Mittwoch, 26. Februar 2025

Vergleichen und verglichen werden

Wer Sport betreibt, ist fast immer von anderen Menschen umgeben, die sich auch in irgendeiner Form mit Sport beschäftigen. Und an dieser Stelle beginnt der mehr oder weniger offenkundige Wettkampf. Eine Fußballmannschaft spielt gegen eine andere Mannschaft und will gewinnen. Ein Kugelstoßer versucht die Kugel weiter fliegen zu lassen als sein Nachbar. Im Freihantelbereich zählt die Anzahl der Gewichtsplatten, die man gehoben bekommt. Und so weiter.

Viel Platz also, seine eigene Leistung mit der Leistung von Mitsportlern (oder anderen Mannschaften) zu vergleichen.

Alternativ gibt es Sportler, die das gar nicht wollen, den Wettkampf vermeiden und sich nur auf sich selbst konzentrieren. Die Beobachtung der eigenen Entwicklung und der erreichte Fortschritt sind für sie die Motivation für ihre Anstrengung. Sie vergleichen sich nicht auf dem Fußballplatz, meiden Wertungsrichter und schauen lieber in den Spiegel.

Doch Vorsicht, auch hier gibt es mehr Vergleich, als man vielleicht denkt. Denn auch wenn man selbst nicht vergleicht, wird man verglichen. Heimlich wird man beobachtet, geschaut, wie gut die Grätsche gelingt, wird beiläufig gefragt, wie lange man für die Joggingrunde durch den Wald braucht. Ob man will oder nicht, ob man es merkt oder nicht: Auch hier lauert Wettkampf, Vergleich, Bewunderung oder Neid.

Und dann passieren ganz unerwartete Dinge. Das heimlich gebildete Urteil der Mitmenschen äußert sich in verschiedenen Aktionen. Die Freude am Waldlauf wird mit Hinweis auf aggressive Wildschweine relativiert. Nachbarn betonen, dass sie gar kein neues Auto haben wollen und so weiter. Überhaupt wird gerne alles madig gemacht, was von den hauptberuflichen Vergleichern nicht erreicht wird, wo sie also das Gefühl haben, einen (imaginären) Wettkampf verloren zu haben. 

Hineingezogen werden in einen Wettbewerb. Und darauf hingewiesen werden, dass man ein Ziel verfehlt hat, welches man bis dahin gar nicht angepeilt hat. Für dieses Gefühl des Gewinnens nehmen die Wettkämpfer nicht nur hartes Training in Kauf, sondern auch die Verletzung der Gegner. Solange nämlich ein Gegner auch nur ansatzweise ernst zu nehmen ist, wird er wie in der Tierwelt gebissen und bekämpft. Kneifen gilt nicht, sie erwarten ein klares Eingeständnis, dass man verloren hat, der Underdog ist. Für Win-win ist da natürlich kein Platz, nein, es gibt nur Gewinner oder Verlierer; Auf dem Siegerpodest ist kein Platz für mehr als eine Person.

Eine Arena ist schlichtweg überall, nicht nur im Sport. Materielle und immaterielle Güter, Verhalten, Aussehen, Fähigkeiten: Alles lässt sich vergleichen, betonen oder kritisieren und schlecht machen. Wer von Natur aus Wettkämpfer ist, wählt seine Bühne sehr sorgfältig aus und stellt sich nur, wenn er die Chance auf einen Gewinn hat. Und wer kein Wettkämpfer ist, der versucht dem Verglichen-werden auszuweichen und führt seine Mitmenschen zu einem Ring, in dem sie sich an anderen Personen abarbeiten können.

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Mittwoch, 19. Februar 2025

Herden und deren Geruch

Herden und deren Geruch
Wer jemals getanzt hat und das entsprechende Magazin "Der Tanzspiegel" kennt, der hat sie schon tausendfach gesehen. Die jungen Tänzer, in Pose geworfen, mit einem grimassenhaften Lächeln im Gesicht. Es gehört einfach zum guten Stil, dass man wie ein Schauspieler eine Art Freudenausdruck zur Schau bringt. Das Tanzen selbst ist eher Nebensache. In etwas abgespeckter Form erlebt man das auch in der Tanzschule. Was man ab dem Bronzekurs zu sehen bekommt, ist vielleicht noch keine hochwertige Tanzshow, aber jedenfalls breite Arme, selbstbewusste Gesten und voller Überzeugung dargebotene Figuren.

Was passiert da gerade? Diese Nachwachsenden signalisieren noch vor Erreichen einer gewissen Kompetenz, dass sie zu der Herde gehören wollen. Sie ahmen das Verhalten nach, das Auftreten, die Kleidung, auch die Sprache. Einfach alles, was sich an Äußerlichkeiten mehr oder weniger leicht adaptieren lässt. Und erarbeiten sich damit schon frühzeitig einen gewissen Stallgeruch, der sie einerseits zu einem Teil dieser Gesellschaft macht, andererseits aber auch ihren Herdentrieb signalisiert.

