Ich stehe in hinten im Garten in der Hühnerabsperrung. Um mich herum scharren meine kleinen Freunde und suchen nach Körnern. Für Außenstehende eher überraschend die Zutraulichkeit, die Anhänglichkeit dieser gefiederten Genossen.
Und wie friedlich die ganze Szene. Das täuscht. Denn im Vorfeld haben die Tiere in der für sie typischen Manier die Rangordnung festgelegt, es gab Hahnenkämpfe und die Erstellung einer Hackordnung. Damit ist die Hierarchie geklärt und sie können sich in ihrer Position auf ihre Angelegenheiten konzentrieren.
Das ist bei Menschen nicht wirklich anders. Treffen sie aufeinander, dann wird zwingend eine Reihenfolge festgelegt. Manchmal nicht ganz deutlich sichtbar, in anderen Fällen zwar sichtbar aber nicht in Deckung mit der offiziell deklarierten Stufe (vielleicht hat ein Mitarbeiter viel mehr Einfluss als der Strohpuppen-Chef).
Nicht alleine, dass sich auch bei uns eine Art Hackordnung einstellt, es wird noch mal komplizierter, weil wir mehrere Leben zu haben scheinen. Da ist das Berufsleben, in dem die Hierarchiestufe auf der Visitenkarte steht. Und dann das Privatleben, in dem das Umfeld die Eingruppierung vornimmt. Parallele in beiden Fällen, dass man die besetzte Hierarchiestufe auch authentisch mit Inhalt füllen muss. Wer in der Familie das Sagen haben will, muss eine natürliche Führungskompetenz an den Tag legen, sonst wird er von Kindern wie im Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“ entlarvt. Dieser Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit begegnen wir im Berufsleben leider nicht, keiner der Erwachsenen (wie auch angesprochen im Märchen von Hans Christian Andersen) ist so furchtlos ehrlich, dass er uns die Diskrepanz zwischen Führungsanspruch und –vermögen ins Gesicht sagt.
Je höher der Weisungslevel wird – in der Spitze denke ich an den Vorstand eines Unternehmens – desto schwieriger wird es, zwischen wirklicher Führungsqualität und Furcht der Untergebenen vor offener Rückmeldung zu unterscheiden. Oder wie es bei Evita heißt: „For someone on top of the world, the view is not exactly clear.“
Die Besinnung auf die allgegenwärtige Hackordnung der Hühner ist auch in der menschlichen Gesellschaft absolut sinnvoll. Wer ist hier auf mehr oder weniger offener Bühne und in meinem Hühnerstall unterwegs? Aber eben auch die Frage, in welchem Hühnerstall ich mich gerade befinde und wie die Hackordnung dort praktisch aufgestellt wurde.
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