Mein Arbeitsplatz liegt an einer stark befahrenen Straßenkreuzung in Frankfurt. Abgesehen von meiner morgendlichen Überquerung dieses Verkehrsknotens kann ich auch in der Pause mal einen Blick auf die Straße werfen. Da kommen von allen Richtungen in ununterbrochenem Strom Autos, Fahrräder, Fußgänger und Straßenbahnen an und passieren nach mehr oder weniger langer Wartezeit diese Stelle.
Gerade durch die hohe Auslastung ist die Kreuzung praktisch immer gefüllt, zu Stoßzeiten dauert es eine Weile, bis die Autos weiterfahren können, zwischen den Autoschlangen schieben sich Straßenbahnen hindurch. Und obendrein bahnen sich auch noch Fußgänger ihren Weg zwischen den Fahrzeugen. Ein Gewimmel und Gewusel, das jeder so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte. Das führt bei den Autofahrern dazu, dass sie sich über die Fahrzeuge ärgern, die in der Kreuzung stehen und sie am Überqueren hindern. Wütend über die lästige Verstopfung und das gehinderte Einfahren in die Kreuzung hupen sie und gestikulieren wild mit den Händen.
Sie sind der festen Überzeugung, dass sie ein Recht auf den Eintritt in die durch die Anderen vollstehende Kreuzung haben und diese ihnen unberechtigt im Weg stehen. Das ist aber laut Straßenverkehrsordnung falsch. Tatsächlich ist eine Kreuzung grundsätzlich freizuhalten. Weder darf man noch schnell bei gelb hineinschlüpfen, obwohl absehbar ist, dass man sie nicht zügig verlassen kann. Noch darf man in eine vollstehende Kreuzung fahren, auch wenn die Ampel grün zeigt. So ärgerlich es ist, da muss man warten, bis der Weg frei ist und man davon ausgehen kann, dass man die Kreuzung innerhalb der Grünphase auch wieder verlassen kann.
Ein typischer Fall, bei dem das gefühlte Recht von der tatsächlichen Gesetzesvorgabe abweicht. Ebenfalls aus dem Straßenverkehrsrecht eine häufige Fehleinschätzung: Vorfahrtsregelung auf Parkplätzen. Die meisten Autofahrer denken, auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt gelte rechts-vor-links. Bestärkt durch ein Schild "Hier gilt die Straßenverkehrsordnung" sind sie der Meinung, dass ein von links kommendes Auto von vornherein zu warten hätte. Falsch. Denn die Flächen zwischen den Haltebuchten sind keine Fahrbahnen, sondern Rangierflächen. Und damit gilt hier die Vorgabe der gegenseitigen Verständigung. Sinnvollerweise kann man nicht global festlegen, wer zuerst fährt, das ergibt sich im jeweiligen Fall je nach Platzverhältnissen und Verkehrssituation.
Auch hier ist es weder zulässig noch rechtens, sich hupend, schimpfend oder durch ruppige Fahrweise seine vermeintliche Vorfahrt zu erkämpfen. Abgesehen davon, dass man nicht jedes Recht in Anspruch nehmen muss, vielleicht auch in einer großzügigen Geste auf seinen eigenen Vortritt verzichten kann. In jedem Fall aber Vorsicht, auch wenn man sich im Recht fühlt. Denn häufig ist das gar nicht der Fall.
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