Was für das Tanzen gilt, können wir auch in anderen Feldern wahrnehmen. Sei es die Affinität zu einer gewissen politischen Ausrichtung, die mit hennagefärbten Haaren und Jutebeuteln nach außen getragen wird, sei es ein Vorstandsanspruch, der sich in Form der Kleidung, Golfspielen und Gesprächsthemen wie Börsennotierungen zeigt. Wie auch immer, was diese Beispiele verbindet, ist das Voraneilen der Äußerlichkeiten gegenüber dem Aufbau der eigentlichen Teamkongruenz. Oder anders formuliert dem Antritt, zur Herde zu gehören. Dabei kann diese Zugehörigkeit ein Mitlaufen sein, aber durchaus auch mit einem Führungsanspruch gekoppelt sein.

In Abgrenzung dazu gibt es Menschen, die auf Herdenzugehörigkeit gar keinen Wert legen. Sie sind deshalb nicht unbedingt Einzelgänger, können auch je nach Rolle Teil einer Gemeinschaft sein. Aber sie sind in ihrer Grundstruktur Selbstständige. In vielen Fällen füllen sie diese charakterliche Ausprägung auch im Beruf aus, machen ein eigenes Geschäft auf, gehen ihren Weg durch das (Berufs-)Leben ohne Rücksicht auf andere. Mitarbeiter sind willkommen, sind aber nicht wirklich Teil des Rudels und können nur beratend, nicht aber steuernd mitmachen.

Ein besonderes Spannungsfeld kann man in Familienbetrieben beobachten. Typischerweise hat der Senior den Betrieb (als Selbstständiger) gegründet und entwickelt. Und nun rückt ihm eines seiner Kinder nach. Vom Erbgut, dem erlebten Leben und der Erziehung her ist dieses Kind mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch vom Typ Selbstständiger, muss sich aber jetzt zur Zusammenarbeit mit den Eltern in eine Art Herde begeben. Und damit gibt es einen vorprogrammierten inneren (Rollen-)Konflikt.

Und auch in vielen Alltagssituationen wirkt sich dieser grundlegend unterschiedliche Charakter aus. Wer zu einer Gruppe dazugehören will, nimmt ja nicht nur deren Rituale an, redet in deren Sprache und sucht bestimmte Orte auf. Er ordnet bei Bedarf seine eigenen Bedürfnisse und manchmal auch die Bedürfnisse der Umgebung seinem Ziel unter. Da gibt es keine Diskussion, dass die Freundin auch mit zu einer politischen Versammlung, einem Sportevent oder einem Galadinner geht.

Das kann mit dem Selbstständigen auch passieren, allerdings aus ganz anderen Gründen. Er hat das in seiner Welt entschieden, hält es für die einzig richtige Lösung und setzt diese notfalls auch gegen den Willen seiner Mitmenschen durch. Die Herde spielt für ihn nun mal keine Rolle, wer mit ihm geht ist willkommen, wer nicht mitgeht lässt es halt.

Unter dem Strich ist es jedenfalls hilfreich, sich selbst, seine Partner und Familienangehörige, Mitarbeiter und alle möglichen anderen Wegbegleiter in dieser Hinsicht richtig einzuschätzen. Denn es macht wie in den Beispielen gezeigt bestimmtes Verhalten vorhersehbar.

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Mittwoch, 12. Februar 2025

Gefühltes Recht

Mein Arbeitsplatz liegt an einer stark befahrenen Straßenkreuzung in Frankfurt. Abgesehen von meiner morgendlichen Überquerung dieses Verkehrsknotens kann ich auch in der Pause mal einen Blick auf die Straße werfen. Da kommen von allen Richtungen in ununterbrochenem Strom Autos, Fahrräder, Fußgänger und Straßenbahnen an und passieren nach mehr oder weniger langer Wartezeit diese Stelle.

Gefühltes Recht
Gerade durch die hohe Auslastung ist die Kreuzung praktisch immer gefüllt, zu Stoßzeiten dauert es eine Weile, bis die Autos weiterfahren können, zwischen den Autoschlangen schieben sich Straßenbahnen hindurch. Und obendrein bahnen sich auch noch Fußgänger ihren Weg zwischen den Fahrzeugen. Ein Gewimmel und Gewusel, das jeder so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Das führt bei den Autofahrern dazu, dass sie sich über die Fahrzeuge ärgern, die in der Kreuzung stehen und sie am Überqueren hindern. Wütend über die lästige Verstopfung und das gehinderte Einfahren in die Kreuzung hupen sie und gestikulieren wild mit den Händen.

