Irgendwann ist die Erde mit einem neuen Bewohner befruchtet worden, wir nennen ihn Covid-19. Seit der Zeugung mischt er sich in unser Leben ein, wir müssen umplanen, Rücksicht auf ihn nehmen – ob wir wollen oder nicht – und er macht sich in unserem Alltag breit.
Nichts ist wie vorher, nichts wird jemals wieder so wie
vorher sein. Keiner kann sagen, wie alt unser neuer Kamerad wird, bislang
kennen wir nur seine Kindheit und den Lebensweg einiger Verwandter. Er selbst
ist ein Individuum, quengelig, unruhig, mittlerweile sogar ein wenig pubertär.
Da erleben wir die verrücktesten Dinge, lernen vielleicht demnächst noch seine
Freundin kennen und stellen voller Entsetzen fest, dass die zwei heimlich
miteinander – kurz: Ein neues Virus tritt auf den Plan.
Dabei hat er doch alles, was er will, wie ein Einzelkind fordert er weltweit kompromisslose Aufmerksamkeit und schreckt auch nicht vor Verderben und Tod zurück. Egoistisch wie er ist, lässt er sich auch nichts sagen, kennt kaum natürliche Feinde und selbst die sonst oft wirksame Lenkungskraft des Geldes greift bei ihm ins Leere – Irdische Güter interessieren ihn nicht, Drohungen ebensowenig. Das ist für Menschen, die ihr Umfeld darüber zu steuern gewohnt sind, eine herbe Erkenntnis.
Wie er überhaupt gleich dem eigenen Kind für viele, viele
Einsichten und die Erweiterung des Horizonts sorgt. Was bisher nicht ging,
nicht realistisch machbar oder nahezu undenkbar schien: auf einmal möglich.
(Nicht wahr, hätte eine einzige Person in Deutschland auch nur Teile der
Veränderungen in den letzten Monaten vorhergesagt wäre sie ins Irrenhaus
gekommen.)
Eltern wissen: Kinder sind anstrengend, verbrauchen Geld, verlangen Aufmerksamkeit, fordern Zeit und Nerven. Sie sind aber auch was Wundervolles, was unsere Generationen immer leicht verändert und weiterentwickelt. So auch hier: Dieses pubertär tobende Ungestüm zerrt an unseren Grundfesten, wackelt mal eben an unseren Glaubenssätzen und stellt unser ganzes Leben auf den Kopf – die vielbeschworene Bewegung aus der eigenen Komfortzone wird nicht angeregt, sondern einfach verlangt.
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