weh tut und die Muskeln brennen, ist schlichtweg verkehrt. Und die Auswahl der für einen selbst geeigneten Sportart ist weniger eine Frage der vermeintlichen Intensität, als viel mehr der persönlichen Neigung.

Ach und noch was: Für die Führung und die hieraus entstehende Performance eines Teams gilt analog das Gleiche.

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Mittwoch, 1. Januar 2025

Sie befinden sich hier (2025)

Auf der Zeitachse befinden wir uns gerade an der Übergabestelle des Jahres 2024 an das Jahr 2025. An einem für uns ganz genau definierten Punkt zwischen einem unendlichen Teil davor und einem unendlichen Teil danach.

Wir blicken zurück, registrieren gute und schlechte Ereignisse einer vergangenen Periode, die wir „Jahr“ nennen. Wir blicken nach vorne, verstrickt zwischen Planung, Hoffnung und Prognose. Einzigartig für diesen Wechsel und doch so wiederkehrend wie die Begegnungen auf dem Wochenmarkt.

Sie befinden sich hier

Da ist es zum Beispiel wieder, dieses Gefühl der auslaufenden 1960er Jahre (Deep Purple, „Child in Time“).

Sweet child in time / You'll see the line / The line that's drawn between / Good and bad

Kriege, Vertreibungen, Kampfhandlungen. Und irgendwer zieht eine imaginäre Linie, die bestimmt, was gut ist und was schlecht. Manche schlagen sich auf die Seite von Russland, andere auf die Seite der Ukraine. Sehen Israel kritisch oder Palästina. Schütteln den Kopf über Syrien.

See the blind man / Shooting at the world / Bullets flying / Ohh taking toll

Hinter allem stecken Menschen, die ihre Macht erhalten oder ausbauen wollen. Oder Angst vor Machtverlust haben. Die es schon immer gab, Millionen und Abermillionen Menschen auf dem Gewissen für ein fragwürdiges Ziel, das noch nie erreicht wurde.

If you've been bad / Oh Lord I bet you have / And you've not been hit / Oh by flying lead

Und dazu die Zahllosen, die für irgendein virtuelles Ziel in den Kampf ziehen. Die für einen Glauben, einen Fleck auf der Landkarte oder Familienbande töten und sich töten lassen. Wie ein nachwachsender Rohstoff sind sie das Triebmittel in der Kriegsmaschine.

You'd better close your eyes / Ooohhhh bow your head / Wait for the ricochet

Dazwischen die, die gar nicht mitmachen wollen und trotzdem sterben müssen. Fast noch schlimmer, weil sie ihr Leben lassen und noch nicht mal in der Überzeugung leben, dies für einen guten Zweck getan zu haben. Gezwungen von einem abstrusen Machtapparat, der geschickt die Hierarchie zu nutzen weiß.

I wanna hear you sing

Zugegeben, ein etwas trüber, weinerlicher Abgesang auf das Jahr 2024. Aber gleichzeitig auch ein Aufruf, dass im immer wiederkehrenden gegenseitigen Zerfleischen nur ein Kampf sinnvoll ist, nämlich der, den Kampf („diplomatisch“) zu beenden. Denn auch das ist – Gott sei Dank – am Ende des Horrors immer wieder passiert und damit ein schönes Ziel für 2025. 

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