Sie sind der festen Überzeugung, dass sie ein Recht auf den Eintritt in die durch die Anderen vollstehende Kreuzung haben und diese ihnen unberechtigt im Weg stehen. Das ist aber laut Straßenverkehrsordnung falsch. Tatsächlich ist eine Kreuzung grundsätzlich freizuhalten. Weder darf man noch schnell bei gelb hineinschlüpfen, obwohl absehbar ist, dass man sie nicht zügig verlassen kann. Noch darf man in eine vollstehende Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel grün zeigt. So ärgerlich es ist, da muss man warten, bis der Weg frei ist und man davon ausgehen kann, dass man die Kreuzung innerhalb der Grünphase auch wieder verlassen kann.

Ein typischer Fall, bei dem das gefühlte Recht von der tatsächlichen Gesetzesvorgabe abweicht. Ebenfalls aus dem Straßenverkehrsrecht eine häufige Fehleinschätzung: Vorfahrtsregelung auf Parkplätzen. Die meisten Autofahrer denken, auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt gelte rechts-vor-links. Bestärkt durch ein Schild "Hier gilt die Straßenverkehrsordnung" sind sie der Meinung, dass ein von links kommendes Auto von vornherein zu warten hätte. Falsch. Denn die Flächen zwischen den Haltebuchten sind keine Fahrbahnen, sondern Rangierflächen. Und damit gilt hier die Vorgabe der gegenseitigen Verständigung. Sinnvollerweise kann man nicht global festlegen, wer zuerst fährt, das ergibt sich im jeweiligen Fall je nach Platzverhältnissen und Verkehrssituation.

Auch hier ist es weder zulässig noch rechtens, sich hupend, schimpfend oder durch ruppige Fahrweise seine vermeintliche Vorfahrt zu erkämpfen. Abgesehen davon, dass man nicht jedes Recht in Anspruch nehmen muss, vielleicht auch in einer großzügigen Geste auf seinen eigenen Vortritt verzichten kann. In jedem Fall aber Vorsicht, auch wenn man sich im Recht fühlt. Denn häufig ist das gar nicht der Fall.

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Mittwoch, 5. Februar 2025

Grundkurs Statistik

Grundkurs Statistik
Vor kurzem ist mal wieder ein TÜV-Report veröffentlicht worden. Die großen Marken lagen wie gewohnt auf den vorderen Plätzen, Premium-Modelle dominierten die Rangliste. Und weit abgeschlagen die kleinen Fahrzeuge, vorwiegend aus ausländischer Produktion. Natürlich, schießt einem da durch den Kopf, es geht eben nichts über deutsche Ingenieurskunst, das seit vielen Generationen verankerte Wissen und die hieraus abgeleitete Qualität. Im Grunde bestätigt die Statistik die Einstellung, die man schon vorher hatte.

Doch so einfach wie die Medien es suggerieren ist es nicht. Bei genauerer Betrachtung spielen neben der Produktionsqualität noch eine Reihe anderer Faktoren eine Rolle. Wer sich einen gebrauchten Kleinwagen eines unbekannten Herstellers kauft, der hat tendenziell kein Geld für regelmäßige Wartung. Der fährt bei der Hauptuntersuchung vor und hofft, dass er ungeschoren davonkommt. Eine Erneuerung der Reifen oder ein notwendiger Austausch des Scheinwerfers wurde aufgeschoben und führt nun zur Verweigerung der Plakette.

In die Statistik fließen also indirekt auch Kundenprofile ein. Die Interpretation der auf den ersten Blick plausiblen Zahlen ist also gar nicht so einfach. Wobei der TÜV-Report nur ein Beispiel dafür ist, dass man genau hinschauen muss. Das gilt ebenso für alle anderen Zahlenwerke, denn Statistik hat von Natur aus zwei typische Eigenschaften. Beruhen die Erkenntnisse auf wenigen Zahlen, dann stellt man sich die Frage, wie repräsentativ die Auswahl ist. Und daneben spielt auch die Einbettung, also der Kontext, eine Rolle. Dann drittens muss man sich mit Definitionen beschäftigen. Was versteht man denn im TÜV-Report unter "durchgefallen"? Sind es die völlig maroden Querlenker oder ist es der vorausschauend notwendige Ersatz einer Dichtungsmanschette?

Im Polizeibericht des Frankfurter Bahnhofsviertels wird eine hohe Kriminalität kolportiert. Muss man dort um Leib und Leben fürchten oder sind es die zahlreichen Drogendelikte, die die Zahlen in die Höhe treiben? Und in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob man die Messungen miteinander vergleichen kann. In Wiesbaden gibt es überdurchschnittlich viele Ordnungswidrigkeiten im Bereich des ruhenden Verkehrs. Das liegt aber weniger an dem Gemüt der Autofahrer, die in dieser Stadt besonders wild parken. Sondern daran, dass reguläres Parken erschwert und die Kontrollen verschärft sind.

Und am Ende die Vergleichswerte. Ist fünfundneunzig Prozent eine gute Trefferquote? Sind zwei Promille Fehlentscheidungen einer KI gut oder schlecht? Wie steht der Wert vom Frankfurter Bahnhofsviertel im Vergleich zu Downtown Manhattan?

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