Mittwoch, 23. Dezember 2020

Corona ist wie Schwangerschaft

Irgendwann ist die Erde mit einem neuen Bewohner befruchtet worden, wir nennen ihn Covid-19. Seit der Zeugung mischt er sich in unser Leben ein, wir müssen umplanen, Rücksicht auf ihn nehmen – ob wir wollen oder nicht – und er macht sich in unserem Alltag breit.

Nichts ist wie vorher, nichts wird jemals wieder so wie vorher sein. Keiner kann sagen, wie alt unser neuer Kamerad wird, bislang kennen wir nur seine Kindheit und den Lebensweg einiger Verwandter. Er selbst ist ein Individuum, quengelig, unruhig, mittlerweile sogar ein wenig pubertär. Da erleben wir die verrücktesten Dinge, lernen vielleicht demnächst noch seine Freundin kennen und stellen voller Entsetzen fest, dass die zwei heimlich miteinander – kurz: Ein neues Virus tritt auf den Plan.

Dabei hat er doch alles, was er will, wie ein Einzelkind fordert er weltweit kompromisslose Aufmerksamkeit und schreckt auch nicht vor Verderben und Tod zurück. Egoistisch wie er ist, lässt er sich auch nichts sagen, kennt kaum natürliche Feinde und selbst die sonst oft wirksame Lenkungskraft des Geldes greift bei ihm ins Leere – Irdische Güter interessieren ihn nicht, Drohungen ebensowenig. Das ist für Menschen, die ihr Umfeld darüber zu steuern gewohnt sind, eine herbe Erkenntnis.

Wie er überhaupt gleich dem eigenen Kind für viele, viele Einsichten und die Erweiterung des Horizonts sorgt. Was bisher nicht ging, nicht realistisch machbar oder nahezu undenkbar schien: auf einmal möglich. (Nicht wahr, hätte eine einzige Person in Deutschland auch nur Teile der Veränderungen in den letzten Monaten vorhergesagt wäre sie ins Irrenhaus gekommen.)

Eltern wissen: Kinder sind anstrengend, verbrauchen Geld, verlangen Aufmerksamkeit, fordern Zeit und Nerven. Sie sind aber auch was Wundervolles, was unsere Generationen immer leicht verändert und weiterentwickelt. So auch hier: Dieses pubertär tobende Ungestüm zerrt an unseren Grundfesten, wackelt mal eben an unseren Glaubenssätzen und stellt unser ganzes Leben auf den Kopf – die vielbeschworene Bewegung aus der eigenen Komfortzone wird nicht angeregt, sondern einfach verlangt.

Global gesehen macht es die Situation also nicht nur erträglicher, wenn man sie als Chance interpretiert. Nein, sie ist eine Zwangs-Chance. Ein erzwungener Wechsel (Change), den wir mit dem neuen Partner in unserem Leben auch gar nicht diskutieren können.

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